Aphra Behn: Feministische Bestseller-Autorin vor 400 Jahren

Frauen haben sich im Lauf der Geschichte stets brav in ihre Rolle gefügt? Von wegen! Es gab durchaus Heldinnen, die Abenteuerliches erlebt und geschafft haben – sie finden nur selten im Mainstream statt. Deshalb schreibt Pinkstinks-Autorin Jessica Wagener in ihrer Kolumne „Frauengeschichten“ über faszinierende Menschen mit erstaunlichen Storys.

Spionin, Feministin, Schriftstellerin: Aphra Behns Leben ist der Stoff, aus dem Abenteuergeschichten gemacht sind. Und das im 17. Jahrhundert! 

Wenn mich jemand fragt, wohin ich mit einer Zeitmaschine zurückreisen würde, sage ich immer: „Auf gar keinen Fall Europa im siebzehnten Jahrhundert!“ Turbulent trifft es nicht mal im Ansatz: Hexenverfolgung, Pest, Religions- und Bürgerkriege, Feuersbrünste, Scheiterhaufen… Nein, Danke.

Das ist die Zeit, in der Aphra Behn gelebt hat. Und vielleicht waren es genau diese Verwerfungen, die ihr ein Leben als (erfolgreiche) Autorin und (erfolglose) Spionin überhaupt erst ermöglicht haben. Und was für ein Leben!

Aphras Anfänge verschwimmen im Nebel der Geschichte. Sie kam 1640 in der Nähe von Canterbury als Aphra Johnson zur Welt, kurz vor dem englischen Bürgerkrieg – Royalisten gegen Parlamentarier. Ihr Vater soll Barbier gewesen sein, ihre Mutter Stillamme. Als junge Frau reiste sie 1663 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in die Kolonie Surinam in Südamerika. Dort wohnte sie auf einer Plantage und wurde, wie die Literaturprofessorin Janet Todd schreibt, „in die politischen Querelen der Kolonie verwickelt“.

Möglicherweise fing Aphra schon in Surinam mit Spionage an. Der Gouverneur nannte sie in seinen Briefen jedenfalls „Astrea“ – ihr späterer Spionage-Name – und berichtete davon, dass sie sich mit „dem gefährlichen Abtrünnigen William Scot“ eingelassen hätte. König Charles I. war 1649 von Parlamentariern geköpft worden; einer davon war Williams Vater.

1664 kehrte Aphra nach England zurück, wo sie laut der Literaturprofessorin Janet Todd einen Händler deutscher Herkunft namens Johann Behn heiratete. Allerdings verschwand er kurz nach der Hochzeit wieder aus ihrem Leben – „entweder durch Tod oder Trennung“. Möglicherweise fiel Johann der Pest zum Opfer, die zwischen 1665 und 1666 in London wütete.

Agentin Astrea 

Aphra Behn war klug, charmant und wortgewandt und bewegte sich trotz bescheidener Herkunft in aristokratischen Kreisen. Außerdem war sie politisch interessiert und überzeugte Royalistin.

1666 schickte der Staatssekretär Lord Arlington „Astrea“ auf eine Mission nach Antwerpen. Sie sollte, so schreibt Janet Todd, herausfinden, ob William Scot sich zum Doppelagenten eignen würde. Doch daraus wurde nichts: Scot hinterging sie.

Zudem ging ihr das Geld aus, Antwerpen war teuer. Und weil ihr trotz flehender Briefe keiner in der englischen Regierung unter die Arme griff, musste Aphra sich Geld leihen. Das konnte sie laut Todd aber nicht zurückzahlen Unklar, ob sie deshalb im Schuldnergefängnis saß oder nicht. Klar ist jedoch: Aphra musste Geld verdienen und die Karriere als Spionin lief eher so meh. Also kehrte sie nach England zurück und fing an zu schreiben.

Mit feministischer Feder

1670 wurde Aphras Stück The Forc’d Marriage uraufgeführt. Darin geht es um eine Heldin, die einen Mann heiraten muss, den sie nicht liebt. Es wurde ein Erfolg – und Aphra ein Profi. Mit ihren Werken traf sie den Zeitgeist. Sie konnte vom Schreiben leben und hatte sogar prominente Unterstützer wie den Duke of Buckingham. Das war sehr ungewöhnlich für die Zeit, Janet Todd nennt sie „ein bemerkenswertes Phänomen“. Außerdem hatte Aphra einen erstaunlichen Output – Gedichte, Romane, Bühnenstücke.

Doch es war immer noch das siebzehnte Jahrhundert und Aphra eine Frau. Für Geld schreiben gehörte sich nicht. Schon gar nicht so freigeistig. Die meisten ihrer Werke wurden anonym publiziert. Vor allem ihre sexuell expliziten Gedichte wurden zunächst dem Earl of Rochester zugeschrieben. Zu versaut und skandalös, um aus der Feder einer Frau stammen zu können.

Aphra Behn wehrte sich. In einem ihrer Texte kritisierte sie beispielsweise Doppelstandards:

Das Stück hatte kein anderes Manko als das, dass eine Frau es geschrieben hat: Hätte es ein Mann verfasst – selbst der dümmste, gedankenloseste, schurkischste Schreiberling der Stadt – wäre es ein höchst bemerkenswertes Stück.

Aphra Behn

Geheiratet hat Aphra Behn übrigens nicht mehr. Deshalb war sie aber noch lange nicht einsam. Sie hatte einen großen und illustren Freund*innenkreis. Etwa um 1672, so schreibt Janet Todd, begann sie zum Beispiel eine Beziehung mit dem bisexuellen, republikanischen Anwalt John Hoyle. „Behn scheint sich emotional von unterschiedlichen Menschen in ihrem Leben angezogen gefühlt zu haben“, so Todd, „und ihre Werke – die eine autobiografische Komponente haben können oder auch nicht – beziehen sich in Liebesdingen sowohl auf Männer als auch auf Frauen.“

Aphras Vermächtnis

Gesundheitlich war Aphra Behn in ihrem Leben oft angeschlagen. Sie starb am 16. April 1689 im Alter von nur 49 Jahren und wurde in Westminster begraben. Auf ihrem Grabstein steht: „Hier liegt der Beweis, dass selbst ein reger Geist nicht vor Sterblichkeit schützt.“

Ihr Leben war aufregend, abenteuerlich, schillernd und viel zu kurz, aber ihr Vermächtnis überdauert bis heute.

Aphra Behn gilt als erste Frau Englands, die nachweislich ihren Lebensunterhalt mit Schreiben verdient hat. Sie war eine Frau mit vielen Facetten, eine echte Vorreiterin – und wurde zum Vorbild für andere Schriftstellerinnen. Auch, wenn sie zu Lebzeiten und danach Janet Todd zufolge von männlichen Autoren als „unweiblich“ abgetan wurde.

Ihre Werke blieben lange von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet; erst im Zuge der Frauenbewegung der 1970er kam Aphra Behn stärker ins Bewusstsein. Inzwischen gilt sie als eine der wichtigsten Dramatikerinnen des siebzehnten Jahrhunderts und prägend für die Entwicklung des englischen Romans.

Und schon Virginia Woolf schrieb in A Room of One’s Own über sie:

Alle Frauen müssten Blumen auf das Grab von Aphra Behn regnen lassen, denn sie war diejenige, die ihnen das Recht verschafft hat, ihre Meinung zu sagen.

Virginia Woolf

Wenn mich jemand fragt, welche historische Figur ich gern mal treffen würde, lautet meine Antwort inzwischen: „Aphra Behn!“ Dafür nehme ich sogar das 17. Jahrhundert in Kauf.


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Bibliografie und weiterführende Links:

Boissoneault, Lorraine. ‚The Spy Who Became England’s First Successful Female Writer‘, Smithsonian Magazine (2017), https://www.smithsonianmag.com/history/spy-who-became-englands-first-successful-female-writer-180963643/ [22. September 2021]

Encyclopedia Britannica, ‚Aphra Behn‘, https://www.britannica.com/biography/Aphra-Behn [22. September 2021]

Westminster Abbey, ‚Aphra Behn‘, https://www.westminster-abbey.org/de/abbey-commemorations/commemorations/aphra-behn [23. September 2021]

Bildquelle: Aphra Behn by Peter Lely/Wikimedia Commons

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