Bananensignale

Über das Phänomen, das Frauen und Mädchen aus öffentlichen Räumen verdrängt werden, berichtet Pinkstinks schon seit geraumer Zeit: Körpernormierung, Schönheitszwang, Übergriffigkeiten, (Androhung von) Gewalt – das Patriarchat hält zahlreiche Mittel bereit, um Betroffenen eindrücklich zu vermitteln, wie unerwünscht ihre Raumnahme ist. Sie sollen sich klein machen, nicht aufbegehren, gehorchen und stets verfügbar sein. Sie sollen wissen, wo ihr Platz ist und wer hier das Sagen hat. Das muss nicht immer lautstark und für alle erkennbar vonstattengehen. Auch die Aufforderung, doch mal nett zu lächeln gehört dazu. Oder der stets ja „nur nett gemeinte Hinweis„, Frauen und Mädchen sollten sich nach Einbruch der Dunkelheit/in spezifischer Kleidung/unter Alkoholeinfluss/unbegleitet nicht mehr an bestimmten Plätzen aufhalten. Manche Zurichtungen und Verdrängungsmaßnahmen laufen so unterschwellig ab oder sind so dauerpräsent, dass Betroffene gar nicht merken, wie massiv das Vorgehen ist. So teilen Frauen und Mädchen zum Beispiel in regelmäßigen Abständen ihre Erfahrungen mit den Reaktionen darauf, wenn sie in der Öffentlichkeit essen. Und müssen immer wieder feststellen, dass nicht nur sie betroffen sind.

Betroffen von anzüglichen Blicken, sexistischen Kommentaren und übergriffigen „Anmachen“, weil sie einfach nur eine Banane in der Öffentlichkeit essen wollen. Betroffen von der grundsätzlichen sexistischen Auffassung, dass frau ja wohl mit solchen Reaktionen zu rechnen hat, wenn sie schon ein phallusartiges Lebensmittel in der Öffentlichkeit verzehrt. Frauen lernen sehr früh, dass in ihren Händen und in ihrem Mund Lebensmittel nicht einfach Essen sind, sondern Signale.

Frauen haben also kein Recht darauf, einfach nur ihren Hunger mit welcher Mahlzeit auch immer zu stillen: Sie haben sich ihrer Wirkung bewusst zu sein. Und nur auf diese Wirkung kommt es an.

Und nicht etwa auf so ein elementares Grundbedürfnis wie Essen. Deshalb hat das Model Amanda Cerny vor einigen Jahren ein Video mit den 5 Regeln zum Bananenessen gepostet: Konservative Kleidung tragen. Nicht die Augen schließen. Keinen Blickkontakt. Schnell abbeißen. Kleine Bisse.

Nicht dass frau sich noch erdreistet, einfach eine Banane zu essen. Und nicht nur Bananen: Eis, Würste, Spargel, Karotten, Gurken, Erdbeeren, Lutscher, Pizza, Spaghetti – eigentlich ist es egal. Sexismus braucht nur Anlässe, keine Gründe. Und weil der Einwand wirklich jedes einzelne Mal gemacht wird: Nein, es geht hier nicht um Sexiness. Es geht auch nicht darum, irgendwem verbieten zu wollen, erotische Gedanken beim Anblick einer bananenverzehrenden Frau zu haben. Selbstverständlich sind diese Gedanken frei und nicht das Problem. Das Problem sind die Kommentare. Der Machtanspruch. Das sich herausgenommene Recht, Essen als sexuelles Signal zu verstehen und dementsprechend zu handeln. Das Problem ist, dass dieser Frame ständig so gesetzt wird.

Wieder

und wieder

und wieder

und wieder.

Bis wir uns als Gesellschaft so tief in die sexistische Scheiße geritten haben, dass ein kleines, Banane essendes Mädchen vor einem zu bewerbenden Auto einen Sturm der Entrüstung heraufbeschwört.

Weil das, was uns seit Jahrzehnten in unser visuelles Gedächtnis gehämmert wird, nicht einfach umgesehen und sofort umgedeutet werden kann. Und damit schließt sich der Kreis. Das haben wir jetzt davon: Eine Banane kann nicht mehr einfach nur eine Banane sein, weil sich zu viele Männer von der Gesellschaft unbehelligt anzüglich gemeint fühlen. Statt das Problem wirklich anzugehen, erzählen wir einfach weiter Frauen und Mädchen, wie sie wo (nicht) zu essen haben, um „keine Aufregung zu provozieren“. Wir reglementieren sie. Wir framen den Verzehr von gewöhnlichen Lebensmitteln als grundsätzlich anzüglich und auffordernd. Wir sagen ihnen, dass sie „selbst schuld“ seien und „das“ eben „hier“ nicht „so“ essen sollten. Deshalb gilt auch an dieser Stelle wie so oft:
Belabert, beschwichtigt und beschuldigt nicht eure Töchter – erzieht eure Söhne!

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