Bessermutti

 

Augenrollend saß meine Große am Frühstückstisch. „Und dann die Schul-Zahnärztin so: ‚Eure Mutti erinnert euch auch immer daran, die Zähne zu putzen, oder? Die genaue Anleitung kann euch euer Papi noch mal im Internet zeigen.‘ Nee, ne, weil Mamas zu doof dazu sind, oder was?“

Ich saß mit piependen Ohren vor ihr. Akuter Tinnitus, sagte der Arzt, zwei Wochen Cortison und möglichst keinen Stress. Ich überlegte konzentriert, was das Kind noch mit in die Schule brauchte, ob sie auch die Fußballschuhe für das Training am Nachmittag eingepackt und dafür genug zu essen mithatte. Ob die Wasserflasche voll und der Schulplaner unterschrieben war, sonst bekommt das Kind Ärger mit der Klassenlehrerin, und die traurigen Augen sehen, das geht nicht.

Es ist das eine, Pinkstinks-Bloggerin zu sein und zu bemängeln, wie wenig sich an klassischen Rollen ändert. Das andere, sie zuhause wirklich konsequent anders zu leben. Das musste ich letzte Woche leider am eigenen Ohr spüren. Wenn ich nachts mit dem Dauerpiepen wach lag, hatte ich nur den einen Wunsch: Dass das jetzt nicht ein Leben lang so bleibt. Die Chance in diesem Piepen war, jetzt mal echt zu überlegen, was ich abgeben kann und muss.

Obwohl mein Lebenspartner mehr im Haus macht als ich, weil ich neben meiner Vollzeitarbeit für Pinkstinks auch abends noch oft am Rechner sitzen oder Vorträge geben muss, bin ich die Kümmererin. „Was muss ich morgen noch mal für die Kinder beachten?“ fragt mein Mann, wenn ich mal wieder nicht vor 22 Uhr nach Hause komme. Verabredungen, Geburtstage, Muffins, die für irgendein Event gebacken werden müssen: Warum weiß ich immer Bescheid, und er nicht? Zum ersten Mal denke ich darüber nach.

Meine Mutter war Hausfrau. Meine Tante hat mir mal Bücher gezeigt, die sie und meine Mutter in den 1960ern von meiner Großmutter als junge Ehefrauen bekommen hatten: z.B. „How to help with Baby“ von 1945. Hier wurde ermahnt, das Spielzeug müsse weggeräumt sein und man selbst frisch geschminkt, wenn der Ehemann nach Hause kam. Natürlich sind wir über diese Zeiten hinweg und ich kenne Männer, die die Haupt-Kümmerer zuhause sind. Bei mir scheint das irgendwie nicht hingehauen zu haben. Aber, sagt mein Vater, was will ich denn noch: Immerhin ist mein Mann der bessere Koch, der schnellere Wäsche-Zusammenleger und schiebt auch noch den Kinderwagen! Eine leichte Verwunderung kann er dabei nicht verstecken.

Mein Mann ist wunderbar. Nur hatte er nie eine Chance, in unserer Familie zum Mitdenker zu werden, weil ich ihn nie gelassen habe: Jeder Kindergeburtstag, jedes Weihnachten war schon geplant, bevor er piep sagen konnte. Aus Panik, neben meiner Vollzeitarbeit keine „gute Mutter“ zu sein, hörte ich den Kindern extra viel zu und saß oft bis spät abends am Bett der Großen oder überlegte, was die Kleine brauchte, um sich so verwöhnt zu fühlen wie die Mitschülerin, deren Mutter mehr Zeit mit ihr verbringen kann. Jetzt ist Alarmstufe rot, und hier ändert sich etwas. Meine kleine Tochter schmückt für den Advent und findet es ganz herrlich, nichts Perfektes vorgesetzt zu bekommen, sondern selbst mit zu gestalten. Meine Große war gerade einkaufen, und das mit dem Planer – nun, dafür ist ab heute sie selbst zuständig. Ist ja groß genug. Und vielleicht stehe ich demnächst mal wütend auf, wenn entschieden wird, dass alle Kinder Kuchen zu ihrem Geburtstag mit in die Schule bringen müssen, weil der ja nicht schon nachmittags in Massen verdrückt wird und auch hergestellt werden muss. Sage, dass wir keine extra Halloween-Kostüme kaufen oder nähen werden, wo es doch an Karneval schon wieder etwas anderes sein muss. Entscheide, dass die armen Kinder nicht daran scheitern werden, weil sie nicht in dem berühmten neuen, für die Eltern unerträglich lauten Indoor-Spielplatz waren oder es zu ihrem Geburtstag nicht die kreativsten neuen Geburtstagsrallye- und -Tütchen-Ideen gab. An dem Tag, an dem das noch mehr Väter tun, sind wir sicher noch einen Schritt weiter. Aber wenn das hier so weiter geht wie im Moment, weiß mein Mann bald, warum die Kleine so schräg drauf ist, und was sie am Abend noch braucht. Während er sich spontan und ohne meine Aufforderung zu ihr ans Bett setzt und die Probleme des Tages durchspricht, liege ich dann derweil auf dem Sofa und entspanne mich. Das ist der Plan. Vielleicht denke ich dann noch ein klitzekleines bisschen über die nächste Pinkstinks-Presseaktion oder Demo nach. Ein bisschen Spaß muss doch auch sein.

Ein wunderbares, entspanntes neues Jahr wünscht euch von Herzen schon mal

Eure Stevie – den Rest dieses Monats überlasse ich das Bloggen Nils.

Abgeben und so! 😉