Das Hotpants-Thema

Letzte Woche hatte ich wieder so einen Tag, an dem ich keine klare Meinung zu einem Thema finden konnte, das mich bewegte. Kennt ihr das? Eure Kleine (Grundschule, Unterstufe) will in Shorts aus dem Haus, die auch eine große Unterhose sein könnte. Warum auch nicht: Erstens gibt es keine anderen Shorts für Mädchen mehr zu kaufen, zweitens heißt jedes Stück weniger Stoff auch weniger schwitzen. Drittens leben unsere Kids in einer Welt, in der wir es inzwischen gewohnt sind, dass Kleine und Große die gleichen Schnitte tragen. Wir setzen uns bei Pinkstinks dafür ein, dass jeder tragen darf, was er will, und das Bekleidung (oder der Mangel davon) nie als Einladung für sexuelle Belästigung gelten darf. Wenn jemand unsere Töchter als sexuell attraktiv definieren sollte, nur weil sie Hotpants tragen, ist das nicht unser Problem. So. Das ist die rationale Seite.

Eine sehr coole, feministische Freundin von mir erklärte mir in der Kaffeepause ihre Lösung des Problems: Sie hätte ihrer achtjährigen Tochter erklärt, dass sie nicht möchte, dass sie in Hotpants zur Schule ginge. Erwachsene Frauen würden diese Hosen manchmal – nicht immer – tragen, um sexuell attraktiv zu wirken, und es gäbe ganz selten erwachsene Männer, die keinen Unterschied zwischen erwachsenen Frauen und Kindern machen würden. Sie wolle nicht, dass Männer sie als „sexy“ wahrnehmen würden. Ich dachte lange darüber nach. Sollte unsere überzogene Angst vor vermeintlich omnipräsenten Sexmonstern nicht schön in unseren Köpfen bleiben? Müssen wir Kindern schon in der Grundschule erklären, dass die Gesellschaft sie als schuldig empfindet, wenn Männer sie geil finden? Sollten wir nicht genau da trotzig werden und sagen: „Schatz, und wenn du in Unterhose zur Schule gehen willst: Mach das!“

Doch dann kommt die spießige Britin in mir durch. Eigentlich bin ich ja für Schuluniformen, weil sich dann morgens niemand einen Kopf um Klamotten machen muss. Schön vernünftige lange Shorts für alle, damit Mädchen mit durchschnittlichen Oberschenkeln nicht neiderfüllt die gehypten „Thigh Gaps“ ansehen müssen, die „Bravo“ und „Mädchen“ ihnen wöchentlich als ersehnenswert verkaufen. Aber – oh je – damit falle ich in eine arg konservative Zielgruppe. Denen wird nämlich die „Sorge“ um die Kids mit dem Argument verkauft, muslimische Zugewanderte sollten durch freizügige Kleidung nicht kompromittiert werden. Ich bezweifel jetzt mal, dass dieser Elternbrief eines niederbayrischen Gymnasiums sich wirklich um die religiösen Gefühle der Flüchtlinge sorgt, sondern damit suggerieren möchte, dass die „Wilden“ ja sonst übergriffig werden könnten.

Noch weniger verstehe ich die Argumentation des Deutschen Philologenverbandes, der zum Thema Hotpants rät: „Lehrer und Schüler sollten aufeinander Acht geben.“ Was bitte? Gemeint damit ist nämlich: Männliche Lehrer sollten ihre Schülerinnen oder deren Eltern ansprechen, wenn sie Hotpants in Bedrängnis bringen. Wieder ein sexistisches Männerbild vom lechzenden, nicht mehr denken könnenden Lehrer und der dazu passenden Schuldigen: Die Hotpants-tragende Schülerin.

Ich weiß jetzt immer noch nicht, wie ich mich verhalten soll. Vielleicht so: Ich halte jetzt einfach weiter aus. Heute Morgen wollte meine Tochter in ihrer seit Tagen getragenen Schlafanzughose in die Schule. Da hat mein Spießerinnen-Ich ein definitives Veto eingelegt: Dann lieber in Jeans! Egal welche Länge. Bis zum Ende des Sommers werde ich  mich an die neue Mode schon gewöhnt haben.

Warum aber gerade Mädchen diese Mode verkauft wird, die Cellulite-Produkte und Adduktoren-Training nahelegt, möchte ich hier gar nicht breiter thematisieren. Würde ich natürlich zu gerne. Aber meist hat ein Thema eben mehrere, wichtige Facetten. Wer was anziehen muss, um dazu zu gehören, ist das eine. Wer was anziehen darf und wie Kleidung gelesen wird, ist das andere, und gehört auch getrennt betrachtet. Oder was meint ihr?

Eure Stevie