Alternativen zu Barbie?

 

Selbst Merida, die neue, emanzipierte Disney-Heldin, wird als Barbie-Puppe verkauft. Mattel hat aus ihr ein lang-bewimpertes Prinzesschen gemacht, aber ehrlich gesagt laden ihre zarten Fingerchen und die Mini-Taille im Cartoon auch dazu ein. Wie schade, wo sie doch ein echtes role model ist: Die Aussage des Films ist großartig. Ihre uneleganten Bewegungen, ihre wimpernlosen keltischen Augen, ihre coolen Gesten: einfach einmalig.

Leena May Peters fand es auf unserer faceboook-Seite schade, dass ich mich gerade bei Merida über die elfenhafte Figur aufrege, denn endlich ist Disney mal auf dem richtigen Weg, und „bei Trickfilm und Comic muss man ein bisschen Kulanz zeigen. Die menschlichen Figuren in Ratatouille z.B. sind ja auch nicht „realistisch“ – dafür ist in dem Genre das Abstraktionslevel viel zu hoch.“ Und weiter: „Klar wäre eine nicht ganz wespenschmale Taille eine wünschenswertere Figurenzeichnung, aber wenn man sich die männlichen Figuren ansieht, glaube ich, kann man das Level der Abstraktion einordnen (und in der Hinsicht müssen wir Kinder doch auch nicht unterschätzen, oder?)“

Leena May Peters hat natürlich recht: Karikaturen sind ironisch zu sehen, nicht als reale Personen. Aber verstehen Kinder das wirklich? Ironie verstehen Kinder frühestens ab dem Schulalter. Deshalb bleibt die große Frage: beeinflussen Barbie-Maße, oder beeinflussen sie nicht? Viele von uns haben früher mit Barbie gespielt, ohne Essstörungen zu entwickeln oder ständig enttäuscht in den Spiegel zu schauen. Und mit Barbie spielen oder eine elfenhafte Merida oder ihre gertenschlanke Mutter Elinor sehen, oder Winx-Feen in rosa Ü-Eiern auspacken, die wir gerade auf facebook besprechen – das ist doch ziemlich das gleiche, was den BMI der Figuren betrifft. (Den Grad der Sexualisierung lassen wir mal außen vor.)

Behauptungen und seriöse Studien, dass unreale Vorbilder das Selbstbild von Mädchen schädigen, gibt es genug. Auch seit es Germany’s Topmodels gibt, die – so wissen wir seit der letzten Staffel – in Größe 32/34 passen müssen, hat sich das Selbstbild der Mädchen drastisch verändert. In der letzten Dr. Sommer-Studie fühlten sich mehr als die Hälfte der Mädchen nicht mehr wohl in ihrer Haut. Das macht noch lange keine Essstörung, da muss noch mehr dazu kommen. Trotzdem unterstützen diese Bilder ein Frauengefühl, dass stets unzufrieden mit sich ist.

Was also, wenn Merida etwas mehr Raum einnehmen dürfte? Einen etwas kürzeren Hals, etwas fülligere Gliedmaßen hätte? Sie würde genau das: noch mehr Raum einnehmen, als sie es im Film tut. Darf Disney einem jungen Ding so viel Macht geben, oder kippt dann die heikle Zumutung an das Publikum? Bekommt die Geschäftsleitung dann Drohbriefe oder kann Merida nicht an den Biblebelt verkauft werden? Denn das Zarte, Feenhafte an ihr lenkt  von ihrer Macht, sich gegen die Tradition ihres Clans zu wehren, hervorragend ab. Sie wirkt eben nicht als anstrengende „Emanze“, sondern als zartes aber kluges Mädchen. In ihrer elfenhaften Unschuld kann man(n) ihr alles verzeihen und doch an ihr auch wirklich keine Lesbe entdecken, wie Entertainment Weekly hysterisch munkelte.

Frauen wollen keinen Raum einnehmen, denken die Hersteller, und vielleicht gibt es gerade aus diesen Gründen kaum Alternativen zu Barbie (die ja von Müttern gekauft wird). Danke dafür noch einmal an die unseriöse Studie von Mussweiler, Mandel und Smeesters, die ich in „Aber Frauen lieben es!“ besprach. Als Alternativen zu Barbie gibt es Monster High oder Bratz, da kommen wir vom Regen in die Traufe; die Plus-Size-Barbie „Emme“ ist nicht mehr auf dem Markt und war viel zu teuer – und, sorry, eine einzige Alternative zu Barbie in Größe 44 ist auch etwas extrem. Wir sind doch schon zufrieden mit einer „normalen“ Größe 38-40, die alle haben, wie uns jede Verkäuferin entschuldigend erklärt, wenn sie mal wieder ausverkauft ist.

Als Barbie-Alternative werden in den USA die Puppen vom only hearts club angeboten. Während Barbie wenigstens noch Berufe hatte, geht es hier wie immer nur um Sozialkontakte, Mode und Pferde, und außerdem sind die Puppen maximal Teenagerinnen, keine richtigen Frauen. Trotzdem finde ich sie gar nicht so schlecht. Ihre Gliedmaßen sind fülliger, es ist nicht alles plastik, die Augen „leben“ und sind nicht sexualisiert. Wie gesagt, man bedient eine absolute Mädchenwelt, aber wenn das der Plan ist, dann vielleicht lieber so? Bisher finden meine Töchter ( 6 und 8 Jahre) Barbie noch „hässlich: die sieht so zickig aus!“, und bei einem Bild von Merida fragen sie verwundert, warum sie so unnatürlich dünne Finger hat. Aber wenn der Wunsch nach Barbies auftauchen sollte, würde ich es vielleicht mit einer only hearts club Puppe versuchen. Und damit vielleicht komplett daneben liegen, weil es eben nicht die echten sind. Ja, das könnte passieren.

Also vielleicht doch eine wirkliche Barbie kaufen, sie mit Humor kommentieren, oder – wie es Dr. Maya Götz in ihren GNTM-Unterlagen für Lehrer rät – nebenbei darauf hinweisen, dass Menschen so normalerweise nicht aussehen? Die Barbiephase über sich schwappen lassen in der Hoffnung, dass sie keinen Schaden anrichtet? Sich sagen, dass die GNTM- oder Merida-Plakate auf den Leuchtlitfaßsäulen auf dem Schulweg genauso ein Schönheitsideal prägen, dass ich nicht verhindern kann?

Ich muss an meine Freundin Rebecca denken, die immer wieder erzählt, wie sie als Kind so neidisch auf meine Sindy-Puppe (die englische Barbie) war; ihre Mutter sich jedoch weigerte, Geld für „so einen Mist“ auszugeben. Inzwischen ist sie selbst Mutter und ihrer für ihr Durchhaltevermögen dankbar, denn jetzt kann sie ihren nach Nintendo-bettelnden Söhnen erwidern: „Ich habe auch ohne Barbie überlebt – sehr gut sogar!“ Und da sie eine ziemlich coole Frau geworden ist, macht sie Hoffnung, dass Widerstand nicht zwecklos ist.