#EhefürAlle oder Ehe für Niemanden?

Gestern war Internationaler Tag gegen Homo- & Transphobie und ich bin immer noch nicht verheiratet. Das klingt zunächst einmal wie zwei Dinge, die überhaupt nicht zusammengehören. Tatsächlich sind sie aber eng miteinander verknüpft. Denn obwohl ich seit knapp 20 Jahren das Recht hätte, meine heterosexuelle Beziehung mit einem Trauschein zu besiegeln, Steuervorteile zu genießen und meine Verantwortlichkeit meinen Kindern gegenüber nicht mehr einzeln belegen und dokumentieren zu müssen, tue ich es nicht. Das hat nichts damit zu tun, dass mir die Ehe „irgendwie zu fest“ wäre. Wem wollte ich damit was vormachen: Ich kenn meine Partnerin von klein auf, zusammen haben wir bald vier Kinder. Es wird also wohl was Ernstes sein. Ich hab auch nichts gegen eine Feier mit lieben Menschen und dem gegenseitigen Versprechen, alles mir Mögliche zu tun, damit diese Beziehung weiterhin gelingt. Ich muss mir dafür als Atheist nicht einmal eine Kirche von innen angucken. Trotzdem will ich (noch) nicht und zwar aus einem ganz simplen Grund:

Es fühlt sich einfach beschissen an, für sich ein Recht in Anspruch zu nehmen, das man anderen vorenthält.

Ja genau. Ich spreche von der Ehe für Alle.

Also von der Tatsache, dass sich die CDU als einzige im Bundestag vertretene Partei sich gegen die vollständige Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sperrt, obwohl das Bundesverfassungsgericht seit nunmehr über 10 Jahren in einem Urteil nach dem anderen klarstellt, dass eine diesbezügliche Diskriminierung von Schwulen und Lesben vom Grundgesetz nicht gedeckt ist. Es gibt kein Abstandsgebot, es gibt keine begründeten Einwände wegen des Kindeswohls, die etwas anderes sind als verschleierte, dumpfe Homophobie, und was Gott davon angeblich hält oder nicht, ist bei dieser bürgerlichen Rechtsinstitution wirklich nicht von Interesse. Das die katholische Kirche Schwule und Lesben nicht verheiraten will, mag mir und vielen anderen nicht passen, ist aber ihr gutes Recht. Dafür hat sie sich aber gefälligst auch nicht einzumischen, wenn der Staat seiner Pflicht nachkommt, Bürger*innen zu entdiskriminieren und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Zumal das erzkatholische Länder wie Spanien und Irland auch schon geschafft haben. Deshalb haben wir den gestrigen Tag wieder einmal dazu genutzt, daran zu erinnern, was die Regierung noch schuldig ist.

Prompt wurden wir auf Twitter darauf hingewiesen, dass wir doch die seien, die Ehe für irgendwie spießbürgerlich und anrüchig hielten. Ein interessanter Punkt, der auch in der allgemeinen Debatte um die Ehe für Alle eine wichtige Rolle spielt. Braucht es überhaupt eine Ehe und die damit verbundene Privilegierung? Wäre es nicht angebracht, das ganze Konstrukt abzuschaffen? Darüber kann und sollte man angesichts des heteronormativen Charakters, den die Ehe und ganz besonders das Einlaufen in den ehelichen Hafen haben, diskutieren. Der bleibt nämlich bestehen und macht unter anderem ja den großen Reiz der Ehe aus. Der mit dem Verlobungsring garnierte Heiratsantrag zum Beispiel dreht sich um einen sexistischen Kern, ganz besonders wenn er öffentlich ist. Manche argumentieren sogar, dass er Rape Culture inszeniert und bestärkt.

JewelryAuch die Frage, was von den hart erstrittenen schwul-lesbischen Subkulturen übrig bleibt, wenn plötzlich alles in diese Bürgerlichkeit münden soll, ist mehr als berechtigt.

Trotzdem bleibt es bei der Forderung nach der Ehe für Alle. Man kann sich nicht vor der Verantwortung davor drücken, dass man Teilen der Bevölkerung ihr Recht vorenthalten hat, indem man es einfach abschafft. So billig sollten Politik und Gesellschaft nicht davon kommen. Erst wenn die viel zu lange Ausgegrenzten die Wahl haben, ob sie Ehe wollen oder nicht, kann (nur mit ihnen und nicht schnell noch über ihre Köpfe hinweg) darüber entschieden, ob diese Form der staatlichen Privilegierung überhaupt angebracht ist. Alles andere wäre nur noch ein Schlag mehr ins Gesicht derer, die wir viel zu lange herabgewürdigt haben, um unsere eigene, sorgfältig abgegrenzte Existenz zu stabilisieren. Gerade weil wir Bürgerlichkeit immer auf Kosten anderer gelebt haben, sollten wir uns nicht aus der Verantwortung dafür winden, indem wir ein Teil dieser Bürgerlichkeit kurzerhand für nichtig erklären, um sie nicht noch für andere öffnen zu müssen.

Vorerst also keine Ehe für mich. Eine rein persönliche Entscheidung, mit der ich niemanden zu irgendwas auffordern oder um Solidarität bitten möchte. Ich will das nicht, weil meine Kanzlerin „sich schwer tut“.

Weil ich einen Diskriminierungstatbestand nicht affirmieren will. Weil unsere politische Führung sich in dieser Frage seit Jahren unsagbar peinlich und kleinlich verhält Und ja, auch weil ich es mir finanziell (noch) leisten kann. Ich rechne damit, dass das bald anders wird. Dass in naher Zukunft auch die letzten Reste eines illegitimen Abstandsgebotes fallen.

Mal sehen, was dann passiert. Die Kinder wären jedenfalls begeistert. Vielleicht wird es ja am Ende sogar ein weißes Kleid. Und wer weiß: Womöglich zieht sich meine Partnerin auch was Hübsches an.