Lena Mertens ist alleinerziehende Studentin. Nach Mirna Funks Provokationstext schrieb sie uns: Allein erziehen mag eine Lösung sein. Aber die Frage ist doch: Warum hängt Care Arbeit überhaupt bei Müttern? Wieso sind „Single Moms“ sexy, alleinerziehende Mütter aber nicht? Ein differenziertes Hinterfragen von einer Pinkstinks-Leserin.

Allein erziehen als Lösung?

Lena Mertens ist alleinerziehende Studentin. Nach Mirna Funks Provokationstext schrieb sie uns: Allein erziehen mag eine Lösung sein. Aber die Frage ist doch: Warum hängt Care Arbeit überhaupt bei Müttern? Wieso sind „Single Moms“ sexy, alleinerziehende Mütter aber nicht? Ein differenziertes Hinterfragen von einer Pinkstinks-Leserin.

“Hört mir auf mit Care-Arbeit” schreibt Mirna Funk. Sie lässt sich in ihrem Statement über Mütter aus, die laut ihr, sich ständig über die ungerechte Aufteilung von Care-Arbeit in ihren heterosexuellen Beziehungen beschweren. Mirna Funk sagt jedoch nicht, dass die ungerechte Aufteilung der Care-Arbeit das Problem sei. Sie sieht das Problem viel eher bei den Frauen, die es nicht schaffen sich von ihren nichtsnutzigen Männern zu trennen, so wie sie es gemacht hat. Diese These schreit nur nach einer weiteren sexistischen Umkehrung der Verantwortungsübernahme. Die Männer bekommen es nicht hin, aber die Frauen sind doch mal wieder schuld.

In meiner Lebensgeschichte und der von Mirna Funk gibt es eine entscheidende Parallele. Auch ich habe mich von dem Vater meines Kindes getrennt, weil ich unzufrieden war mit der unzureichenden Verantwortungsübernahme seinerseits. Trennung und vor allem das Alleinerziehend-Sein sind in unserer Gesellschaft keine erstrebenswerten Lebensziele. Lange habe ich diese Trennung und damit die Verabschiedung der Illusion einer glücklichen Kleinfamilie als meine Geschichte des Scheiterns und des Verlustes empfunden. Ich finde es stark, in dieser bescheuerten Kleinfamilien-Welt, die Trennung vom Mann und das Abfeiern des Alleinerziehenden-Sein für sich zu feiern und wie Mirna Funk als eigene Geschichte der Stärke und des Empowerments zu lesen. Ihr Plädoyer sich von den Männern zu trennen, die nicht verstehen wollen, was es heißt sich einzubringen, ist radikal schön. Wie viel Zeit und Kraft es kostet, die ganze Zeit eine gerechtere Aufteilung einzufordern, kenne ich nur zu gut. Dabei wird diese kostenlose Bildungsarbeit vom Partner zumeist alles andere als wertgeschätzt. 

Doch finde ich ihr Statement auch höchst problematisch. Anstatt sich ihrer Privilegien bewusst zu sein, macht sie weniger privilegierte Mütter für ihr prekäre gesellschaftlich hergestellte (!) Stellung selber verantwortlich. Solidarität sieht anders aus! Mirna Funk kann ihre Geschichte nur als Geschichte der Stärke und des Empowerments verkaufen, weil sie ökonomisch privilegiert genug war, um durch die Trennung keine gravierenden Nachteile zu erfahren. Ihr Statement steht in einer Linie mit der schönen neoliberalen Ansicht, dass wir unsers eigenes Glückes Schmied seien. Das heißt umgekehrt, wer Probleme hat, ist alleine selbst dafür verantwortlich. Damit wird uns eine vermeintliche Entscheidungsfreiheit vorgegaukelt. Die Wahrheit für die meisten Mütter ist doch oft viel eher, dass wir, wenn überhaupt, die Wahl zwischen Pest und Cholera haben. Entweder wir wählen die Hetero-Beziehung  mit der ungerechten Care-Arbeit. Oder wir wählen das Alleinerziehenden-Sein und stemmen die Care-Arbeit ganz alleine und müssen dafür wenigstens nicht die ganze Zeit eine gerechtere Aufteilung einfordern. Ganz zu schweigen davon, dass die ungerecht aufgeteilte Care-Arbeit in den Beziehungen nur eine von vielen anderen gesellschaftlichen Benachteiligungen darstellt unter denen man als Mutter leidet. Zu nennen ist da zum Beispiel das große Armutsrisiko, die beruflichen Einbußen, Wohnungsknappheit, psychische Belastung, ungenügend Kita-Plätze … die Liste lässt sich fortführen. Und besonders betroffen von den Benachteiligungen als Mutter sind leider auch immer die Frauen, die in weiterer Form benachteiligt sind, zum Beispiel durch ihre ökonomische Stellung, ihren Bildungsgrad und / oder ihrer Betroffenheit durch Rassismus, Queerfeindlichkeit oder anderer Diskriminierungen. Mich würde wirklich brennend interessieren wie Mirna Funk diese ganze Liebe für ihre Tochter leistet (sie möchte Care-Arbeit nicht als solche bezeichnen). Wer schmeißt denn neben der 40-Stunden-Woche mit einem Kind den Haushalt? Wer kümmert sich um das Kind, wenn man krank ist? Was macht man, wenn das Kind krank ist? Was macht man, wenn das Kind nicht zur Kita gehen will? Und was macht man, wenn die Kita Pandemie-bedingt über Monate geschlossen ist? Mit wem redet man über die Sorgen, dass es dem eigenen Kind nicht gut geht? Und wie pflegt man Freundschaften, treibt Sport oder irgendeinen Ansatz von Selbstfürsorge, wenn man keine anderweitige familiäre Unterstützung hat? Was macht man, wenn man nicht das Privileg hat emotional oder ökonomisch unabhängig zu sein?

Interessant finde ich außerdem, dass Mirna Funk ausschließlich den sexy Begriff der Single Mom benutzt und nicht den viel passenderen, aber weitaus unattraktiveren Begriff der Alleinerziehenden. Ob man Single ist, sagt eigentlich rein gar nichts darüber aus, ob man sich die Erziehungsverantwortung für Kinder mit anderen Menschen teilt. Das Liebesbeziehungen und Erziehungsverantwortung zumeist zusammen gedacht werden, ist nur ein weiteres Ergebnis unserer patriarchalen Gesellschaft. Doch diese Thematik verdient einen Artikel für sich allein.


Lena Mertens ist studierende und alleinerziehende Mama sowie queerfeministische Aktivistin in Köln.
Foto: Aditya Romansa / Unsplash