Madita Brauer, Foto: WeitblickWorkwear
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Die Baustelle wird weiblich

Wisst ihr, dass ich heutzutage immer noch komisch angeguckt werde, wenn ich arbeite? Das könnte an meiner Berufswahl liegen, ziemlich sicher sogar. Schade eigentlich!

Ich bin 21 Jahre jung und habe mich nach meiner abgeschlossenen Banklehre dazu entschieden, ins Handwerk einzusteigen und auf der Baustelle zu arbeiten. Ich bin im dritten Lehrjahr in der Ausbildung zur Anlagenmechanikerin, nebenberuflich studiere ich noch und der Meister ist auch geplant. Wenn ich mich in drei Worten beschreiben müsste, dann wären das folgende: selbstbewusst, zielstrebig und wissbegierig. Diese Eigenschaften erleichtern mir vieles und sind aktuell leider auch noch notwendig, um im Handwerk standhaft zu bleiben.

Komische und fragende Blicke von Kunden, Kollegen oder anderen Gewerken sind an der Tagesordnung, solange man sich noch nicht etabliert hat. Ebenso huscht am Anfang gerne der ein oder andere Kommentar über die Lippen, meistens von Kunden: „Darf ich mal den Kollegen sprechen, Sie können das bestimmt nicht“, „Soll ich Ihnen beim Tragen helfen?“ oder „Normalerweise sitzen Sie doch im Büro, oder?“. Gerade in meiner Anfangszeit habe ich viel wegstecken müssen, nichts wirklich Bösartiges, aber alleine die Menge hätte mich leicht in die Knie zwingen können. Man wird überall begutachtet, bewertet und verglichen. Es war schwierig, aber hat man das nicht in jedem Beruf? Mittlerweile kennen mich sowohl Kunden als auch die anderen Gewerke ich und sie wissen, was ich kann.

Ich kenne Frauen in meiner Community, die das Handwerk aufgegeben haben, da sie die negativen Kommentare mit dem Handwerk gleichgesetzt haben. Hier zählt ein gesundes Selbstbewusstsein und sich selbst etwas zuzutrauen. Ich liebe das Handwerk und das kann mir keiner nehmen, weder ein Kommentar noch ein Blick. Nachdem ich klargestellt hatte, dass ich genauso arbeiten kann wie Männer und auf dumme Kommentare ebenbürtige kontern kann, wurde ich von ziemlich allen akzeptiert und bin gerne gesehen. Durch meine medialen Auftritte und meine Zielstrebigkeit bin ich Auszubildende des Monats Dezember 2018, verliehen durch die Handwerkskammer Düsseldorf, und trage außerdem den Titel des Handwerkerazubi‘s des Jahres 2018, erstmalig verliehen durch MyHammer.

In der Handwerksbranche werden Frauen ebenso benötigt wie Männer. Wieso sollte man in einem Atemzug über den Fachkräftemagel beschweren und im zweiten die zweite Hälfte der Bevölkerung unbeachtet lassen? Wenige Firmen haben das bereits verstanden, die anderen werden es bald spüren. Wieso fällt es uns Frauen gerade in dieser Branche so schwer, Fuß zu fassen?

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Behauptungen wie „nicht ausreichende Körperkraft“, „zu zärtliches Wesen“ oder „kein technisches Verständnis“ sind die Standardantworten. Es gibt geborene Ärztinnen, leidenschaftliche Erzieherinnen, völlig zufriedene Sachbearbeiterinnen – und eben Frauen, die fürs Handwerk gemacht sind, es lieben und leben würden, aber davon entweder gar nichts wissen oder sich nicht trauen. Und hier liegt es an uns selber, wollen wir was wagen und ausprobieren? Oder uns dem aktuellen Standard anpassen?  Bei Männern gibt es genauso den geborenen Arzt, den leidenschaftlichen Erzieher oder den völlig zufriedenen Sachbearbeiter, aber das ist dann völlig normal?

Mein Appell an alle Frauen lautet also: Gibt dem Handwerk eine Chance, versucht euch darin! Nicht jede Frau hat handwerkliches Geschick, aber ebenso auch nicht jeder Mann. Wenn euch einmal die #LustaufHandwerk gepackt hat, gebt sie nie wieder auf und bleibt dran! Es gibt so viele Frauen, die diesen Weg schon angegriffen haben – lasst uns mehr werden!

Dieser Berufszweig wird NOCH von Männern dominiert. Die Zeit wird kommen, in der die Gesellschaft die Frau im Handwerk als selbstverständlich betrachtet. Sobald die Gesellschaft verstanden hat, dass das Handwerk einen goldenen Boden, ausgezeichnete Zukunftschancen und Platz für alle Geschlechter hat, wird der Fachkräftemangel ebenso abnehmen, wie die Sexismen im Job.

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