Ein Arsch ist ein Arsch ist ein Arsch.

Es gab früher so eine Mädchenclique in meiner Schule. Ging ich an ihnen vorbei, tuschelten sie sich wie im Highschoolfilm zusammen, und, obwohl sie flüsterten, wusste ich genau, wie sie mich nannten: Lockenpony. Eigentlich wollten sie sich gar nicht über meine Frisur lustig machen. Eigentlich waren sie wütend, weil ein Typ, für den eines dieser Mädchen schwärmte, in mich verliebt war. Und obwohl ich das wusste, dachte ich trotzdem, sie hassten mich, weil ich weniger reich und vor allem viel hässlicher war als sie.

Im Laufe meines Lebens wurden zahllose Kommentare über meinen Körper abgelassen. Sogar von meinen Kindern. Heute Morgen zum Beispiel sagte meine Tochter, dass meine Vulva wie ein Elefantenmund aussieht. Gut, das war vermutlich eher assoziativ als optisch, denn kurz zuvor hatte sie einen Teil ihres nackten Vaters mit einem anderen Teil des Elefantenkopfes verglichen (Tipp: es waren nicht die Ohren). Aber auch sonst nimmt sie kein Blatt vor den Mund, sie findet meine Falten groß, meine Haare klein, meinen Bauch dick und vieles mehr.

Leider perlen nicht alle dieser Kommentare an mir ab. Denn wie den meisten anderen wurde auch mir von überall das eine Schönheitsideal eingetrichtert, zusammen mit dem Schuldgefühl, diesem nicht zu entsprechen. Und wie bei den meisten anderen wurden auch meine Äußerlichkeiten von anderen runtergemacht und ausgelacht, die eigentlich was ganz anderes wollten, zum Beispiel sich auch mal groß und stark fühlen, oder, dass der Typ aus der Oberstufe in sie verliebt ist.

Bis ich das Prinzip so verstand, dass es mir nichts mehr anhaben konnte, verbrachte ich viel Lebenszeit damit, mich wegen irgendwas hässlich und schlecht zu finden. Und ich würde meine Ohren geben, um meinen Kindern diese beschissenen Selbstzerfleischgedanken von Anfang an zu ersparen (die passen laut eines Typen, dessen Namen ich vergessen habe, sowieso nicht zu meinem Gesicht). Ich will weder, dass meine Kinder sich wegen ihres Aussehens falsch fühlen, noch, dass sie das Aussehen anderer dafür benutzen, sich über sie lustig zu machen oder sich zu überhöhen. Bis jetzt klappt das ganz gut. Beide Kinder bestimmen ihr Aussehen selbst. Beide stellen neugierig fest, dass Menschen verschieden sind, ohne das zu bewerten. Wenn meine Tochter zum Beispiel meinen Bauch wackelt, dann will sie mir damit nicht sagen, dass ich mich seit ihrer Geburt aber ganz schön habe gehen lassen, sondern sie wackelt einfach nur meinen Bauch und findet, ich bin die Schönste. Oft guckt sie mich bewundernd an und sagt, dass sie später genauso aussehen will wie ich. Was sie damit meint ist, dass sie später sein will wie ich, und das ist im Gegensatz zu „Du hast aber toll abgenommen“ jawohl ein wirkliches, wunderbarstes Kompliment, oder?

Damit meine Kinder sich ihren offenen Blick und das bewertfreie Verhältnis zu Äußerlichkeiten so lange wie möglich bewahren, sind bei uns zum Beispiel Wörter, bei denen sich intouch-Lesende schockiert die Hand vor den Mund halten, frei von jeglichem Stigma. Dick oder schrumplig meint genau das und ist genau nicht gleichbedeutend mit hässlich oder schlecht. Ich finde das aus Prinzip super und im Alltag manchmal schwierig.

Denn die Menschen, an denen meine Tochter Winkarme oder große Warzen feststellt, rufen ja nicht begeistert: „Ach, bist du doch das Kind, dessen Mutter diesen Körperscheiss nicht mitmacht! Das finde ich toll, und dafür darfst du einmal meine Warze hupen.“ Nee, Menschen mit Glotzpotenzial-Äußerem haben wohl eher ausschließlich die Schnauze voll davon, ausgelacht, betuschelt oder angesprochen zu werden. Nur, wenn ich nach einem „Mama, der hat da aber eine dicke Warze“, mein Kind mit einem lauten PSSSST!!! wegziehe, würde es ja auch denken, Warzen seien etwas Schlimmes. Deshalb versuche ich, so souverän wie möglich zu bleiben und meinem Kind zu sagen, wie es ist: Ja, eine Warze. Manche haben welche, manch haben keine. Der Mann findet aber vermutlich doof, wenn du das laut sagst, weil es leider üblich und schäbig ist, das Aussehen von Menschen fürs Lustig- und Schlechtmachen zu benutzen. Dann berichte ich meine Lockenpony-Geschichte und sage was ich immer sage: Alle sehen aus, wie sie eben aussehen, aber nichts davon beschreibt ihren Wert als Mensch. Das macht nur ihr Verhalten. Oder anders: Du musst kein Arsch sein, nur weil du einen hast.