Eine Auseinandersetzung mit Männerhass

„Moah, das kann ja heiter werden!“, dachte ich augenrollend, als ich das erste Mal von Pauline Harmanges Buch „Ich hasse Männer“ gehört habe.

Denn schon die Publikationsgeschichte ist einigermaßen spektakulär und problematisch: Eine junge französische Autorin veröffentlicht einen Essay mit ziemlich radikalem Inhalt und noch radikalerem Titel bei einem Kleinverlag. Mit Ralph Zurmély entdeckt ein Mitarbeiter des französischen Ministeriums für Gleichstellung das Buch, beklagt sich zunächst beim Verlag und fordert wenig später unter Androhung einer saftigen Geldstrafe das Verbot des Buches. Der Verlag geht an die Öffentlichkeit, Zurmély bekräftigt seine Haltung, weil das Buch zu Diskriminierung und Gewalt gegen ein Geschlecht aufrufe. Im weiteren Verlauf distanziert sich das Ministerium von seinem Mitarbeiter, die erste Auflage ist schneller verkauft als das Feuilleton „männerfeindlich“ schreiben kann, ein größerer Verlag springt ein und schiebt unter anderem Übersetzungen in mehrere Sprachen an. Womit wir wieder bei „Moah, das kann ja heiter werden!“ sind. Denn auch wenn Harmange in ihrem Buch weniger dem Hass auf Männer frönt als dem bewussten Ausblenden männlicher Strukturen und Belange, um sich mit ihrer imaginierten und realen Leserinnenschaft endlich um die eigenen Belange kümmern zu können, geht es in ihrem Essay ziemlich zur Sache. Und man(n) kommt ein ums andere Mal nicht umhin, festzustellen: Das mag in seiner Überspitzung durchaus wichtige Dinge ansprechen, ist aber nicht hilfreich.

Nicht hilfreich, weil Gleichberechtigung ein Gemeinschaftsprojekt ist und sein sollte.
Nicht hilfreich, weil seit Jahr und Tag darum gerungen wird, Männern den Unterschied zwischen problematischen Männlichkeitskonzepten und Männern zu verdeutlichen. Ihnen also immer wieder zu versichern, dass es um Verhaltensweisen und nicht um ihre ganze Existenz geht.
Nicht hilfreich, weil sie zwar einleitend die Präzisierung „cis Männer mit entsprechender Sozialisation“ bemüht, das ganze aber eine bloße Floskel bleibt, die Fragen nach Intersektionalität und Mehrfachdiskriminierung einfach ausblendet.
Nicht hilfreich auch deshalb, weil die Autorin ihren eigenen Status als weiß gelesene Autorin und die damit verbundenen Privilegien nicht reflektiert.

Und auf ganz persönlicher Ebene nicht hilfreich, weil es mir meine Arbeit erschwert. Mein Schreiben an und mein Sprechen mit Männern, denen ich Gleichberechtigung schmackhaft machen und feministische Strategien als sinnvoll verkaufen will. „Ich hasse Männer“ ist Störfeuer für jemanden wie mich, der sich um einen intergeschlechtlichen Dialog bemüht, um Ausgleich und Einladung, um Angebote und den „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“.

Dieser Eindruck, dieser Unmut darüber, dass mir da ordentlich an die Kandarre gefahren wird, ist allerdings auch ein Indiz dafür, warum das Buch von Hermange (auch von Männern) mit großem Gewinn gelesen werden kann. Denn wieso sollte es dabei eigentlich um mich und das gehen, was ich will? Warum sollte dieses Buch meinen Projekten und meiner Vorstellung von Gleichberechtigung in die Hände spielen müssen? Weshalb sollte es meinem Anspruch genügen müssen, um Ausgleich statt um Konfrontation bemüht zu sein?

Harmange macht für ihre Misandrie, also ihre Männerfeindlichkeit, Notwehr geltend. Sie stellt fest, dass ihr und anderen Frauen von vornherein Männerfeindlichkeit unterstellt wird, wenn sie „die Macht der Männer hinterfragen und nicht grundsätzlich anziehend finden“. Um der Misandrie beschuldigt zu werden, reicht es also schon, als Frau nicht beeindruckt zu sein. Nicht mitmachen zu wollen, keine Maskulinitätsperfomance zu feiern, sich nur um den eigenen Kram und den anderer Frauen kümmern zu wollen. Harmange adaptiert Misandrie wie sie sagt als „Vorsichtsmaßnahme“ und „Schutzpanzer“. Sie weigert sich, von einer #notallmen-Ausnahme auszugehen und ersetzt sie durch ein „vorläufig alle“. Nachbar, Lehrer, ich, ihr Ehemann – einfach alle. Und stellt dabei die für sich entscheidenden Fragen:
„Was sind wir denn für Frauen, wenn wir uns dem Blick der Männer entziehen?“ Ist es angesichts der Tatsache, dass jede dritte Frau mindestens einmal von physischer und oder sexualisierter Gewalt betroffen ist, nicht sinnvoll, zu misstrauen? Und ist es angesichts der Dimension von Misogynie wirklich angebracht, sie mit Misandrie gleichzusetzen? Wenn dem so ist, wie lautet dann das Gegenstück zu Femizid?

Ich finde dieses Buch nicht hilfreich. Aber es ist auch nicht die Aufgabe dieses Buches, für mich hilfreich zu sein. Oder nett zu mir, inkludierend, zuvorkommend. Ich glaube, mit Männerhass kommen wir keinen Schritt weiter. Aber das Buch ist neben anderen Dingen auch eine guter Schuss vor den Bug, der daran erinnert, wer dieses wir eigentlich mit welchem Machtanspruch und welcher Legitimation konstruiert, und infrage stellt, wieso es überhaupt immer um dieses wir gehen muss – und nicht mal nur um sie.

Bild: Pinkstinks Germany e.V.

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