Die Mantren der Werber*innen

 

Liebe Werber*innen,

wir nerven euch jetzt seit zwei Jahren. In unseren regelmäßigen Gesprächen und Auseinandersetzungen haben wir uns ein bisschen kennen gelernt. Wir führen für euch eine „Stellvertreterdebatte“, weil nicht ihr, sondern die Gesellschaft an den gängigen Sexismen schuld ist. Und ihr seid immer noch ein Faszinosum für uns: Wir steigen da nicht ganz durch. Ihr seid Strategen und Strateginnen! Ihr versteht was von Psychologie! Manche von euch haben sich im Studium durch empirische Forschung gequält! Selbst die, die durch Kaffeekochen oder gute Kontakte in der Werbung gelandet sind, sind dort, weil sie witzig sind, schnell Sprüche klopfen oder gut rechnen können. Es ist also mitnichten so, dass ihr nichts drauf habt.

Gerade deshalb verwundert eure Hörigkeit. Ihr klingt wie Mitglieder einer Sekte, die euch geläutert hat, und eure Mantren klingen verjährt. Als würdet ihr, während ihr zur Arbeit fahrt, die alten Sätze auswendig lernen, jeden Morgen neu, damit der Zweifel daran sich nicht festsetzt. „Werbung würde doch nichts darstellen, was nicht gut für Menschen ist! Das würde sich doch nicht verkaufen.“ oder „Endlich geben wir Mädchen, was sie wollen: Lillifee, zum Beispiel!“ So sagt Benedikt Holtappels z.B., Kolumnist von W&V und Geschäftsführer einer Hamburger Werbeagentur: „Ich habe viele kleine Mädchen mit Barbiepuppen und Prinzessin Lillifee aufwachsen sehen, die sich trotzdem zu großartigen, selbstbestimmten Wesen entwickelt haben. Schließlich tragen die Eltern die Verantwortung dafür, mit welchen Werten jemand aufwächst und nicht die Marketingindustrie.“ Sicher kennt auch Holtappels die Studien, die nachweisen, wie die überschlanken Puppen das Selbstbewusstsein von Kindern schädigen. Er kennt sicher auch das eine oder andere Elternteil, das sich um das Essverhalten oder die Topmodel-Begeisterung der Tochter sorgt. Es gehört nicht viel dazu, zu erkennen, dass dieser Beautystress nicht plötzlich beim GNTM-Schauen entsteht, sondern durch Gender-Marketing á la Lillifee und Barbie-Kindheit vorbereitet ist. Und selbst, wenn man sich täglich mit Gutverdiener*innen umgibt, wird man sich ausmalen können, dass nicht alle Eltern die Bildung, die Zeit oder die Kraft haben, ihre Kinder gegen die Übermacht der Medien, Peergroups und der Werbung stark zu machen. Denn was genau besagt seine Aussage? Vielleicht doch nur, dass man als Werber*in die besten Möglichkeiten hat, seinem Kind zu erklären, wie und aus welchen Gründen Werbung gemacht wird und es somit gegen die omnipotenten Bilder zu stärken. Der Rest ist oft hilflos, wenn es darum geht, die Kinder gegen die Glossies resistent zu machen. Medienkritik in Bildungspläne einbauen? Im G-8-Chaos? Pffft.

Auch diese Werbung schiebt den Eltern die Schuld zu, wenn das Kind in der Pubertät vom Forscherdrang ablässt und statt dessen nur Beauty im Kopf hat.

Dabei war Pinkstinks UKs erster Erfolg, einen Spielzeugkatalog dazu zu bewegen, nicht neben jedem „Mädchenprodukt“ das Wort „hübsch“ zu schreiben. Nicht nur Vollzeitarbeitende Menschen wissen, dass der elterliche Einfluss auf die Kinder begrenzt ist. Andrea Wyssen von der Universität Freiburg forscht gerade, warum manche Menschen Werbemedien besser widerstehen können als andere. Ein Forschungsergebnis hat ihre Studie jedoch schon: Auch vermeintlich starke Frauen werden durch das, was sie sehen, verunsichert. Und verunsicherte Frauen kaufen mehr. Nicht weniger!

Als wir neulich bei einer Podiumsdiskussion versuchten zu erklären, wie die Werbung Frauen verunsichert, damit Geld macht und an der Entwicklung von mangelndem Selbstbewusstsein beteiligt ist, empörte sich eine Werbestrategin: „So ein Unsinn! Werbung ist der Spiegel der Gesellschaft, nicht umgekehrt! Ich habe das studiert!“

Unsere patriarchale Gesellschaft gibt es länger als die Werbung, das ist richtig. Dass Werbebilder staatlich geförderten Bestrebungen für Gleichberechtigung zuwider laufen, zeigen jedoch etliche Studien. Gerade deshalb muss insbesondere die Werbung reguliert werden, die starke und überholte Geschlechterstereotype reproduziert. Nach der Sommerpause stellen wir eine passende Gesetzesnorm vor und werden von Heiko Maas eine zügige Implementierung fordern. Mit anderen Worten: Ab September werden wir noch nerviger. Und bleiben gerne mit euch im Gespräch.

Einen schönen Sommer wünschen

eure Stinker*s