„Äks Matschuar“: Reifeprüfung oder Kindergarten?

 

Stevie: Komm, jetzt sag mal, Nils – das ist doch ein großer Fortschritt. Wir haben von den Werbeagenturen gefordert, dass sie Macherinnen zeigen, Frauen, die selber begehren, anstatt nur begehrt werden zu wollen. „Es wäre nett, wenn du mich morgen in der Uni wieder siezen würdest“: Das ist doch neu!

http://www.youtube.com/watch?v=WgXftZJiUPI

Nils: Stimmt. Das ist neu und definitiv besser als Frauen, die gerettet werden müssen oder irgendwo rumliegen und auf Haischläger oder Astronauten warten. Trotzdem ist das immer noch eine Eingrenzung der weiblichen Sexualität, die als manipulierbar dargestellt wird. Wenn du so willst ist das eine bessere Käfighaltung.

http://www.youtube.com/watch?v=SMoeQEUjWmw

Stevie: Sie haben sich immerhin bemüht, nachdem wir einen Sommer lang Stress gemacht haben und der Werberat sich Unilever dann nochmal zur Brust genommen hat.

Nils: Ja, dafür kriegen sie von mir als Ossi ein Bienchen. Das haben sie sich auch deshalb verdient, weil Unilever als Pionierratsvorsitzender Frauen wie Männer immer noch mit „Seid bereit!“ auffordert und keine andere Antwort zulässt als „Immer bereit!“. Und was soll dieser Rotfilter? Siedle ich als Mann Frauen gedanklich grundsätzlich im Rotlicht an?!

Stevie: Das ist doch ein Bezug auf das Originalposter von „Die Reifeprüfung“, das war auch rot hinterlegt. Und Mrs Robinson war da auch ziemlich fies. Wie die Damen in Axe-Clip: „Mein Ex-Mann wohnt jetzt auch wieder bei seinen Eltern“. Aber hier bleiben die Frauen die Gewinnerinnen, nicht wie Mrs Robinson, die – Schneewittchen-like – an ihre Tochter verliert. Hier bleiben Frauen im Fahrersitz.

Nils: Das lasse ich nicht gelten – Der Film ist sechsundvierzig Jahre alt, die Referenz zur „Reifeprüfung“ versteht kein 18-jähriger.

Stevie: Aber wir, und Axe braucht ja keine Angst zu haben, dass 18-jährige die Produkte nicht mehr kaufen, sondern dass 30-50-jährige darüber bloggen und schlechte Presse bereiten. Dass Pinkstinks anstrengend ist und nicht locker lässt, haben die ja inzwischen gemerkt. Aber gut, Rotlicht: Klar wirkt das auch für die Jugendlichen. Ältere Frauen sind auch sexy, verboten, im Rotlichtbereich, der sich für sie gerade auftut. Da vermischen sich ihre Youporn-Fantasien mit Frauen, die Ansage machen. Wo ist da das Problem?

Nils: Es leuchtet ein, dass die eine Imagekampagne fahren müssen. Das Zeug kann eben auch nur riechen. Und dass sie sich bemühen, ihr Image einigermaßen zu recht zu rücken, kann man sehen. Was man allerdings auch sehen kann ist, dass sie aus einem geilen Bock keinen Gärtner machen können, egal wo sie ihn weiden lassen. Das Problem ist nach wie vor, dass weibliche Sexualität nur als Folkloreelement des angeblich männlichen Begehrens vorkommt. Egal ob die Kerle nun Schneewittchen oder ihre verruchte Stiefmutter rumkriegen wollen. Und dass sie sie rumkriegen wollen müssen, scheint auch irgendwie festzustehen. Höhlenmann, ick hör dir trapsen.

Stevie: Ich verstehe die Kritik. Bei uns auf Facebook waren die User auch nach wie vor genervt und es wurde wild diskutiert. Und trotzdem: Meinst du nicht, dass was „hängen“ bleibt, wenn Frauen mal den Ton angeben dürfen, auch, wenn sie dafür aussehen müssen wie 25-jährige Topmodels? Kann durch solche Bilder nicht normaler werden, dass Frauen sich nehmen, was sie wollen? Ist das nicht ein erster Schritt? Eine Userin kommentierte: „Immerhin dürfen Frauen in einer Axe-Werbung sprechen, das geht ja schon in Richtung Subjekt!“ Wenn wir Axe schon hierzu bekommen haben, dann vielleicht im nächsten Jahr, dass die Damen auch mal ein paar Falten und Größe 40 haben dürfen?

Nils: Das wäre auf jeden Fall zu hoffen. Das Axe reagiert hat, ist ein ermutigendes Zeichen. Trotzdem bleibe ich dabei: Frauen nehmen sich hier nicht was sie wollen, sondern was sie wollen sollen. Da bleibt noch einiges zu tun.

Stevie: Absolut. Und tun werden wir. Aber ein Zwischenlob ist drin.

Stevie Schmiedel und Nils Pickert