Bild eines trojanischen Pferdes aus Holz vor einem Gebäude mit Säulen

Antifeminismus: Das trojanische Pferd des Rechtsextremismus

Text: Hami Nguyen

Contentnote: Der folgende Inhalt behandelt unter anderem die Themen Antifeminismus und Rechtsextremismus

Der 10. Dezember, der internationale Tag der Menschenrechte, steht in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen. Während dieser Tag uns an die universellen Rechte und die Würde jedes Menschen erinnert, spalten immer mehr rechte Ideologien unsere Gesellschaft. Was uns insbesondere an diesem Tag beschäftigen sollte, ist die wachsende Verbindung von Antifeminismus und Rechtsextremismus. Sie bedroht die Rechte von Frauen, queeren und anderen marginalisierten Menschen. Sie untergräbt das Fundament unserer demokratischen Werte. In diesem Kontext wird die Bundestagswahl 2025 zu einer Richtungsentscheidung: Schaffen wir es noch, das Steuer umzureißen und einen Kurs der Gleichberechtigung und des gesellschaftlichen Fortschritts einzuschlagen, oder gewinnen Kräfte an Einfluss, die zurück in eine autoritär geprägte Gesellschaft wollen?

Was ist »Antifeminismus« überhaupt – und wo begegnet er uns?

Antifeminismus ist in Deutschland längst keine Randerscheinung mehr. Die Strömung ist tief in der Gesellschaft verwurzelt und erstreckt sich weit über rechtsextreme Kreise hinaus. Auf den ersten Blick mag es wie eine Reaktion auf soziale Veränderungen wirken, doch Antifeminismus ist weit mehr: Er ist eine gezielte, ideologische Haltung gegen die Gleichberechtigung und ein Angriff auf das demokratische Prinzip der Menschenwürde. Angeführt von Stimmen, die sich als »Verteidiger traditioneller Werte« inszenieren, wird Antifeminismus oft als legitime politische Meinung dargestellt – dabei greift er tief in die Rechte und Freiheiten von Frauen und queeren Menschen ein.

Diese Ideologie lebt von der Konstruktion eines Feindbildes, das Feminismus als »Bedrohung der Kernfamilie« darstellt. Dabei orientiert sich dieses Narrativ an völkischem Gedankengut, das die weiße, heterosexuelle Kleinfamilie, die sogenannte »Keimzelle der Nation«, als einzig rechtmäßiges Familienmodell sieht. Aufgabe der weißen cis Frau ist es, Kinder zu gebären und sich ausschließlich der Care-Arbeit zu widmen, während der Mann lohnarbeiten geht und das Geld nach Hause schafft. Auch, wenn es auf den ersten Blick so scheint, als hätte dieses Familienbild sicher kaum noch Anknüpfungspunkte, zeichnet die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten doch ein anderes Bild. Wie kann es sein, dass gerade Frauen einen Mann wählen, dessen unzählige Skandale nicht mal mehr in diesen Text passen würden? Trump funktioniert als Prototyp des Alphamannes so gut, weil wir patriarchale Denkmuster nie verlernt haben. Trump kann unverzeihliche Fehler machen, aber solange die Menschen ihm trotzdem zutrauen, »die Dinge zu regeln«, wählen sie ihn. 

Tradwives und Stay-at-home-girlfriends

Antifeministische Narrative begegnen uns heute nicht nur in rechtsextremen Kreisen, sondern zunehmend auch im Mainstream, vor allem in sozialen Medien. Ein Beispiel dafür sind Tradwives oder der »Stay-at-home-girlfriend«-Trend. Durch die vermeintlich realen Alltagsberichte der Tradwives oder »Stay-at-home«-Influencerinnen bekommen vor allem junge Menschen antifeministische Inhalte in ihre Timeline gespült. Und diese werden oft unbewusst, unkritisch und unhinterfragt konsumiert und letztlich normalisiert. 

Elon Musk ist nicht nur einer der mächtigsten Männer der Welt, sondern auch ein rechter Antifeminist. Seit seiner Übernahme Twitters  versucht er seit Jahren das Bild der angeblich gefährlichen woken Bewegung zu zeichnen. Über Feindbilder wie dieses wird versucht, gesellschaftliche Errungenschaften wie das Recht auf Selbstbestimmung oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu diskreditieren. Im Kern handelt es sich dabei um eine Strategie, die öffentliche Debatte gezielt zu polarisieren und bestehende Machtstrukturen zu sichern.

Was Antifeminismus mit Rechtsextremismus zu tun hat

Ein beunruhigender Aspekt des Antifeminismus ist seine Tarnung als »gesunde Skepsis«. Kritiker*innen von Geschlechtergerechtigkeit betonen gern, dass sie »nur Fragen stellen« oder »die Natur der Geschlechter« schützen wollen. Doch hinter dieser Rhetorik verbergen sich alte, längst überholte Vorstellungen, die Frauen, trans*, inter*, agender, nicht-binäre und queere Personen in traditionelle Rollen zurückdrängen wollen. Diese Ideologie verstößt nicht nur gegen die Ziele der Gleichstellungspolitik, sondern auch gegen fundamentale Menschenrechte, die ein Leben in Würde und Selbstbestimmung für alle garantieren sollen.

Antifeminismus und Rechtsextremismus sind keine zufällige Kombination – sie greifen inhaltlich und strategisch ineinander. In rechtsextremen Kreisen dient die Ablehnung von Geschlechtergerechtigkeit als eine Art Bindeglied, um autoritäre und antidemokratische Positionen zu normalisieren und zu verbreiten. Die Behauptung, dass feministische Ideen die »natürliche Ordnung« stören, ist ein zentraler Baustein rechtsextremer Ideologie. Ziel ist es, die Bevölkerung zu spalten und Angst vor sozialem Wandel zu schüren. 

Rechtsextreme Akteure nutzen gezielt antifeministische Inhalte, um Menschen zu mobilisieren und zu radikalisieren. Dabei wird Frauen- und Geschlechterpolitik als »feindlich« gegenüber traditionellen Werten oder »deutscher Kultur« dargestellt. Der Antifeminismus bietet rechtsextremen Gruppen eine populistische Rhetorik, die an konservative und traditionelle Milieus anschließt und dadurch eine größere Zielgruppe anspricht. Das wohl bekannteste Beispiel war der AfD-Politiker Maximilian Krah, der auf TikTok antifeministische Videos postete, die vor allem an junge Männer gerichtet waren. 

So stellte der AfD-Politiker in seinen Videos unter anderem eine Verknüpfung zwischen Antifeminismus und einer vermeintlichen »Verteidigung der Nation« her. Rechtsextreme Akteure stellen Frauenrechte als »westliche Dekadenz« dar, die durch den Feminismus angeblich gefördert wird und »gesunde Werte« untergräbt. Solche Ideen zielen darauf ab, ein rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild zu etablieren, in dem autoritäre Machtstrukturen und Geschlechterhierarchien legitimiert werden. Menschenrechte und Gleichberechtigung stehen dabei im direkten Widerspruch zu dieser autoritären und elitären Vision.

Antifeminismus im Bundestagswahlkampf

Umso wichtiger ist es, klar festzuhalten: Genau solche Narrative können bei der Bundestagswahl 2025 eine wichtige Rolle spielen. CDU-Vorsitzender Friedrich Merz ist offiziell als Kanzlerkandidat der Union nominiert und hat bereits mit konservativen bis reaktionären Positionen in der Geschlechter- und Familienpolitik für Aufsehen gesorgt. Merz gilt als Verfechter eines »zurück zu den Wurzeln«-Ansatzes, der konservative Werte und eine Distanzierung von fortschrittlichen Themen befürwortet. Diese Ausrichtung könnte, wenn sie zur Regierungsagenda würde, in Zukunft zu massiven Rückschritten unserer Gesellschaft führen.

Merz betont gerne die Bedeutung traditioneller Familienwerte und erweckt dadurch den Eindruck, dass Errungenschaften wie Gleichstellung und Emanzipation nachrangig zu behandeln wären. Diese Haltung lässt Fragen aufkommen: Wird eine mögliche Kanzlerschaft von Merz die konservativen Kräfte stärken, welche die Rechte marginalisierter Menschen relativieren und Antifeminismus salonfähig machen wollen? Schon jetzt warnen Expert*innen davor, dass ein Kurs, der die Anliegen von Frauen und marginalisierten Gruppen als Nebensächlichkeit behandelt, antifeministischen Strömungen in die Hände spielen und die Demokratie in Deutschland schwächen würde.

Menschenrechte sind die Grundpfeiler unserer Demokratie 

Am heutigen Tag der Menschenrechte ist es entscheidend, die enge Verbindung zwischen Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechten zu betonen. Frauenrechte sind Menschenrechte. Das Recht auf Gleichstellung, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Teilhabe sind unveräußerliche Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Antifeminismus und Rechtsextremismus bedrohen nicht nur die Rechte Einzelner, sondern sie gefährden den sozialen Frieden und die Freiheit aller.

Wer Frauen und marginalisierte Gruppen einschränken will, greift das Prinzip der Selbstbestimmung an und tritt damit universelle Menschenrechte mit Füßen. Antifeminismus ist kein »gutes Recht« auf Meinungsfreiheit, sondern eine Ideologie, die den Fortschritt in unserer Gesellschaft verhindern will. Das Streben nach Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Vielfalt ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern eine Frage der Menschenwürde. Nur in einer Gesellschaft, die allen Menschen gleiche Rechte garantiert, kann Freiheit existieren.

Daher ist es Zeit, an diesem Tag klar Stellung zu beziehen: gegen die gefährliche Allianz von Antifeminismus und Rechtsextremismus und für eine Gesellschaft, die demokratische Werte und Gleichberechtigung schützt. Unsere Demokratie lebt davon, dass alle Menschen das Recht haben, sich frei zu entfalten – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Herkunft. Die Bundestagswahl 2025 wird zeigen, ob Deutschland sich für eine Zukunft der Gleichstellung oder des konservativen Rückschritts entscheidet.

Politische Verantwortungsträger*innen, Institutionen und jede*r Einzelne sind aufgerufen, sich aktiv für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Menschenrechte einzusetzen. Antifeminismus und Rechtsextremismus dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Der Kampf gegen diese Ideologien ist ein Kampf für das Recht auf Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben. 

Setzen wir ein starkes Zeichen für die Menschenrechte – gegen Antifeminismus und Rechtsextremismus. Für eine Zukunft in Würde, Freiheit und Gleichberechtigung für alle!

Du bist von Gewalt betroffen? Hier bekommst du erste Hilfe:


Wenn wir von Frauen und Männern sprechen, beziehen wir uns auf strukturelle gesellschaftliche Rollen, die weiblich und männlich gelesene Personen betreffen. Und damit auf die binären Schubladen, in und mit denen viele von uns, auch unsere Gastautorin Hami Nguyen, aufgewachsen sind. Gleiches gilt für die Adjektive »weiblich« und »männlich«. In Statistiken und Studien, die wir zitieren, wird leider oft nur zwischen Frau und Mann differenziert.

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Bildquelle: Unsplash