Achtung, dieser Text enthält von einer Hamburger Volksinitiative gegen das Gendern identifizierte „Propagandasprache“. Laut Initiatorin der Volksinitiative geht es beim Gendern nämlich um die „Propagandasprache eines radikal queerfeministischen Weltbilds“ und da bin ich doch dabei. Ich bin quasi wie Beetlejuice. Wenn man dreimal nacheinander wahlweise „Gender-Unfug“, „Sprachpanscherei“, „Genderwahn“ oder „Sprachpolizei“ sagt, erscheine ich in schriftlicher Form und fange an zu stänkern. Minuspunkte gibt es für ausgelutschte, schlechte Witze über „HähnchenInnenSchenkel“ (an dieser Stelle bitte ein augenrollenden Smiley einfügen), die aber anscheinend immer noch sehr viele Leute für unfassbar lustig und innovativ halten. FahrzeugInnenraum, verstehste. So witzig einfach, kaum zum Aushalten.
Jedenfalls ist Gendern ganz böse. Falsch, fake, furchtbar. Macht man nicht. Findet jedenfalls Sabine Mertens, die besagte Volksinitiative ins Leben gerufen hat und zugleich Vorstandsmitglied vom „Verein Deutsche Sprache“ ist, der das natürlich ebenso findet. Auch in der Hamburger CDU ist man von dem Vorstoß begeistert. So lässt ihr Landesvorsitzender wissen: „Gender-Sprache liegt ein Weltbild zugrunde, das die Gesellschaft nicht als Ganzes sieht, sondern sie nach Geschlechtern, sexuellen Orientierungen und weiteren Merkmalen in Gruppen einteilt.“
Das Problem an dieser und ähnlichen Aussagen ist nicht die Kritik am Gendern. Gendern, und das scheinen Kritiker*innen gerne zu vergessen, ist kein Selbstzweck und darf kritisiert werden. Gerne auch robust und hart. Vielleicht gibt es ja Verbesserungsmöglichkeiten oder gar sinnvollere Alternativen. Befürworter*innen einer geschlechtersensiblen, inklusiveren Sprache, haben sich nicht irgendwann zusammengesetzt und überlegt, wie sie aus Langeweile die schwierige und sperrige deutsche Sprache noch schwieriger und sperriger machen können. Stattdessen geht es darum, den Status Quo zu verbessern. Und damit sind wir beim eigentlichen Problem.
Das, was der CDU-Politiker Christoph Ploß hier als „Ganzes“ bezeichnet, meint eigentlich nur ihn und seinesgleichen. (Mittel)alte, weiße Männer, die es gerne wie früher hätten, als sich alles noch ausschließlich nach ihnen gerichtet hat. Wenn Frauen sich ebenfalls vor diesen Karren spannen lassen, umso besser für diese Männer: Früher war doch alles viel inklusiver und alle mitgemeint. Nur stimmt das eben nicht. Gendern nimmt keine Einteilungen vor, sie trägt lediglich den Einteilungen Rechnung, die bereits bestehen. Und zwar mit Blick auf die marginalisierten Gruppen, die politisch, ökonomisch, rechtlich und sprachlich viel zu lang außen vor gelassen wurden. Die „Propaganda“ des Genderns besteht darin, Menschen sprachlich zu berücksichtigen, die bislang weggeredet, unsichtbar gemacht oder für nicht existent erklärt wurden. Gendern ist seiner Intention nach zunächst einmal niemals „Sprachverhunzung“, sondern eine Respektsbekundung. Diese Intention in Abrede zu stellen, ist intellektuell zutiefst unredlich und einer ernsthaften Debatte über das Gendern unwürdig. Sie unterbindet einen produktiven Austausch darüber, wie diskriminierungssensible Sprache gestaltet werden kann, dass sie gut nutzbar und verständlich ist. Positivbeispiel dafür gibt es.
In Schweden zum Beispiel, wo der Sprachwissenschaftler Rolf Dunås in den 1960ern einen Artikel über die Notwendigkeit eines geschlechtsneutralen Pronomens verfasste. Das kleine Wörtchen hen, das er als Ergänzung zu han (männlich) und hon (weiblich) vorschlug, wurde zunächst nur in akademischen und queerfeministischen Kreisen besprochen und benutzt. 2012 erschien es dann als ausschließliches Pronomen in dem schwedischen Kinderbuch Kivi & Monsterhund und entfachte eine landesweite Debatte – ganz ähnlich den unseren: Ja, nein, Fortschritt, Untergang des Abendlandes, lasst uns das auf gar keinen Fall benutzen, lasst uns das nur noch benutzen. Mittlerweile ist hen nicht mehr wegzudenken und verändert die Einstellungen der Menschen, die es benutzen, zum Positiven.
Ob und wenn ja wie Gendern in Deutschland dieses Potenzial hat und entfalten könnte, ist eine Debatte, zu der wir leider kaum kommen, weil Gendern immer wieder als Kampfbegriff und Feindbild in den Abwehr- und Rückabwicklungskämpfen um emanzipatorische Errungenschaften benutzt wird. Es geht nie darum, was Gendern leisten und bedeuten kann. Es geht immer nur darum, warum es nicht sein darf und wen es belästigt.
Wie gesagt: Gendern kann durchaus lästig sein. Man kann es auch lassen. Insbesondere wenn man eine bessere Alternative parat hat, als immer nur vor der bösen, bösen „Sprachpolizei“ zu warnen.
Denn die eigentliche Sprachpolizei sind diejenigen, die einen Besitz- und Reinheitsanspruch auf „ihre“ Sprache vertreten, während sich andere einfach nur darum bemühen, sich mehr in dieser, in ihrer Sprache beheimaten zu können. Die eigentliche Sprachpolizei fordert gerade in Gestalt des CDU-Generalsekretärs Mario Czaja eine „Deutsch-Pflicht auf deutschen Schulhöfen“, weil „in den Schulen konsequent darauf geachtet werden müsse, dass die Kinder Deutsch sprechen“. Da ist es wieder, das „Ganze“ als das die CDU die Gesellschaft sieht. Also sich. Ich freue mich jedenfalls schon auf die Sprach-Sheriffs der Freiheitspartei CDU, die auf Schulhöfen eingesetzt werden, um zu überprüfen, in welchen Sprachen Kinder miteinander sprechen.
In Germany we don’t say „We should recognise and value people and their languages in our country“, we say „Es geht nicht, dass auf den Schulhöfen andere Sprachen als Deutsch gesprochen werden.“ and I think that’s racist.
In diesem Sinne Tatütata and against the real Sprachpolizei please stand up. Außerdem many Anglizismen-Grüße an die very German Sprachpurist*innen vom Verein Deutsche Sprache. Das habt ihr jetzt davon. Falls ihr eure intellektuelle Unredlichkeit irgendwann aufgebt und ernsthaft über das Gendern reden wollt, packe ich meinen Spott ein und bin zur Stelle.
Bis dahin aber, um mit Reyhan Şahin zu beschließen, die alle hier Angesprochenen dringend lesen sollten:
Yalla, Feminismus!
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen bzw. Männern und Jungs sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich und männlich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich” oder „männlich” benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.
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Bildquelle: unsplash: Max Fleischmann