Als mich die Schule meiner Tochter neulich anfragte, den 11. Klassen in der Themenwoche „Berufsfindung“ von meinem Alltag als Campaignerin für Pinkstinks zu erzählen, war ich begeistert. Den ganzen Tag auf Facebook und Youtube unterwegs sein und das auch noch bezahlt – welches Kind will das nicht? Wenn eine ihre Arbeit liebt, sollte sie das unbedingt jungen Menschen vermitteln. Also sagte ich begeistert zu und stellte mich auf ein schweres Unterfangen ein. Unsere Erfahrung bei Pinkstinks besagt, dass es meistens Menschen am Ende ihres Studiums bzw. bei Berufsanfang oder erstem Kind sind, die den Sexismus in unserer Gesellschaft als wirkliches Problem wahrnehmen und nach Verbündeten suchen, mit denen sich etwas bewegen lässt. Gerade Schüler*innen oder junge Student*innen finden eher, dass „wir doch alle gleichberechtigt“ sind und man sich doch bitte nicht so anstellen solle.
Umso mehr begeisterten mich diese 17-jährigen Jugendlichen, die kurz vor dem Abi überlegten, was sie mal werden wollten. Wir werden ja viel für Vorträge gebucht und nicht selten müssen wir kritisch dreinblickende, konservativere Herrschaften mit witzigen Sprüchen und unseren bunten Designs beeindrucken, um sie ein Stück für Antidiskriminierung zu sensibilisieren. Hier war das alles gar nicht nötig.
„Gender“ musste man schon mal gar nicht erklären, Sexismus auch nicht. Auch Pinkstinks war einigen ein Name, und dass Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungen zusammen gedacht werden sollten, war ihnen selbstverständlich. War ich im Himmel gelandet?
Kurz vorher hatte ich einen wunderbaren Bericht in der taz über Mädchen in Berlin-Friedrichshain gelesen, die über das HeforShe-Video von Emma Watson zum Feminismus gekommen waren.
Sie hatten – mit 14 Jahren! – schon das Aufschrei-Buch von Anne Wizorek gelesen und sie eingeladen, um mit ihr über Feminismus 2.0 zu reden. Niemand habe das Recht, ihre Figur zu kommentieren, sind sie sich mit Tavi Gavinson einig, und auch Beyoncé gebe ihnen das Gefühl, mit dieser Meinung nicht alleine zu sein. Berlin-Friedrichshain – klar. Eine Blase in Deutschland, in der so etwas möglich ist. Aber bei uns in Hamburg-Eimsbüttel? Auch „meine“ Mädels und Jungs hatten alle das Emma-Watson-Video gesehen und es hatte sie begeistert und aufgerüttelt. Auch hier sagte ein Mädchen, dass sie darüber auf Genderthemen aufmerksam gemacht worden sei. Wir sprachen über Germany’s Next Topmodel, sexuelle Belästigung und die Situation von Mädchen weltweit, auch Malala nannten sie ein Rolemodel. „Boa, haben wir das gut“, sagte Marie, „dass wir so gerade an der Generation Bibis Beautypalace vorbeigeschrabbelt sind. Herrlich, dass ich Sonntags nicht heulen muss, weil ich eine Folge von Dagi Bee verpasst habe.“
Hatte ich gerade eine Auswahl von besonders coolen Kids erwischt? Oder wieder eine linkspolitisch-korrekte Blase, eine Stimmung, die einige Kilometer weiter ganz anders aussehen könnte? Vielleicht. Gleichzeitig kann man popkulturellen Phänomenen wie Tavi Gavinson oder Emma Watson zutiefst dankbar sein, dass sie sich lautstark für eine neue Generation einsetzen, die Sexismus benennt, ihn bekämpfen will und viele Menschen erreicht – auch junge Männer. Als ich auf Nachfrage bekannte, dass wir auch Männer im Team haben, hörte ich ein erleichtertes Seufzen im Raum. Darin schienen sich alle einig: Die müsse man mitnehmen, wenn sich etwas ändern soll.
Wie wenig 17-Jährige dann doch rumgekommen sind, merkte ich nur im Abschlussstatement von Klara: „Müssen wir denn noch Vielfalt in der Werbung fordern, wenn wir eh alle wissen, dass Menschen nicht diskriminiert gehören?“ Schön wär’s, wenn wir das alle wüssten. Aber vielleicht wächst da ja eine Generation heran, in der es schon sehr viel selbstverständlicher ist. Das wäre echt „fly“. 😉 Sagt man das so?
Lieben Gruß! Eure Stevie