Wir sind ja aus den sozialen Netzwerken inzwischen einiges gewohnt. Trotzdem gibt es immer noch Texte und Bilder, die als unmittelbare Reaktion ein „Was zur Hölle ist das?!“, gefolgt von einem „Wer ist dafür verantwortlich?“ nach sich ziehen. Am Wochenende war es mal wieder so weit. Ein Text der Seite die-frau.de/at/ch wurde mit ungläubigem Entsetzen weitergereicht und niemand konnte so richtig fassen, dass der da wirklich so stand.
„Ich möchte nicht auf meinen Intellekt reduziert werden“ lautet der Titel des Textes, der im Untertitel gleich noch eins drauf setzt: „Über die Notwendigkeit der sexuellen Belästigung„. Oha, jetzt ist soll die also auch noch notwendig sein. Tatsächlich schafft es der Text von da an immer noch schlimmer zu werden. Kostproben?
„Und die Moral dieser Geschicht? Ohne sexuelle Belästigung gäb es dieses Kindlein nicht!“
„Problematisch wird es dann, wenn niemand mehr weiß, wann es sich um eine ’normale sexuelle Belästigung‘ handelt und wann tatsächlich Grenzen überschritten werden.“
„Männer sind immer auf der Suche nach einer Paarungspartnerin. Die Frau ist von Natur aus dazu ausgerichtet, sich den besten ‚Spermalieferanten‘ zu erwählen“.
„Was Frauen nicht bedenken ist, dass sie durch zu enge Auslegung des Belästigungsbegriffes faktisch entmündigt werden.“
Hier sind sie alle wieder versammelt: Die ganzen biologistischen Scheinargumente vom immer triebgesteuerten Mann und der sich ewig zierenden, aber doch eigentlich willigen Frau. Das ständige Rütteln an einem weiblichen Nein!, das als unverrückbar zu gelten hat. Der fatale Mythos darüber, Männer könnten nur vermittels Übergriffigkeit Interesse signalisieren. So als wäre übergriffiges Verhalten der Möglichkeit, keinen Kontakt zu initiieren, immer vorzuziehen. Nicht, dass Mann noch eine Gelegenheit verpasst.
Auch wenn der Text ursprünglich von 2011 stammt, sind wir nicht die einzigen, die (nicht nur angesichts der Ergebnisse der Landtagswahlen) an das Frauenbild der AfD denken müssen.
https://twitter.com/machmirdiewelt/status/708723382460633089
Und auch Dinge, die von der #aufschrei Debatte thematisiert wurden, klingen an: Frauen, die aus Gründen der Sozialhygiene gefälligst sexuelle Belästigung zu tolerieren haben. Weil wir ja dann als Gesellschaft einfach so viel besser drauf sind.
@machmirdiewelt
Da fühlt man sich irgendwie wie ein Abfluss mit Brüsten.
@sashbeinacht @hermione_rescue @femInsist @pinkstinksde— Christine Doering (@ChristineGAP) March 12, 2016
Nein, sind wir nicht! Eine Gesellschaft, in der die Grundregeln des sozialen Miteinander auch darin bestehen, dass Menschen ihre individuelle Autonomie zur Steigerung des Wohlbefindens anderer Menschen zur Disposition zu stellen haben, kann sich weder freiheitlich noch gerecht nennen. Eine Gesellschaft, in der Frauen dazu aufgefordert werden, Übergriffigeiten zu akzeptieren, damit Männer nicht ihre Wohlfühlzone verlassen und ihr Verhalten problematisieren müssen, kann nicht einmal beginnen, ihre sexistische Spaltung zu überwinden.
Bleibt noch die Frage nach der Verantwortung. In diesem Fall liegt sie bei der Betreiberin der Seite, die augenscheinlich auch diesen Text verfasst hat. Wir werden sie bei nächster Gelegenheit fragen, warum.