10 Jahre Pinkstinks – ein Jubiläums-Interview mit Ariane Lettow

Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass heute im „Heute Journal“ und den „Tagesthemen“ gegendert wird? Als Pinkstinks vor 10 Jahren gegründet wurde, war das unvorstellbar. Was für eine unglaublich aufregende Zeit hinter uns liegt, in der wir so viel erlebt und erkämpft haben! Wir können gar nicht beschreiben, wie dankbar, glücklich und stolz wir sind.

Genau der richtige Zeitpunkt, mal innezuhalten, uns gemeinsam zu feiern und über Pinkstinks zu sprechen. Und wer wäre dafür besser geeignet, als unsere wundervolle Geschäftsführerin Ariane Lettow?

Wir haben Ariane einfach mal ein paar Fragen gestellt:

Ariane, wenn du die Anfänge von Pinkstinks vor 10 Jahren mit heute vergleichst: Was waren damals die Themen?

Stevie Schmiedel gründete Pinkstinks 2012 als große Visionärin, und in der Rückschau bin ich immer noch sprachlos und begeistert, was aus wenigen Menschen und komplett ehrenamtlichem Engagement gewachsen ist! Was Stevie vor 10 Jahren mit ihrer unglaublichen Expertise und „next level“-Mut in die Welt brachte, wurde dringend benötigt – nur wusste das die Welt noch nicht.

Zuerst ging es darum, Sexismus überhaupt ins Bewusstsein zu bringen. Das gesellschaftliche Interesse an dem Thema war gering, Feminismus hatte ein sehr schlechtes Image. Unser Gründungsjahr lag 5 Jahre vor Metoo, damals war es undenkbar, dass in ARD und ZDF gegendert oder ein Pinkstinks-Arbeitsheft zu Sexismus tausendfach an Schulen eingesetzt würde. Stevie und Nils Pickert bloggten oft die Nächte durch, um das zu ändern. Nils’ Stimme war und ist immer noch ein wichtiger Bestandteil von Pinkstinks, einige Serverzusammenbrüche gehen auf sein Konto – weil zu viele Leute gleichzeitig seine Texte lesen wollten.

Ariane Lettow, Geschäftsführerin bei Pinkstinks

Die Themen der Anfangsjahre waren Rollenstereotype und Sexismus in der Werbung. Gerade an Beispielen von Gendermarketing zeigte Pinkstinks eindrücklich, wo das Problem liegt. Mit Erfolg: Ferrero nahm aufgrund unserer Kampagne das rosafarbene Ü-Ei „nur für Mädchen“ vom Markt, auch andere Firmen reagierten auf unsere Kritik.

Ein weiterer wichtiger Bereich war und ist Theaterarbeit an Schulen, die Kinder bestärkt und über Geschlechterrollen aufklärt. Mit dem Stück „David und sein rosa Pony“ von Blanca Fernandez – Mitgründerin, lange Vorständin von Pinkstinks und Entwicklerin unserer Theaterarbeit – tourten wir quer durch Deutschland und konnten uns vor Anfragen kaum retten. Beim Lesen der ausführlichen Rückmeldungen der Schulen hatten wir oft Tränen in den Augen, so sehr hatte das Stück die Kinder bewegt.

Was wir machten, zeigte Wirkung! Und das tut es bis heute.

Wie hat sich das feministische Denken von Pinkstinks verändert?

Irgendwann war klar, dass wir mit unserer Art, feministische Themen zu vermitteln, tatsächlich auch Menschen außerhalb der sogenannten Bubble erreichen können. Wir entwickelten uns weg vom Aktivismus, hin zur Bildungsorganisation. Wir veränderten unsere Ausrichtung und gingen – gerade auch im Format „Schule gegen Sexismus“ – Themen niedrigschwelliger und humorvoller an, wir begannen, gezielt mit ganz unterschiedlichen Multiplikator*innen zusammen zu arbeiten. So wurde es zum Pinkstinks-Kern, feministische Themen für die breite Öffentlichkeit zu übersetzen, um möglichst viele Menschen zu begeistern. Im Zentrum stehen dabei die Fragen: Wie können wir marginalisierte Gruppen und gleichzeitig die Mitte der Gesellschaft erreichen? Wie können wir relevant bleiben? Was können wir gut, das wirklich hilfreich ist?

Wichtiger denn je ist für uns heute außerdem eine intersektionale Ausrichtung, die Unterschiede in der Diskriminierung anerkennt. Und wir beschäftigen uns selbstkritisch mit der Frage, wie wir als Team deutlich diverser werden können. Hier genügen wir unseren eigenen Maßstäben nicht, da sind wir dran.

Was gilt es in den nächsten 10 Jahren zu erreichen?

Laut einem kürzlich erschienenen UN-Bericht soll es mit dem aktuellen Tempo noch 300 Jahre dauern, bis Gleichberechtigung erreicht ist. Nicht mit uns! Wir wollen dazu beitragen, dass wir deutlich schneller ans Ziel kommen. Dafür brauchen wir drei Dinge:

Was mir am meisten am Herzen liegt: Wir brauchen einander! 💜 Die aktuellen und die kommenden Krisen können wir nur gemeinsam bewältigen. Wir müssen uns zusammentun, uns bestärken, miteinander diskutieren, es gut meinen miteinander, gegenseitiges Verständnis für unterschiedliche Situationen aufbringen und von unseren verschiedenen Perspektiven profitieren. Wir stehen dabei auf den Schultern von Aktivist*innen und Expert*innen, die in den letzten Jahrzehnten zu so wichtigen Themen wie Schwangerschaftsabbruch oder – fälschlicherweise so genannte – „häusliche“ Gewalt gearbeitet haben. Diese Kämpfe möchten wir verbinden mit aktuellen Debatten zu Verschränkungen von verschiedenen Diskriminierungsformen, mit Fragen zu Klimapolitik aus feministischer Perspektive und mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Geschlecht.

Eine große Herausforderung derzeit ist auch der Umgang mit erstarkendem Antifeminismus, überall auf der Welt müssen Menschen starke politische Rückschritte in Kauf nehmen. Es braucht Pinkstinks mehr denn je – mit guten Strategien, starken Allianzen. Mit euch an unserer Seite!

Was wir noch brauchen: Wir bei Pinkstinks müssen beweglich bleiben, auf Herausforderungen und Themen reagieren. Uns weiterbilden, uns korrigieren, wenn nötig. Immer wieder überprüfen, wie wir neue Menschen erreichen können. Undogmatisch sein.

Und drittens?

Drittens brauchen wir ganz schnödes Geld für unsere Arbeit. Durch die schwierige wirtschaftliche Lage verlieren wir derzeit so viele Förder*innen wie noch nie. Fast alle schreiben uns, wie sehr sie unsere Arbeit schätzen, dass es aber finanziell einfach nicht mehr geht. Die Förderung für die „Schule gegen Sexismus“ läuft nur noch etwa ein halbes Jahr, und um auch danach weiterhin stabil finanziert zu sein, brauchen wir dringend neue Förder*innen, die uns mit einem kleinen oder großen regelmäßigen Beitrag unterstützen können. Daher meine Bitte an alle, die gerade etwas geben können:

Spende uns Sicherheit! Hilf mit, dass Pinkstinks eine wichtige Stimme bleiben kann in diesen herausfordernden Zeiten! Jeder monatliche Euro macht einen Unterschied und fließt in wirksame feministische Bildungsarbeit. Unsere Grafikerin Antonia Krüger hat sich für alle neuen Förder*innen eine tolle Überraschung überlegt.

Was möchtest du unseren Unterstützer*innen noch mit auf den Weg geben?

Mein grenzenloses DANKESCHÖN an alle, die Pinkstinks möglich machen und in den letzten 10 Jahren unterstützt haben! Ich verneige mich vor euch und eurem Engagement mit großer Liebe tief bis zum glühenden Erdkern. Zusammen sorgen wir auch in den nächsten 10 Jahren für eine gerechtere Welt und zeigen auf, warum Feminismus Vorteile für ALLE hat.

Hoch die Tasse(n) – für alle neuen Förder*innen

Dem können wir uns nur anschließen! Ariane hat es oben auch schon angekündigt – wir haben noch eine Überraschung für euch! Alle, die bis zum 22.11.2022 eine regelmäßige Spende abschließen, bekommen unsere wunderschöne brandneue „Die Zeiten gendern sich“-Jubiläumstasse! 3, 5 oder 10 Euro von euch im Monat sind für uns extrem wertvoll – jeder Euro macht einen Unterschied.

Jetzt aber endlich: Lasst uns die Party-Hütchen rausholen und gemeinsam auf die letzten und die kommenden 10 Jahre anstoßen! 🥂 Wir prosten euch zu! Ihr seid die tollste Community der Welt, ohne die das hier alles gar nicht möglich wäre! Danke, dass ihr da seid! 💜

Euer Pinkstinks-Team

PS: Du kannst gerade nicht regelmäßig spenden? Wir freuen uns auch über jede Einzelspende!

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich“ oder „männlich“ benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.

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