Vergewaltigung im ARD-Tatort: Gleichstellungsbeauftragte laufen Sturm

Bei Pinkstinks freuen wir uns immer über feministische Vernetzung. In folgendem Fall hat das besonders gut geklappt. Erinnert ihr euch an den Tatort „Kopfgeld“ mit Til Schweiger, in dem die Staatsanwältin vergewaltigt wurde? Sich aber nicht traute, anzuzeigen, weil Vergewaltigungen bekanntlich nicht verurteilt werden und die Überlebende der Lüge bezichtigt wird? Eben. Ihr wart nicht alleine mit dem Gefühl, dass es nicht sein kann, dass knapp 10 Millionen Zuschauer*innen mit der Aussage allein gelassen werden, man sei gegen Vergewaltigung machtlos.

Am 24.03.2014 schrieb die stellvertretende Frauenbeauftragte Sabine Blackmore von der Humboldt-Universität Berlin einen Brief an die Tatort-Redaktion. Noch nicht sicher, ob sie ihn abschicken sollte, zeigte sie ihn ihrer Vorgesetzten, die mit ihr zusammen eine Welle lostrat: Gleichstellungsbeauftragte, Studierende und Lehrende der Universitäten unterschrieben den Appell an die ARD, genauer nachzudenken, welche Botschaften der Tatort vermittelt. Die Antwort? Es kam keine.

Nach mehreren Wochen hakte Sabine Blackmore nach. Erst letzte Woche kam ein Schreiben der Intendanz, anbei eine Stellungnahme der Abteilung Film. Während der Leiter der Intendanz einräumte, dass man mit diesem Thema sensibel umgehen sollte, war die Rechtfertigung des verantwortlichen Leiters der Filmabteilung vermessen. Sie erinnert an das „ironische Augenblinzeln“, das der Werberat in manch einer geschlechtsdiskriminierenden Werbung sieht. Wo wir stehen gelassen werden mit dem Hinweis, wir hätten einfach nicht genug Humor, wurden den Beschwerdeführer*innen erklärt, dass diese Figuren ja nicht real sondern überzogen seien – das verstünden die Menschen schon.

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte vor ein paar Wochen Zahlen, nach denen tatsächlich immer weniger Vergewaltigungen verurteilt werden. Gerade wird in Berlin um den Paragraphen 177 gekämpft, ein Kampf, bei dem jede*r von euch mitkämpfen kann, damit ein „Nein!“ ausreicht, um Vergewaltigung zu verhindern. Diese Ungerechtigkeit kann die ARD nicht ändern? Doch. Sie könnte angemessen über Sexismus in der Gesellschaft aufklären, wie im letzten Jahr wiederholt gefordert wurde. Sie könnte Tatort-Drehbücher schreiben lassen, in denen Frauen keine hilflosen Opfer sind, sondern sich erfolgreich wehren können. Bilder wirken. Das sollten gerade die ARD eigentlich wissen.

Wenn sie daran festhält, dass sie für dieses Genre tragische Figuren zeigen muss, dann ist das höchstens legitim, wenn die ARD – wie einst beim Furtwängler-Tatort „Wegwerfmädchen“ , in dem es um Menschenhandel ging – im Anschluss auf die Sendung eine Diskussion zur Bekämpfung des Problems folgen lässt. Doch das geschah hier nicht. Opfer von sexualisierter Gewalt wurden mit Hoffnungslosigkeit stehen gelassen. Was für ein Zeichen in einem Land, das im Grundgesetz die Förderung der Gleichberechtigung verankert und öffentlich-rechtliches Fernsehen hat, das dieses Ziel erreichen helfen könnte.

Brief von Sabine Blackmore an die ARD
Brief von Sabine Blackmore an die ARD

Antwort der ARD an Sabine Blackmore und Unterzeichner*innen
Antwort der ARD an Sabine Blackmore und
Unterzeichner*innen