Sie heißen Von Frau zu Frau, Mein Schicksal, Frau im Spiegel, Das Goldene Blatt oder Frau aktuell: Zeitschriften, die auf die Zielgruppe „Frau“ abzielen und dabei tief unter dem Radar von Konkurrenzprodukten wie Brigitte, Cosmopolitan oder Für Sie stattfinden. Also die Art Zeitschriften, die man zwangsläufig für eine Art Parallelwelt halten muss, weil sie ständig mit irgendwelchen obskuren Schwangerschaftsgerüchten und Babynachrichten aufmachen, obwohl die Verantwortlichen eigentlich mal zugesagt haben, so etwas nicht (mehr) zu tun.
Lebensrealitäten im Jahr 2022
Bemerkenswert an diesen Zeitschriften ist die Frage, ob sie einer Parallelwelt angehören oder ob nicht vielmehr wir Teil einer Parallelwelt sind. Denn die schiere Menge dieser Publikationen, die sich Monat für Monat und Woche für Woche immer noch verkaufen, lässt darauf schließen, dass die Wahrnehmung davon, was Lebenswirklichkeit und Emanzipation im Jahr 2022 bedeuten, weit auseinander gehen. Für manche kann es beispielsweise wichtig sein, mit Kerze, Minivase und gerichteter Frisur Eindruck zu schinden, weil frau „frisch aussehen und nicht abgekämpft wirken will“.
Oder dass es Dinge gibt, die Männer qua Geschlecht nie verstehen werden, obwohl sie faktisch überhaupt nichts mit dem Geschlecht zu tun haben.
Man kann auch 2022 weiterhin so tun, als hätte die MeToo-Debatte nicht stattgefunden und als wären wie auch immer geartete Interessensbekundungen eines Mannes an einer Frau das Beste, was ihr passieren kann.
Man kann weiterhin auf eine Mischung aus Rezepte und Diäten setzen. Auf Klatsch und Tratsch, gemischt mit Stylingtipps und einigermaßen befremdlichen Lebensführungstipps. Man kann auf einer Seite generische, nichts-sagende Weisheiten verdammen, …
… nur um eine Seite später eine Anhäufung von generischen, nichts-sagenden Weisheiten zum Thema Neuanfang zu bringen. Und vor allem scheint man sich darauf verlassen zu können, mit diesen Maschen bei Frauen immer noch Gehör zu finden.
Emanzipation steckt überall
Es wäre leicht, sich darüber lustig zu machen. Es wäre naheliegend, diese offensichtliche Sehnsucht nach angeblichen Informationen über Stars und Prominente als lächerlich abzutun. Es wäre einfach, diese Zielgruppe bei emanzipatorischen Kämpfen nicht miteinzubeziehen und so zu tun, als gäbe es all diese Frauen gar nicht oder als handelte es sich bei ihnen um eine sehr kleine Gruppe, die man vernachlässigen kann. Allerdings braucht man sich dann nicht zu wundern, dass Wahlen so ausgehen wie sie nun einmal ausgehen und bestimmte Ziele einfach nicht erreicht werden. Selbstverständlich darf und soll all das kritisiert werden. Das tut Pinkstinks immer wieder. Und wenn es dabei um abwertende Aussagen über Frauenkörper wie „Beulenpest und Schenkelschande“ geht, dann auch gerne mit aller gebotener Härte. Aber das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zielgruppe dieser Hefte auch Zielgruppe feministischer Emanzipationskämpfe sein kann und sein sollte. Es kann nur um Gleichzeitigkeit gehen. Um eine Vielzahl von Schritten, von denen sehr viele sehr klein ausfallen werden. Wenn „Curvy-Models“ wie Angelina Kirsch in der illu der Frau davon erzählen, dass sie alles an sich mögen und tragen, wonach immer ihnen ist, …
… dann wird das in progressiven Kreisen vermutlich nicht gerade einen „Wow, feministische Weltrevolution!“-Impuls auslösen. Das wäre auch maßlos übertrieben. Aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt an der richtigen Stelle, die für emanzipatorischen Wandel nun wirklich nicht gerade offen ist. Ein kleiner Schritt. Aber ein notwendiger.
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.
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Bildquelle: praetorianphoto/iStock