Kann das mal jemand für mich ausrechnen? Ich bin eine Frau und deswegen schlecht in Mathe. Wie hoch ist der Gender Pay Gap, wenn ein Mann für seine Leistung 115.000 Euro an Preisgeld erhält, eine Frau für die gleiche Leistung aber nur 1.300 Euro?
Der Giro d’Italia ist ein berühmtes Straßenradrennen und nach der „Tour“ (Tour de France, Anm. der Autorin) ist der „Giro“ (ist klar) das zweitwichtigste Rennen für Profi-Radfahrer und ihre Fans. Der Gesamtsieger und sein Team erhalten besagte hohe Gewinnsumme. Der Gewinner teilt sich die Summe mit seinem Team, bestehend aus sechs Fahrern, auf. Genauso ist es auch beim Giro d’Italia internazionale femminile, kurz Giro Rosa, dem Giro der Frauen. 2018 wurden die Gelder schon „deutlich“ erhöht. 2016 Jahren war das Preisgeld für die Gesamtsiegerin noch 350 Euro. „Davon konnten sich alle im Team hinterher ein Eis kaufen“ erklärt mir süffisant die mehrfache Weltmeisterin und Olympiateilnehmerin Trixi Worrack, als ich letztes Jahr ein Interview mit ihr führte. Seitdem lässt mich diese himmelschreiende Ungerechtigkeit nicht mehr los.
Ich stelle mir ein Meeting des Giro Planungskomitees vor: Der verantwortliche Manager hat eine Excelliste vor sich liegen, in der Mediazeiten vermerkt sind und Sponsorengelder: „Guckt mal Leute, der Giro ist dieses Jahr in soundsovielen Ländern live on air. Wir haben soundso viel Geld im Topf, dieses Jahr können wir unseren Fahrern also ein ganz hübsches Sümmchen zahlen.“ Und dann guckt er auf die Liste für den Giro rosa und sagt. „Bei den Damen isses bissel weniger. Das sendet wieder kein Schwein. Also mehr als 1.500 Piepen ist nicht drin, ist ja immerhin vier mal soviel wie vor zwei Jahren.“ Und alle Anwesenden nicken dann: „Ja. Ok. Machen wir so.“
Nun kann man sagen: ,hey, das ist Kapitalismus Baby‘. Wenn die Girls in Italien die Serpentinen hochhecheln, aber das eben niemanden interessiert, dann ist das eine ganz einfache Rechnung, da können die Marektingleute gar nix dafür. Madonna kriegt ja auch mehr Geld als wenn meine Freundin Inga zur Gitarre singt. Schon richtig, aber die Sportlerinnen sind Profis! Sie trainieren genauso hart wie die Männer. Sie haben ihr Leben ebenso dem Leistungssport verschrieben. Sie holen Olympiamedaillen nach Hause. Sie sind keine Clowns auf dem Klapprad.
Unter den 100 bestverdienenden Sportler*innen auf diesem Planeten ist nur eine einzige Frau – und auch nur in den Jahren, in denen sie nicht gerade ein Kind bekommt –, nämlich die einzigartige Serena Williams. Eine Frau, 99 Männer. 98 Prozent aller Sponsoring Gelder gehen an Männer. 90 Prozent der Medienzeit ist dem Männersport gewidmet. Männerfinals werden zur Prime Time ausgestrahlt, Frauenfinals kommen danach. Oder gar nicht.
„Jaaaaaaa, aber Männer rennen halt schneller als Frauen. Ist eben so. Und Fußball, sorry, das ist viel dynamischer. Geilere Tore. Alles schneller. Und die Basketballer sind viel größer und stärker und die Handballspieler auch. Und Roger Federer ist immerhin aus der Schweiz. Nur Beachvolleyball, das ist bei den Frauen schöner. Wegen der Bikinis.“
Bei den Leichtathletikweltmeisterschaften 2019 im schönen Katar gab es eine neue Kamera für die TV gerechte Wiedergabe der Laufwettbewerbe. Sie sollte den magischen Moment einfangen, wenn die Sprinter*innen aus den Startblöcken schnellen. Und filmte den Frauen in den Schritt. Die deutsche Sprinterin Gina Lückenkemper formulierte das so: „War an der Entwicklung dieser Kamera eine Frau beteiligt? Ich glaube nicht.“
Nur 20 Prozent aller Spitzenpositionen im Sport in Vereinen und Verbänden sind mit Frauen besetzt. Und in der Mischkalkulation sind in dieser Summe natürlich auch alle Sportarten vertreten, mit denen sich kein Geld verdienen lässt. Und das sind eigentlich fast alle, außer Fußball. Es gibt nur eine Trainerin, die im Männerfußball einen Oberligaverein trainiert. Warum? Weil Frauen nicht so laut trillerpfeifen können wie die Männer? Jupp Heynkes hat mit 70 Jahren noch die Bayern trainiert, am Lauftempo während des Trainings wird es also nicht liegen. Vielleicht dürfen die vom anderen Geschlecht ja nicht in die Kabine? Ach nee, es trainieren doch zahlreiche Männer Bundesliga Frauenmannschaften.
Was also ist das Problem? An Sportlerinnen mangelt es nicht. Beim Sport sind Frauen und Männer ungefähr gleichermaßen vertreten. Eine Ursache könnte sein, dass Frauen in vielen Sportarten überhaupt erst seit wenigen Jahrzehnten am Start sind. Im Fußball (vorher nur mit Erlaubnis der Männer) seit den 1970ern, der Giro rosa seit 1988 (Der Giro D’Italia seit 1909). Es gibt also einiges aufzuholen. Und dann natürlich das Killerargument: Frauen kriegen Kinder. Ja, aber sie können trotzdem wieder hochleistungssportfähig sein. Siehe Serena Williams oder Laura Ludwig, Beachvolleryballerin und Olympiasiegerin. Oder die schnellste Frau (und Mutter) der Welt: Shelly-Ann Fraser-Pryce. Schwierig wird es allerdings mit den Babys, wenn man den Babysitter mangels Preisgeldern nicht mit auf Tour nehmen kann. Einen Hort gibt es im olympischen Dorf nicht. Emotional schwierig wird es auch, wenn man zusätzlich zur Arbeit noch vier Stunden täglich trainieren muss UND die Kinder sehen will. Aber, upps, das Problem hätten Männer ja auch. Theoretisch. Männer trainieren (übrigens dankenswerterweise, damit das klar ist) zwei mal die Woche Kindermannschaften und haben am Wochenende ein Spiel. Währenddessen haben Frauen ein schlechtes Gewissen, weil die Zeit für die Kinder fehlt. Deswegen sind Männer in Vereinen, in Verbänden, werden Präsident.
Seit neuestem ist es der E-Sport, der im Marketing und Sponsoring dem realen Athletentum den Rang abläuft. Unsummen werden von den großen Unternehmen investiert, um die digitalen Superstars mit Markenstickern vollzukleben. Ladies, wenn das nicht eure Chance ist! Daddeln hat für alle Geschlechter zum gleichen Zeitpunkt angefangen. Computer oder Spielkonsole waren nie verboten. Eine Tastatur oder einen Controller zu bedienen hat nichts mit Kraft zu tun.
Aber der Blick in die Top 100 Liste der E-Sportler ist ernüchternd: Keine Frau. 100 Männer. Warum? Weil die Mädchen statt Fortnite zu spielen, Hausaufgaben machen? Weil die Männer Programmierer der großen Spiele sind? Warum sind sie das? Weil es im Tech Business keine Frauen gibt? Warum nicht? Weil sich das System Fußball 1:1 online fortgeschrieben hat? Das kann doch alles nicht wahr sein!
Ich habe schon so manches Mal über Fußball und auch über Motorsport geschrieben und war dann fast immer die einzige Frau im Schreiberlingetross. Ob die Männer für ihre Artikel allerdings mehr Geld bekommen haben als ich, möchte ich bezweifeln. Wahrscheinlich weil sie nicht schneller tippen können als Frauen. Darin sind wir ja auch ganz gut. Der Gender Pay Gap in den Sportmedien ist also nicht ganz so dramatisch, zumindest für die paar Frauen in dem Business. Das finde ich für mich beruhigend, allerdings verdiene ich auch nicht so viel wie Serena Williams. Fun fact zum Thema „Fabelwesen“ im Sport: Im neuen Frauenfußball-Fußballmagazin „Elfen“, schreiben übrigens fast ausschließlich Männer. Die spielen nicht nur geiler, die kennen sich auch einfach besser aus.
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