Der Lieferservice Call-a-Pizza ist der Langzeitpubertierende unter den Werbenden. Halbnackte Frauen neben Teigware sind sein Markenzeichen. Eines seiner Werbemotive wurde vom Deutschen Werberat schon 2014 gerügt mit der Begründung, die halbnackte Dame wirke, wie die Pizza, käuflich.
Das hat Call-a-Pizza jedoch auch in den letzten zwei Jahren nicht davon abgehalten, regelmäßig mit seinen Motiven in unserer Werbemelder*in zu landen: In den meisten Fällen aufgrund der „Suggestion sexueller Verfügbarkeit“, nicht anders als das gerüge Motiv von 2014.
Diese Woche ist eine neue Version dieser Blickfangwerbung Dauereinsendung in unserer Meldestelle: Das aktuelle „Grenzenlos lecker!“-Motiv. Eine leicht schwitzende, wenig bekleidete Frau streckt sich auf einem Doppelbett. Ihre prallen Brüste stecken in einem praktischen Tanktop, ihre straffen Arme und Beine zeigen jugendliche Fitness und ihre Jeans-Hotpants in Washed-Optik könnten Assoziationen mit handwerklicher Tätigkeit hervorrufen. Ein Hammer neben dem Bild wird es spätestens tun. Denn so wird es der Deutsche Werberat argumentieren: Die Dame könnte handwerklich tätig gewesen sein und einen unbändigen Hunger auf deftige Pizza verspüren. Dass sie dabei jugendlich sexy dargestellt ist, kann man dem Lieferservice nicht verbieten.
Genau hier, in dem Ringen nach Bewertung, werden wir machtlos gegen Sexismus. Dass Handwerkerinnen, auch Heim-Handwerkerinnen, selten mit lasziv geöffneten sondern eher zusammengepressten Lippen arbeiten ist hier kleinkariert wirkendes Detail. Tatsache ist: Unternehmen wie Media Markt, Call-a-Pizza und andere Wiederholungstäter aus der Werbebranche haben die Grenzen der Möglichkeiten, aufgrund von Sexismus gerügt zu werden, längst kapiert. Workarounds sind
- Lass den Spruch dazu weg! (Schreib nicht „Fernköstliche Versuchung“ an die Frau sondern „Grenzenlos lecker“ an die Pizza!)
- Wenn das nicht geht, nimm eine Celebrity und ein persönliches Zitat, das fällt unter §5GG (Meinungsfreiheit) wie im „#Männertage“-Fall von Media Markt 2018
- Mach es so zweideutig, dass „im Zweifel für die Angeklagten“ gilt, wie in der Fitness-Studio-Kamapgne, der zweiter Renner letzte Woche in der Werbemelder*in war: Denn ja, Paleo-Ernährung ist nach wie vor Trend und Frauen lechzen nach Eiweiß. (*Wüüüäääärgz.*)
Wie ihr seht, haben wir die zwei Aufreger der Woche trotzdem als sexistisch eingestuft, auch, wenn sie rechtlich vielleicht Grenzfälle sein würden, gäbe es tatsächlich eine Gesetzesnorm gegen Sexismus in der Werbung. Und damit wird es schwierig, da wir den Anspruch haben, bei Pinkstinks nach rechtlich realistischen Kriterien zu arbeiten. Da streiten auch wir hier im Büro und sind uns nicht immer einig: Klar finden wir alle die Werbung grauenhaft, aber dürfte bzw. würde man sie verbieten?
Gerade deshalb sind wir von unserer primären Forderung einer Gesetzesnorm sexistischer Werbung abgerückt (wobei wir sie nach wie vor als sinnvoll, aber nicht vorrangig erachten) und preferieren die Konzentration auf bundesweite Kampagnen, die Sexismus öffentlich sichtbar machen, ihn diskutieren und dagegen sensibilisieren. Es muss viel mehr Gespräche mit Werbetreibenden über die diskriminierende Wirkung ihrer Werbung geben – mit Zitat oder ohne, „gerade noch im rechtlichen Rahmen“ oder nicht. Dafür brauchen wir öffentliche Gelder und eine Politik, die sich das traut. Deshalb sprechen wir mit Politiker*innen und Verbänden, Gleichstellungsstellen und Werbebranche. Deshalb zeigen und diskutieren wir Beispiele sexistischer Werbung hier im Blog. Und je dieser Beispiele in unserer Werbemelder*in landen, desto mehr können wir Deutschlands Sexismus sichtbar machen. Deshalb: Holt euch die hübsch überarbeitete Meldestelle auf euer Handy und macht mit. Danke!