Das ist doch alles kein Problem

 

Bei Pinkstinks sind wir große Fans von Selbstverantwortung. Das sagen wir auch immer wieder, wenn uns Eltern auf Facebook oder per Mail darauf hinweisen, dass sie finden, wir würden an allen Ecken und Enden übertreiben.
So schlimm kann das doch gar nicht sein, heißt es da. Und überhaupt: Wenn man sich als Eltern richtig Mühe gibt, kann man seine Kinder gegen diesen ganzen Rosa-Hellblau-Quatsch stark machen. Darauf kommt es schließlich darauf an – die Kinder stark machen.

Ähnlich scheint es auch der Spiegel Redakteur Rainer Leurs zu sehen. In einer interessanten Pro/Contra Auseinandersetzung mit seiner Kollegin Carola Padtberg-Kruse beschreibt er liebevoll-sympathisch seine coole Tochter und stellt fest:
„In Wahrheit bestimmt einzig die Nachfrage, wie pink es im Spielzeugladen zugeht. Hersteller von rosa Ü-Eiern, Lillifee-Laufrädern und glitzernden Pastik-High-Heels (besitzen wir nicht, aber wir kennen jemanden) haben begriffen, dass die meisten kleinen Mädchen solche Dinge toll finden. Und mit dieser Erkenntnis verdienen sie Geld.“
Leurs möchte „das Gender-Problem, das womöglich dahintersteckt, nicht auf dem Rücken meiner Tochter austragen“. Wenig überraschend können wir diese Ansicht nicht teilen und haben einiges auszusetzen (Nebenbei: Wir lassen unsere Kinder auch gerne mit rosa Sachen spielen. Da am besten noch mal nachrecherchieren.).

Zweifellos existiert eine Nachfrage – und zwar nach der Versicherung der eigenen Identität durch den Erwerb von Produkten.
Und so sehr wir es ihm auch wünschen: Es wird für Rainer Leurs nicht möglich sein, den Rücken seiner Tochter von Gender-Problemen freizuhalten, weil ihr eine ganze Industrie im Nacken sitzt.

Pons Mädchen
So wie Jungen im übrigen auch.
Pons

Es gibt allerdings noch ein drittes Problem – und das ist einer der Gründe, warum Pinkstinks Eltern nicht adressiert, um ihnen zu sagen, was sie tun könnten/sollten. Stattdessen reden wir mit der (Werbe)industrie, die uns dafür auch schon mal vorwirft, eine Stellvertreterdebatte zu führen. Denn es sind nunmal nicht alle Väter gutausgebildete Spiegel Redakteure, die ihren Kindern die Fallstricke der gar nicht so schönen, neuen Genderwelt erklären könnten. Aber es ist so eine Tendenz von weißen Mittelstandsmenschen (und da fassen sich viele im Pinkstinks Team gerade selbst an die Nase) von sich auf andere zu schließen und dabei einen ganz zentralen Punkt zu übersehen:

Die Tatsache, dass ich selbst ein bestimmtes Problem nicht habe, bedeutet nicht, dass es nicht existiert.

Und selbst wenn das Problem hervorragend analysiert wird, wie in diesem Artikel des Zeit Magazins, gibt es einen deutlichen blinden Fleck:

„Wieso zwängt die Spielwarenindustrie unsere Kinder in Rollen, die wir Erwachsene im breiten Konsens als ungerecht erkannt und überwunden haben? Machen wir Eltern etwas falsch? Wir sind uns keiner Schuld bewusst. Ich kenne niemanden, der sagen würde: Ich will nicht, dass mein Sohn mit Puppen spielt!“

Wer sind diese „wir Erwachsenen“? Und wo existiert dieser „breite Konsens“? Tatsächlich gibt es sehr viele Menschen, die genau das sagen: Junge, du spielst nicht mit Puppen – das ist Mädchenkram! Und in Wirklichkeit ist es eine sehr, sehr kleine Gruppe, in der Gleichberechtigung ein breiter Konsens ist. Unser Freund Sascha Verlan (Rosa-Hellblau-Falle) hat dazu einmal bemerkt:

„Als Gesellschaft haben wir noch nie in gleichberechtigten Verhältnissen gelebt und unsere Kinder auch noch nie gleichberechtigt erzogen. Stattdessen verbringen wir unsere Zeit damit zu behaupten, wir wären gleichberechtigt. Wir haben noch nicht mal richtig damit angefangen.“

Das nervt. Das tut weh. Aber wenn man Missstände beheben will, muss man sich die Ausgangslage ganz genau anschauen.