Danke, Guido!

 

Stellt Euch doch einmal vor, Jil Sander würde zwanzig ständig kreischende, ständig heulende Männer in ihre Villa auf Mallorca einladen (Viiilla! Nochmal Kreisch!), die alle „der schönste Mann Deutschlands“ werden möchten. Sieht sie einen ihrer Schützlinge, grinst sie gütig: „Gottchen, bist du süß.“ Vorgestellt? „Die armen Kerle“ gedacht? Gut.

Der umgekehrte Horror ereignet sich gerade auf RTL. Zwanzig Frauen zwischen 20 und 65 mit verschiedenen Körpergrößen nehmen an der RTL-Castingshow „Die schönste Frau Deutschlands“ teil. Es geht, laut Moderator und Modeschöpfer Guido Maria Kretschmer, nicht um das perfekte Model, sondern um eine „Schönheit, die von innen strahlt“. Endlich! Könnte man denken. Nicht selten haben wir uns vorgestellt, ob Germany’s next Topmodel vielleicht besser wäre, wenn die Sendung vielfältige Körperbilder zeigen würde. Danke, Kretschmer, dass wir jetzt wissen: Jede Castingshow, in der es um Schönheit geht, ist doof. Vor allem aber diese. Denn das Konzept „Jede ist schön!“ funktioniert hier nur, in dem kaum eine der Teilnehmerinnen daran glaubt und ständig überzeugt werden muss, wie umwerfend sie ist, nur um kurz danach von ihren Konkurrentinnen wieder niedergemacht zu werden. Zickenkrieg at its best. In diesem gesamten „Ist sie denn auch wirklich schön?“-Teufelskreis kann es nur Verliererinnen geben. Selbst ich schaute nach zwei Stunden Kretschmer kritisch an meinem Körper hinunter, den ich sonst doch ziemlich gern habe. Bei so viel Körperdysmorphie muss man einfach anfangen, eine Baustelle zu suchen.

Aber genau das ist ja auch das Konzept der Unilever-Marke „Dove“, die der Werbepartner der Sendung ist. Als Pinkstinks-Aktivistin gähnt man etwas, weil der Aufbau der Sendung so wiederholt vorkommt. Schon vor achtzehn Monaten posteten und retweeteten wir die vielen kritischen Blogbeiträge zur Dove-Phantomzeichner-Kampagne und mussten uns eine Meinung bilden, wie wir die denn nun fänden. Damals, genau wie bei Guido in der Show, sollten die Frauen ihr Aussehen einem professionellen CIA-Phantomzeichner beschreiben, der sie zeichnete, ohne sie sehen zu können. Ähnliches passiert in der ersten Folge von „Deutschlands schönste Frau“. Danach kommt Guido und beschreibt die jeweilige Frau nochmal in seinen liebevollen Worten, so dass eine fast realistische aber auch hübschere Abbildung der Frau entsteht (Ach ist der nett, der Guido!). Schon wieder heulend stehen die Frauen vor diesen Bildern, und es funktioniert: Auf Twitter weint Frau gleich mit.

Tweet DSF2

Hier ist die Werbung von Dove, zwei Jahre alt, aus der wir das Ganze schon kennen:

Und hier ihre Persiflage, die aufdeckt, was an dieser „Ermächtigung“ nicht stimmt:

Guido Maria Kretschmer finden viele sympathisch. Besonders jetzt, wo er meint, dass Schönheit etwas mit Persönlichkeit zu tun hat. Komisch nur, dass die Models für seine eigene Modekollektion klassisch normschlank, groß und blond sind. Besorgt zitiert er die bekannte Dove-Studie, nach der sich nur 4% der Frauen weltweit schön finden. Aber es sind wirklich nicht die Männer, die Frauen Komplexe einreden, erklärt Kretzschmer einfühlend – Frauen seien einfach ihre eigenen, stärksten Konkurrentinnen. Was die immer so haben! Die dicke Alex z.B., die als Meerjungfrau arbeitet, ist doch ein „süßes Möpschen mit Schwänzchen. Ne coole Alte ist das, die Alex!“ lacht Kretzschmer. Übergriffig steht er um fünf Uhr morgens in den Schlafzimmern der Frauen und lässt filmen. Trotz fallender Tränen wird den jüngeren Frauen der Sendung nahegelegt, sich vor der Kamera auszuziehen – denn so könnten Sie ihren Körper UND ihre Persönlichkeit zeigen. Während er sich, den Akzent nachahmend, über den indischen Vater einer Teilnehmerin lustig macht, der sie nicht nackt im Fernsehen sehen möchte, steht das Mädchen am Set und weiß nicht, was die Fotografin von ihr will. „Die hat überhaupt kein Körpergefühl“, stöhnt diese. Lasziv vor der Kamera räkeln muss schon drin sein, sonst nix mit schön. Wieder lacht Kretschmer über Alex bei einem Shooting: „Das ist nicht ihr Hintern, sondern ihr Dekolleté!“. Danach geht er zu den jüngeren Frauen rüber, die sind eine „ganz andere Liga: kleine, süße Superfrauen!“, freut sich Guido. Dass später die nette Alex von den anderen Frauen verspottet wird, ist doch so was von gemein. Zicken, die. Aber er ist es nicht, der die Hürden stellt, sagt Kretschmer vertrauensvoll in die Kamera. „Das sind die Frauen selber.“

Und wieder einmal ist klar, dass Laurie Penny recht hat: Wenn alle Frauen eines Morgens aufwachen und sich pudelwohl in ihren Körpern fühlen würde, wäre das die größte Bedrohung für die Weltwirtschaft. Also, weitermachen: Unsicher halten und ihnen einreden, sie seien selbst schuld.