Hollywood schlägt Männer

Vor drei Wochen habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, wie sexualisierte Gewalt gegen Männer als popkulturelle Referenz immer wieder verwendet und verharmlost wird. Als Resonanz darauf haben sich viele bei uns dafür bedankt, dass wir das Thema angegangen sind. Anscheinend haben wir damit einen Nerv getroffen. Es gab aber auch Stimmen, die den Fokus des Textes problematisch fanden und mir vorgeworfen haben, die falschen Dinge zu thematisieren.

Das sehe ich anders. Und zwar nicht nur, weil Pinkstinks Femizide und Rape Culture immer wieder thematisieren, sondern weil dieser Vorwurf in bemerkenswerter Weise gerade das Argument belegt, dass sexualisierte Gewalt gegen Männer bagatellisiert und als Mittel zum Zweck benutzt wird. In diesem Fall als Mittel, um auf das grassierende, furchtbare Problem von Femiziden hinzuweisen. Ich hingegen halte es für wichtig, sich jede Form von systematischer Gewalt ganz genau anzuschauen. Statt also Gewalt gegen Männer zu beschweigen und so zu tun, als sei das kein feministisches Thema, werde ich heute das genaue Gegenteil tun und das Phänomen näher beleuchten. Und zwar anhand von Männern, denen für Werbung von Frauen ins Gesicht geschlagen wird.

Dafür gibt es anscheinend die verschiedensten Gründe, die alle einen gemeinsamen Nenner haben: Die Ohrfeige, die ein Mann von einer Frau kassiert, scheint irgendwie hinnehmbar, minder, angebracht oder sogar lustig zu sein. Daher nun ohne weitere Umschweife 7 angebliche Gründe, Männern ins Gesicht zu schlagen.

1.
Wenn deine Chips aus Gemüse sind, „der Moment dir gehört und du das Gefühl hast, du kannst mit ihm machen, was du willst“.

2.
Weil du deinem Partner nicht glaubst, dass er eine Autopanne hatte und davon ausgehst, dass er dich betrogen hat

3.
Weil man die Werbung von Mercedes für einen totalen Klassiker hält und es doch super lustig wäre, das Jahre später für die Telekom noch einmal zu machen.

4.
Weil du eine Art Superheldin eines Schweizer Sexshop bist und Männer dafür bestrafst, dass sie ein langweiliges Weihnachtsgeschenk auswählen.

5.
Weil er einen romantischen Abend mit dir vorbereitet hat und die Rosenblätter nicht extra gekauft sondern aus dem Garten sind.

6.
Weil er einen Schokoriegel falsch isst.

7.
Weil er während des Autofahrens auf sein Handy glotzt und den Straßenverkehr gefährdet.

Die Figur des ins Gesicht geschlagenen Mannes ist klar erkennbar kein Einzelfall. Und weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn ist sie ein Ausrutscher. Sie ist nicht tabuisiert, sie widerspricht offenbar keiner geltenden Norm, sie wird nur selten infrage gestellt. Stattdessen ist sie so üblich, dass sie vom Bundesverkehrsministerium gefördert ist, Preise bekommt und gefeiert wird. Der Macher des Mercedes-Spots berichtete, dass alle bei der Präsentation herzlich gelacht hätten. Über den Telekom-Spot schrieb man, dass der Mann die Ohrfeige „wohl verdient“ hätte und dass das „amüsant sei.

Warum ist das lustig? Sicher, man könnte das als slapstickartigen Humor bezeichnen. Was aber, wenn man ihn umdreht? Die Tatsache, dass hier ein doppelter Standard existiert, wird nicht erst mit dem Hinweis deutlich, dass man in den Werbeclips die Rollen ja mal vertauschen könnte. Sie durchdringt unsere gesamte Gesellschaft. Bei einer Ohrfeige für die Bachelorette hätten keine Klatschportale Umfragen gestartet, ob das nicht irgendwie gerechtfertigt wäre. Die Gründe dafür liegen zwar eigentlich auf der Hand, werden aber nicht benannt, obwohl das dringend notwendig ist.

  1. Frauen werden grundsätzlich für schwächer als Männer gehalten. Wenn eine Frau einem Mann in Gesicht schlägt, gehen die meisten davon aus, dass es so schlimm schon nicht gewesen sein wird, weil sie nur eine Frau ist.
  2. Männer werden dazu angehalten, Schmerzen zu ignorieren und ihre Männlichkeit durch Gleichmut gegenüber Schmerzen zu belegen. Ein Mann, der nach einem Schlag ins Gesicht durch eine Frau in Tränen ausbricht, ist nach dieser Logik in doppeltem Sinne unmännlich. Weil er seinen Schmerz zeigt und weil er sich zu einem Schmerz bekennt, der ihm durch eine vorgeblich schwächere Frau zugefügt wurde.
  3. In allen Gesellschaften und Schichten sind Frauen immer wieder die Opfer von Gewalt durch Männer. Gegen diese erschreckende Realität wird viel zu wenig unternommen. Stattdessen gesteht man Frauen zu, sich in einem gewissen Rahmen körperlich zur Wehr zu setzen, weil man davon ausgeht, dass Männer es schon irgendwie verdient haben werden. Das Internet ist voller Beispiele und „Experimente“, bei denen Menschen einen Mann davon abgehalten haben, eine Frau zu schlagen, aber wenn die Frau den Mann schlug lachten, filmten oder sich ganz einfach für die Frau freuten.
  4. Gewalt gegen Männer wird nicht ernst genommen, weil Männer keine Opfer zu sein haben. Opfer sein entspricht nicht den gängigen Männlichkeitsvorstellungen.

Männern wie nebenbei wegen der absurdesten Dinge ins Gesicht zu schlagen, sagt also eine ganze Menge über den Zustand unserer Gesellschaft aus. Genauso wie der Umstand, Frauen permanent wie sexuell verfügbare Objekte zu behandeln und ihren Willen als Verhandlungsmasse zu betrachten. Beides spricht wie viele andere Dinge dafür, dass wir von Geschlechtergerechtigkeit noch meilenweit entfernt sind und dass noch viel zu tun bleibt. Dabei ist es nicht hilfreich, sich vor Themen wegzuducken oder sie gegeneinander auszuspielen. Denn sie sind alle Teile desselben Problems.

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