Die Care-Katastrophe

„Retraditionalisierung ist daher ein fast noch verharmlosendes Wort. Es ist zu schmusig, zu nett. Es geht um den Verlust der Würde von Frauen, von Respekt, von Rechten.“ Als die Soziologin Jutta Allmendinger diesen Satz schrieb, kam Deutschland 2020 gerade aus seinem ersten siebenwöchigen Coronalockdown. Schon damals deutete sich das Ausmaß einer verschleppten, unzureichenden Gleichberechtigungspolitik an. Denn es waren vor allem die Mütter, die den Großteil der zusätzlichen Betreuungsarbeit schulterten und in völliger Überlastung nur warme „Mutti ist die Beste“ Worte sowie schicke Sharepics bekamen.

Tatsächlich aber war und ist die ganze Situation eine Katastrophe. Weil wir uns als Gesellschaft viel zu lange darauf verständigt haben, dass Gleichberechtigung und ein fairer Umgang mit Care-Arbeit „Luxusproblemchen“ sind, denen man sich bestenfalls dann zuwendet, wenn alle anderen „wirklichen Probleme“ gelöst sind, stecken wir nach 2 Jahren Pandemie so richtig in der Scheiße. Und mit „wir“ meinen wir vor allen Dingen Frauen. Denn auch wenn Männer im Laufe der letzten zwei Jahren tatsächlich die Zeit für ihre Erwerbsarbeit reduziert und den zeitlichen Umfang ihrer Care-Arbeit aufgestockt haben, sind wir noch lange nicht da, wo wir sein müssten. Auch dann nicht, wenn sie die für Care-Arbeit aufgewandete Zeit im Schnitt von zwei auf vier Stunden verdoppelt haben. Frauen haben unterdessen von 4,5 auf 7,5 Stunden erhöht. Das klingt dann nicht schlagzeilenträchtig nach „Boaaah, verdoppelt1!!11!“, sondern inhaltlich nach maximaler Ausreizung der Belastungsgrenze. Aber weil es eine gefühlte Gerechtigkeit gibt, glauben 66% der Männer ernsthaft, Betreuungs- und Hausarbeit seien fair verteilt. Dabei hat eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts gerade erst wieder ergeben, dass die Pandemie die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verstärkt und zu Lasten der Frauen geht. Das sieht man deutlich an einer Grafik von Quarks zum Gendercaregap (siehe Tweet). Im Vergleich zur zweiten Pandemie-Welle im Herbst 2020, haben Mütter während der Omikron-Welle im Januar 2022 die Kinderbetreuungszeit um 7 Prozentpunkte erhöht, während sie bei den Männern gleichgeblieben ist.

Es sind die Mütter, die hauptsächlich den Mehrbedarf an Kinderbetreuung auffangen und dafür beruflich zurückstecken. Es sind die Mütter, deren zusätzliche Belastung gerade nicht etwa geringer werden, sondern einfach nur aus dem Blickfeld geraten, weil es keine offiziellen Lockdowns mehr gibt, sondern unklare Situationen, in denen Betreuungszeiten überbrückt werden müssen. Weil die Kita wegen Personalmangel auf Notbetrieb schaltet oder Familienmitglieder erkranken zum Beispiel. Irgendwer wird schon einspringen. Das „bisschen“ Kümmern macht sich eben nicht von allein.

Am 1. März ist Equal Care Day und damit einmal mehr die Gelegenheit, der Problematik unsere volle Aufmerksamkeit zu widmen. Sie wird nicht einfach in Wohlgefallen auflösen, wenn wir sie liegen lassen. Über die „Care-Lücke im männlichen Biografien“ zu reden, ist also überfällig. Deshalb sind Projekte wie die des Vereins Equal Care Day so wichtig, die sich Care-Lücken in männlichen Biografien und der Tatsache widmen, dass manche Männer zu wenig Care-Arbeit später bereuen. Nur so können wir irgendwann bei einem gleichberechtigten, fairen Miteinander ankommen.

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquelle: Sophia Floerchinger/Istock