Caitlin Moran (CC Katrin Rönicke)

Sind Männer überflüssig?

„Das Ende der Männer“ – so lautet der provokative Titel der US-amerikanischen Journalistin und Autorin Hanna Rosin. In ihrem Buch legt Rosin dar, warum sie denkt, dass die Ära der Männer vorbei und der Aufstieg der Frauen unaufhaltsam sei. Eine riesige Kontroverse hat das ausgelöst und viele Kommentatoren reagierten ablehnend auf Rosins These, dass es mit den Männern nun vorbei sei. Dass wir, Frauen, sie ja eigentlich kaum mehr brauchten. „Men are obsolete“, schrieb sie gar im TIME Magazine.

Was Rosin getan hat, ist schlicht Daten zu sammeln. Ökonomische Veränderungen beobachten. Soziologische Zahlen zusammentragen. Werbung beobachten. Sogar in einem TED-Talk hat sie ihre These mit all diesen Zahlen unterfüttert.

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Wären die Thesen Rosins schlichte Provokation – okay, man könnte es wunderbar ignorieren. Was sie aber stattdessen tut, und was viele Rezensionen auch aufgegriffen haben, ist eine akribische Zusammenfassung zu liefern, wo und warum Männer heutzutage wesentlich schlechter abschneiden und in Zukunft noch viel schlechter abschneiden werden, als Frauen. Und natürlich spricht auch sie die „Krise der Jungen“ an. Es geht also schon ganz früh los, dieses „Ende der Männer“.

Die eigentlich schlichte Provokation ist Rosins Titel, „Das Ende der Männer“. Und dass sie immer wieder Frauen zitiert, die Dinge sagen wie „Männer sind der neue Klotz am Bein“. Mir gefällt ein anderer Gedanke wesentlich besser: Männer stehen vor einer neuen Gesellschaft und damit vor ihrer eigenen Emanzipation. So wie Frauen schon vor über 100 Jahren. Etwas muss sich ändern.

Das ist auch der Ansatz, den die britische Autorin und Feministin Caitlin Moran wählt. In einer Kontroverse über Rosins These vom Ende der Männer ergreift sie energisch Partei für das andere Geschlecht. „Wir müssen aufhören von den Problemen der Männer und den Problemen der Frauen zu sprechen“, fordert sie darin, die Probleme seien schlicht solche der gesamten Menschheit.

Caitlin Moran – Munk Debate on Gender in the 21st Century from Munk Debates on Vimeo.

Wäre die Zukunft eine zu 100 Prozent weibliche, dann würde das genauso bescheuert sein, wie die vergangenen Jahrhunderte männlicher Vorherrschaft, findet sie. Als Marxistin legt Moran in der Debatte (die auch als kleines Büchlein erhältlich ist) dar, warum die Probleme der Männer ein Problem des Kapitalismus sind. Probleme einer Ökonomie, die sich weltweit ändert. Anders ausgedrückt: Klassenprobleme. Ja: Die Arbeitsplätze in der Industrie und in der Arbeiterklasse scheinen zu verschwinden, die neue Arbeitswelt benachteiligt eine Karriere, die Männer Jahrhunderte lang für selbstverständlich gehalten haben. Ein Umdenken ist notwendig – aber darunter zu leiden ist kein singuläres Problem der Männer. Es ist eine grundsätzliche Gerechtigkeitsfrage und es sollte eine erhebliche Teile unserer Gesellschaft zugunsten der ökonomischen Entwicklung einfach abzuhängen.

In der Tat gibt es schon sehr viele „andere“ Männer als die, denen Rosin ihre These vom „Ende der Männer“ verdankt. Aber ein Blick auf jene, die zurück bleiben ist wichtig: Sie funktionieren oft nach einem „alten“ und stereotypen Männlichkeitsprinzip und ja: Es scheint so, als würden die Bildungseinrichtungen und die Zukunft der Arbeit, wie wir sie uns heute vorstellen, die Veränderungen die eine Kommunikations- und Informationsgesellschaft mit sich bringt, das stereotype Männlichkeitsbild nicht gerade favorisieren. Das ist jedoch nur insofern ein Grund zur Sorge, als dass die Möglichkeiten, sich dieser neuen Gesellschaft anzupassen, vielen Männern aus den unteren Klassen nicht gegeben werden. Sie werden entlang harter Rollenklischees erzogen und damit vielleicht zum Scheitern. Vielleicht aber auch nicht.

Es ist ja nicht so, dass das alte Konzept von Männlichkeit total verschwunden wäre. Die meisten Führungspositionen sind in männlicher Hand. Der größte Teil des weltweiten Vermögens ist in männlicher Hand. Frauen haben heutzutage in der Berufswelt nach wie vor aufgrund der traditionellen Rollenaufteilung in „echte Arbeit“ (Männer) und Familienarbeit (Frauen) schlechtere Karten. Die ganze Arbeitswelt ist ein für Männer gemachtes Konstrukt, eines, das darauf basiert, dass zuhause eine Person sich um die Kinder kümmert, während man(n) selbst die Überstunden aufbaut und sich 40 bis 60 Stunden in der Woche abrackert. Dennoch: Erste Signale deuten darauf hin, dass es Sphären gibt, in denen Frauen Männer überholen. Und dass gerade Jungen und junge Männer drohen, abgehängt zu werden.

Deswegen beharren wir heute auch aus einer feministischen Perspektive so darauf, dass nicht nur Mädchen unter sexistischen Rollenklischees in Werbung, Medien und Erziehung leiden, dass die Pinkifizierung der Kinderzimmer aufhören soll, sondern dass auf der anderen Seite auch Jungen in den Fokus genommen werden müssen. „Junge sein kann man auf viele Weisen“ – dieser Pinkstinks-Slogan ist der Grundstein für eine echte Zukunft der Männer. Für den Anfang ihrer überfälligen Emanzipation.

Also: Sind Männer überflüssig? – Natürlich nicht. Aber stereoype Rollenklischees braucht keiner!