Der kleine sexistische Unterschied

Für diesen Text gibt es zwei Anlässe. Da ist zum einen die Tatsache, dass wir immer wieder mit der Frage konfrontiert werden, wie und warum genau wir eine Werbung als sexistisch einstufen. Zum anderen ist dieser Text dem Umstand geschuldet, dass wir in den letzten 2 Wochen über hundert Einreichungen in der Werbemelderin hatten, die nur die neue #Männertage Kampagne von Media Markt betreffen. Wir haben die Kampagne letzte Woche an dieser Stelle schon besprochen und klar gemacht, warum wir uns an möglichen Shitstorms nicht beteiligen. Die Aufregung in den sozialen Netzwerken ist klar mit einkalkuliert worden, um eine höhere Verbreitung zu erreichen, gleichzeitig hat man sich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Wie schon gesagt: Über dieses Stöckchen springen wir nicht.

Stattdessen benutzen wir die Werbung von Media Markt als Anschauungsobjekt. Das lohnt sich, weil die Kampagne mit viel Geld sehr professionell umgesetzt wurde und sich sehr viele Menschen (zu Recht) darüber aufregen. Aber ist sie auch sexistisch wie beispielsweise die taz schreibt? Nach unseren Kriterien nicht. Gehen wir das an dem Motiv mit Sophia Thomalla mal durch – schließlich wurde uns das am häufigsten und am wütendsten eingereicht.

Unsere vier Kriterien für sexistische Werbung sind folgende:

  1. Geschlechtsbezogenes Über-/Unterordnungsverhältnis
  2. Ausschließliche Zuordnung von Eigenschaften, Fähigkeiten und soziale Rollen in Familie und Beruf aufgrund von Geschlecht
  3. Sexuelle Anziehung als ausschließlicher Wert von Frauen
  4. Suggerierung von sexueller Verfügbarkeit

Am meisten wurde uns dieses Motiv mit Bezug auf das vierte Kriterium eingereicht – teilweise wurde auch das zweite für Männer geltend gemacht. Überspitzt zusammengefasst wird daran Anstoß genommen, dass Sophia Thomallas Nippel besagte Knöpfe sind, die er streichelt (4. Kriterium) und Männer allgemein und qua Geschlecht als hohle Triebtiere und gegebenenfalls als Technikjunkies porträitiert werden (2. Kriterium). In diesem Fall würden wir von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht sprechen. Die Frage ist also, ob es sich wirklich so verhält.

Wie ist das mit der Darstellung von sexueller Verfügbarkeit über die Gleichsetzung von Nippeln mit Knöpfen? Aus unserer Sicht ist diese durchaus nachvollziehbare Lesart des Motivs zu wenig belegbar. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung Brüste und Nippel gerne verdinglicht

und sexistisch ausstellt

wird klar, dass das hier nicht offensichtlich genug geschieht. Diskriminierende Objektifizierung eines Dekolletés sieht anders aus

und geht gerne damit einher, dass sie ohne Gesicht präsentiert wird.

Das ist bei dem Motiv von Media Markt nicht der Fall. Das vierte Kriterium hat sich damit erledigt. Bleibt das zweite. Auch hierbei kommt es auf die Details an. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass Media Markt Sophia Thomalla als Sophia Thomalla mit einem Zitat abbildet (inklusive Anführungsstriche). Media Markt sagt also an dieser Stelle nicht „Männer sind so“ oder „Frauen sind so“, sondern arbeitet mit einem Testimonial und dessen Aussage. Und auch die Aussage ist nicht generalisierend genug. Er streichelt alles, was Knöpfe hat. Da steht nichts von alle Männer. Wenn eine derartige Aussage getätigt würde, wäre sie sexistisch. Übrigens auch ganz ohne (Semi)Nacktheit.

Uns ist natürlich klar wie pingelig das klingt. Und wir haben Verständnis dafür, dass Menschen, die sich über dieses Motiv ärgern und es als sexistisch einstufen, wenig Interesse an derlei Details haben. Aber seit dem Bestehen von Pinkstinks werden wir mit dem Vorwurf konfrontiert, Sexismus sei lediglich ein gefühltes Problem von Einzelpersonen und immer nur eine Frage des individuellen Geschmacks. Es gäbe keinerlei Kriterien, die sich verallgemeinern ließen.

Um diesen Vorwurf zu entkräften, treten wir jeden Tag an. Weil wir wissen, dass Diskriminierung aufgrund von Geschlecht nicht bloße Einbildung sondern leider viel zu alltägliche Wirklichkeit ist, bemühen wir uns, der Versuchung nicht zu erliegen, unsere eigenen Kriterien aufzuweichen und auszuweiten. Nur deshalb können wir so nachdrücklich darauf hinweisen, wo die Grenze ist und was zu weit geht. Weil wir bei jedem Vorwurf, wir würden diese Grenze vollkommen willkürlich ziehen, immer wieder aufzeigen können, dass es jedes Mal dieselbe Grenze ist. Auch wenn es wehtut.