Der Mythos der verrückten Ex

Absurd, fabriziert, denunzierend, übergriffig: Die Rollen, die Frauen im Patriarchat zugewiesen werden, haben oftmals nichts mit der Realität zu tun und sind darauf ausgelegt, dass sich nichts verändert und niemand gegen den Status Quo rebelliert. Einige haben wir euch an dieser Stelle schon vorgestellt. Da wäre die Familienzerstörerin, die angeblich arme, wehrlose Männer aus den Armen ihrer Frauen reißt und den Kindern ihren Vater nimmt, indem sie gezielt ihre „Femme fatal“ Reize einsetzt. Die Hexe, die als Frau über so viel Wissen, Macht oder Besitz verfügt, dass Männer sie fiktiver Verbrechen bezichtigen, um sich ihrer entledigen zu können. Die Schlampe, über die Mann sagen und mit der Mann machen darf, was Mann will. Und natürlich die pathologische Frau, der Mann irgendeine obskure Krankheit andichtet, um ihre Expertise zu entwerten, ihre Meinung zu verwerfen und ihrer habhaft zu werden. Heute wollen wir euch eine weitere Rolle vorstellen, die dazu dient, ungerechte Machtstrukturen aufrechtzuerhalten und bloß nicht das eigentliche Problem anzugehen: Die „verrückte“ Ex-Freundin.

Die verrückte Ex-Freundin oder Ex-Frau ist eine Figur, derer sich vor allem heterosexuelle Männer gerne im Rückblick auf ihre vergangenen Beziehungen bedienen, um Spuren eigenen Fehlverhalten zu verwischen. Die verrückte Ex-Freundin war in den Augen dieser Männer damals echt krass. Sie hat sich die Beziehung mit ihm irgendwie erschlichen, das wollte der gar nicht. Sie war halt immer da und hat so geguckt und Druck aufgebaut. Die anderen haben auch gesagt, sie sei in Ordnung, sonst hätte er sie gar nicht beachtet. Also heiß sah sie natürlich aus. Ist sie eigentlich immer noch, nur dass sich halt rausgestellt hat, dass sie eine an der Waffel hat, haha! Aber geil sah sie schon aus.

Screenshot 30.08.21: Amazon

Die Sachen, die angeblich verrückte Ex-Freundinnen machen, sind bei näherer Betrachtung gar nicht so abwegig. Sie entsprechen vielmehr der Art und Weise wie wir romantische Liebe erzählen. Nur, dass das bei Männern ganz anders bewertet wird als bei Frauen.

Frauen werden auch gerne dann als verrückte Ex-Freundin bezeichnet, wenn es darum geht, einer neuen Partnerin oder einer Frau mit der Mann gleichzeitig etwas am Laufen hat, den Informationsweg zum eigenen Fehlverhalten zu versperren: „Rede nicht mit der, die ist verrückt“ meint dann tatsächlich „Rede nicht mit der, die weiß Sachen über mich, von denen ich nicht will, dass du sie erfährst.“ Ex-Partnerinnen als verrückt zu bezeichnen, ist also eine Möglichkeit der Kontaktunterbindung und des Erzwingens von Schweigen. Es ist das Beseitigen einer Zeugin, deren Charakter diskreditiert wird, bevor sie überhaupt auch nur eine Aussage machen konnte.

Im schlimmsten Fall geht es dabei um Gewalt. Männer, die ihren Ex-Partnerinnen gegenüber gewalttätig geworden sind, beleumunden sie übel, um den eigenen Ruf reinzuwaschen und die Konsequenzen ihrer Taten nicht zu spüren zu bekommen.

Dabei ist die Frage, ob wir nicht eigentlich ein ganz anderes Problem haben: Ist die Welt wirklich voller verrückter Ex-Freundinnen, die Männern das Leben zur Hölle machen, oder müssen Frauen nicht vielmehr Angst vor gewalttätigen Männern haben, die ihre Taten anschließend versuchen zu verschleiern? Tatsächlich ist das längst keine Frage mehr, weil die Antwort darauf jeden Tag erfolgt.

Und deshalb ist der Spruch „Du bist nicht wie andere Frauen“ auch kein Kompliment, sondern eine unbeabsichtigte Warnung, die Frauen ernst nehmen sollten. Männer, die auf Frauen stehen, die nicht wie alle anderen Frauen sind, haben ein ernsthaftes Problem mit allen Frauen. Und über kurz oder lang wird das auch die Frau zu spüren bekommen, die „nicht so ist wie all die anderen“.

Drei Dinge bleiben Männern zu sagen, die angeblich oder tatsächlich mit verrückten Ex-Freundinnen zusammen waren:
Wenn deine Ex-Freundin dich tatsächlich mit übergriffigem Verhalten belästigt, gewalttätig ist und dir Angst macht, dann hol dir Hilfe. Das ist kein Stoff für Anekdoten vor Freunden oder einer neuen potenziellen Partnerin, sondern ein echtes Problem.
Wenn deine Ex-Freundin wirklich ein Mental Health Problem hätte, würdest du nicht so abfällig über sie reden. Du würdest ihr Verhalten nicht dazu benutzen, um sie lächerlich zu machen und dich selbst aufzuwerten.
Wenn alle deine vorangegangenen Beziehungen mit verrückten Ex-Freundinnen waren, dann bist vermutlich du das Problem. Vor 20 Jahren schrieb die feministische Autorin bell hooks in Alles Über Liebe, dass Männer in Beziehungen dazu neigen, Frauen ein falsches Selbst von sich zu präsentieren, um ihre Macht über sie zu behalten. Dieses Vortäuschen kostet sie die Fähigkeit, authentisch zu lieben und geliebt zu werden. Frauen, die darauf irgendwann mit starken Gefühlen reagieren, wütend werden, traurig sind, Antworten verlangen und laut schreien, sind womöglich gar nicht verrückt.

Vielleicht wurden sie einfach nur verletzt und getäuscht.

Bildquelle: I.am_nah/Unsplash

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