Dürfen wir mal anfassen?!

Manchmal fällt mir an einer Einzelwerbung auf, dass ich strukturell schon seit längerem ein Problem mit einer bestimmten Entwicklung habe. In diesem Fall entzündet sich mein Unbehagen an der neuen Werbung für Replay Jeans.  Der Claim lautet Touch It: Fass es an, berühre es! Was denn genau? Die Hose? Oder nicht doch vielmehr die Models, die die Ware oberkörperfrei zu präsentieren hat?!

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Zuerst dachte ich noch, dass sei lediglich die leider handelsübliche sexualisierte Form von Werbung für Bekleidung, aber dieses Touch It hat mich nicht losgelassen.

Ich kann zwar auf der einen Seite die Begeisterung der Werbebranche für das Anfassen nachvollziehen. Sie will mit und für Kund*innen ja genau das erreichen. Deswegen werden immer mehr Produkte gefühlt, empfunden, gespürt und erfahren.

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Werbung muss zum Anfassen sein.

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Auf der anderen Seite ist diese merkwürdige Aufforderungseinladung, Frauenkörper anzufassen ein eigenständiges Phänomen sexistischer Werbung, das weit über das allgemeine Bestreben, Produkte der Kundschaft näherzubringen, hinausgeht. Werbung scheint grundsätzlich die Frage zu stellen, ob sie mal anfassen darf, und die Antwort gleich mitzuliefern: Aber selbstverständlich.

Gerne wird dabei mit einem übertragenen Sinn gearbeitet: Wir meinen nicht wirklich Anfassen, zeigen aber genau das.

anfassen

Manche bringen mit angetäuschter Doppeldeutigkeit das zum Ausdruck, was sie eindeutig mit gemeint haben wollen.

anpacken

Oder sie inszenieren irgendwelche Gerätschaften und verstecken sich hinter der Schutzbehauptung, dass das Gegenteil vom Gezeigten gemeint wäre.

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All diesen Beispielen ist wie dem inzwischen notorisch bekannten Lidl Bierfass die Übegriffigkeit gemein.

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Dieses „Höhö, ist doch witzig gemeint, das müsst ihr schon aushalten.“ Wieso eigentlich? Wieso muss in einem Werbeclip für ein Produkt wie Haarwachs, bei dem man durchaus argumentieren kann, dass Berührung eine zentrale Rolle spielt, eine Frau festgehalten werden?

https://www.youtube.com/watch?v=dhszH5h9QfQ

Weshalb müssen bei einem Produkt, das auf Berührung reagiert, unbedingt Frauen zu Objekten gemacht werden, die man antatschen darf?

Und warum stören sich so wenige daran, dass diese Vorgehensweise auch nicht davor halt macht, Frauenkörper zu deformieren und sie zu entmenschlichen?

ps-vita

Frauen, so scheint es, sind in der Werbung nach wie vor und immer wieder das antatschbare Geschlecht. Das Geschlecht, das für eine billige Pointe oder einen kaum bis gar nicht vorhandenen Zusammenhang angefasst wird. Gerade ein Medium wie Werbung, das so sehr darauf angewiesen ist, Menschen zu berühren, sollte auf solche Übergiffigkeiten tunlichst verzichten.