Dazu sagen wir jetzt mal nichts… fast nichts

 

An dieser Stelle ist normalerweise ein Bild zu finden, dass den Blogtext einleitet und/oder seinen Inhalt kurz umreißt. Heute nicht.  Wir verzichten darauf, weil es in diesem Text um eine Aufmerksamkeits- und Meinungsökomomie gehen soll, der wir auch unterworfen sind, obwohl wir ihre sexistischen Auswüchse markieren und zu bekämpfen versuchen. Denn bei der Frage danach, wie wir Blog und Pinkwatch Woche für Woche bebildern sollen, entscheiden wir uns nach Kräften für Motive, von denen wir denken, dass die Blicke der Leser*innen an ihnen hängenbleiben und sie sich fragen, was zur Hölle sie da sehen und wieso eigentlich keine*r etwas dagegen tut (beziehungsweise so wenige diese NGO unterstützen, die sich wegen SO etwas mit der [Werbe]industrie anlegt).

Wir zeigen also Bilder, die wir euch und uns gerne ersparen würden. Die wir lieber nicht auch noch reproduzieren würden. Wegen denen wir immer mal wieder gefragt werden, wieso die Facebookseite, die die Leuten mit der meisten sexistischen Werbung belästigt, ausgerechnet von Pinkstinks ist. Wir sind marktschreierisch, plakativ, stellenweise überdeutlich und merken dabei doch, dass wir eigentlich noch viel zu zahm, viel zu wenig „in your face“ sind. Bei GNTM fällt uns das immer ganz besonders auf. Auf der einen Seite gibt es die Menschen, die in den sozialen Medien  sehr viel pointierter als wir die Sendung analysieren und bloßstellen, während wir mit angezogener Handbremse Analyse betreiben, um nicht übers Ziel hinauszuschießen und uns zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Auf der anderen diejenigen, die wissen wollen, warum wir uns die Show überhaupt antun, beziehungsweise ihr auch noch Aufmerksamkeit verschaffen. Während wir also durchaus an quälend langen Donnerstagen Momente haben, in denen unsere Gefühlslage hier ganz gut beschrieben wird, bemühen wir uns darum, genau so persönlich nicht zu werden. Und die Sendung nicht zu sehen, nicht gegen die Indoktrinierung von Normschönheit und Unterwerfung Sturm zu laufen, ist halt auch keine Lösung. Unserer Erfahrung nach erledigt sich so gut wie nichts von selbst. Wir schwanken also zwischen machen und lassen. Zwischen wegsehen und hinstarren. Wir müssen für unser Anliegen Aufmerksamkeit schaffen und kritisieren zugleich andere, die diesem Zwang auch unterworfen sind und unserer Meinung nach die falschen Mittel wählen. Wir müssen sexistische Werbung zeigen, damit die Leute wissen, worüber wir hier sprechen – und wollen sie selber nicht mehr sehen. Auf unseren Festplatten liegen Werbebilder, in denen Frauen die Beine beim Anblick von Verlobungsringen spreizen, mit Gürteln gewürgt und zerstückelt an Fleischerhaken aufgehangen werden. Wir haben NIE das Problem, dass wir nicht genug sexistische Werbung hätten, über die wir berichten können. Wir haben vielmehr das Problem, dass wir jeden Tag entscheiden müssen, wie und über welche wir berichten.

Und während wir von Beispielen für sexistische Werbung immer mehr als genug haben, ist von etwas anderem scheinbar ständig zu wenig da: Meinung. „Was sagt ihr dazu, wie findet ihr das, was macht ihr eigentlich dagegen/dafür?“ Wir haben hart dafür gearbeitet, dass unsere Meinung Gewicht hat, jetzt müssen wir auch liefern. Und zwar auch zu Themen, die so komplex, so widersprüchlich sind, dass wir uns nicht nur nicht im Team auf eine Position einigen können, sondern auch als Einzelpersonen nicht wissen, wie wir etwas bewerten sollen. Jüngstes Beispiel: Madeline Stuart (auch hier heute keine Bilder, ihr müsst euch durch die Links klicken). Die junge Australierin, die mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen ist, möchte gern Model werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie in den letzten Monaten 20 kg abgenommen. In der Presse wird sie für ihr Vorhaben von vielen gefeiert, Menschen beschreiben sie als Quelle der Inspiration und Role Model für Inklusion. Andere üben offen Kritik:

„In den Medien wird Maddie Stuart als Vorreiterin für ein neues Verständnis von Schönheit gefeiert. Das ist zum einen sehr kurzfristig gedacht, denn kaum eins der ‚besonderen Models‘ ist noch Jahre nach ihrem Karriere-Hoch erfolgreich im Geschäft, zum anderen ist es völlig konfus: Während Plus-Size zelebriert wird, muss eine chromosomal geschädigte Frau erst die Pfunde purzeln lassen, damit sie als schön gelten darf?“

Wollen wir dazu wirklich eine Meinung haben? Müssen wir? Auf der einen Seite fällt auf, wie sich Madeline Stuart normschönen Kriterien unterwirft, um ihren Traum zu verwirklichen. Dass sie Regeln folgt, um mitspielen zu können, die eigentlich abgeschafft gehören.
Andererseits: Wer sind wir, an der Verwirklichung ihres Traums herumzunörgeln? Es gibt so viele Dinge, die im Modebusiness richtig schieflaufen, sollen wir uns da wirklich mit einem „Aber“ zu Wort melden, wenn jemand mit der Botschaft „Menschen mit Down-Syndrom können alles schaffen.“ auf die Laufstege will? Manchmal will man einfach keine klare Meinung haben, sondern  bei einem „Weiß nicht, kann ich jemanden anrufen?“ bleiben. Aber damit bringt man keine NGO voran. Unentschiedenheit wirkt nicht professionell. „Wir sind uns nicht so sicher, fragen aber mal um Geld“ ist als Spendenruf nicht so erfolgversprechend. Also recherchieren wir, streiten, legen uns eine Meinung zu, tun sie kund, bekommen dafür Applaus und ordentlich auf die Mütze. Wir nennen das Tagesgeschäft.

Auch wenn es möglicherweise so klingen mag: Das hier soll kein Mimimi-Text sein. Wir machen Pinkstinks alle gerne, sonst wären wir gar nicht hier. Aber an manchen Tagen fühlt es sich so an, als hätten wir nicht einmal genug Platz, um auf der Stelle zu treten. Heute ist so einer. Morgen wieder ein anderer.

Versprochen!

Pinkstinks Team

PS: Stimmt, der letzte Blogtext strotzte auch nicht gerade vor guter Laune. Aber die Hinweise auf Madeline Stuart kamen so zahlreich rein, dass wir uns eher früher als später dazu verhalten mussten. Ihr wisst ja: Meinung und so.