Ein Ende von Gewalt gegen Frauen beginnt bei Männern

Morgen ist Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Ursprünglich 1981 von Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen, wird der Tag seit 1999 auch als offizieller UN Tag begangen. Wie jedes Jahr, gibt es wieder Anlass genug sich genau mit diesem Tag zu befassen – auch und gerade als Mann.

Worum geht es?

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites und historisch sowie aktuell äußerst präsentes Phänomen. Frauen wurden und werden in verschiedensten Situationen, unterschiedlichsten Kontexten und Lebensstufen regelmäßig Ziel von Gewalt. Auch wenn die Zahlen von Land zu Land leicht variieren, so ist doch klar: In keinem Land der Welt sind Frauen und Mädchen vor Gewalt sicher. In Deutschland zum Beispiel schätzt die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes, dass rund jede siebte Frau im Leben sexuelle Gewalt erfährt. In der eigenen Beziehung steigt diese Zahl dann auf jede vierte Frau. Einfach nur eine Statistik? Um die Massivität des Problems zu verstehen, lohnt es sich, auf der Straße, im Freundeskreis, bei der Arbeit oder in der Fußgängerzone durchzuzählen: Jede siebte Frau war oder wird Ziel von Gewalt sein, jede vierte durch den aktuellen oder ehemaligen Partners.

Besonders die Gewalt durch den eigenen Partner ist erschütternd. Das geht soweit, dass im Durchschnitt jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner getötet wird. Das geht aus einer Untersuchung des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor. Das deutsche nationale Komitee von UN Women weist darauf hin, dass diese Form der Gewalt eindeutig nicht nur mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund oder sozialen Schicht zusammenhängt, sondern wirklich jede Frau treffen kann. Ein höchst alarmierender Zustand!

Gehört Gewalt gegen Männer oder Frauen nicht einfach zum menschlichen Alltag?

Natürlich werden auch Männer Ziel von Gewalt, werden ermordet oder verletzt. Es gibt aber Unterschiede. Gewalt gegen Frauen hingegen ist oft misogynistisch motiviert – Frauen werden also Ziel von Gewalt gerade aufgrund ihres Geschlechts.

Ganz besonders zeigt sich dies in Kriegssituation, in denen Vergewaltigungen in der Öffentlichkeit in der Regel als unschöne aber kaum vermeidbare Begleiterscheinung von Kampfhandlungen und bewaffneten Auseinandersetzungen gesehen werden. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass Vergewaltigung beileibe nicht nur eine Affekthandlung sexuell frustrierter Soldaten ist, sondern immer wieder auch als bewusstes und systematisches Mittel der Kriegsführung eingesetzt wird. Frauen werden also speziell wegen ihres Geschlechts ins Visier genommen und instrumentalisiert. Als japanische Truppen 1937 Nanking in China besetzten, wurden Massenvergewaltigung von zehntausenden (oder mehr) Frauen in so massiver Weise durchgeführt, dass die Besetzung heute als „Rape of Nanking“ bekannt ist. Bekannt ist auch der systematische Einsatz sexueller Gewalt während des Völkermords in Rwanda oder der Bosnienkriege in den 1990er Jahren. In beiden Fällen wurde Vergewaltigung als gezieltes Mittel der Demoralisierung, aber auch ethnischen Zerstörung eingesetzt. Gewalt gegen Frauen als Mittel zum Völkermord. Die unzähligen Fälle von Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg waren Anlass für die Leitung der Nürnberger Prozesse Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ächten.

Eine vergleichbare Situation, in der auch Männer speziell aufgrund ihres Geschlechts Opfer von Gewalt werden, gibt es in diesen Größenordnungen nicht. Im Gegenteil. Dass auch in Deutschland sexuelle Gewalt nur zu einem Prozent von Frauen ausgeübt wird, sie aber in fast allen Fälle Ziel der Gewalt sind, beweist die spezifische Wirkungsrichtung, in der Frauen nicht durch Zufall, sondern aufgrund ihres Geschlechts Ziel der Gewalt werden.

Wie die genannten Fälle zeigen, geht es bei Gewalt gegen Frauen auch oft nicht in erster Linie um sexuell motivierte Handlungen, sondern um Macht. Gewalt an Frauen wird verübt, um eigene Interessen durchzusetzen, Gegner im Krieg zu demoralisieren oder zu zerstören und immer wieder, um eigene Minderwertigkeitskomplexe zu überlagern und sich an einem Gefühl der Überlegenheit zu berauschen.

Was geht das Männer an?

Der Name dieses Tages ist in einer bestimmten Hinsicht unvollständig, da die Gewalt und ihr Ursprung nicht genannt werden. In vielerlei Hinsicht wäre es folgerichtig den 25. November den „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen DURCH MÄNNER“ zu benennen. Denn in 99 Prozent aller Fälle von sexueller Gewalt sind die Täter Männer.

Und damit geht gerade uns Männer dieser Tag explizit an. Verantwortlich für die Gewalt an Frauen sind nämlich nicht nur die Männer, die Taten verüben, sondern auch die vielen anderen: Männer, die nicht eingreifen. Männer, die zuschauen. Männer, die durch sexistische Witze eine sexistische Kultur am Leben erhalten. Männer, die von Vorfällen wissen, aber nichts unternehmen. Gewalt an Frauen beginnt als Gewalt und Erniedrigung in den Köpfen – meistens also in den Köpfen von Männern.

Was ist zu tun?

Nehmen wir uns den 25. November 2017 zum Anlass, um nicht nur zu gedenken oder entrüstet zu sein, sondern Veränderung anzustoßen. Da es bei Gewalt gegen Frauen in der Regel um Macht geht, müssen wir genau dort ansetzen und Veränderung in einer Kultur anstoßen, die nach wie vor Frauen viel zu häufig als passiv, unterlegen und minderwertig darstellt. Denn diese Kultur suggeriert, dass Machtausübung gegenüber Frauen, auch unter Einsatz von Gewalt, nicht nur in Ordnung, sondern berechtigt ist. Damit muss Schluss sein! Deshalb hier zum Abschluss eine ganz konkrete Checkliste, was Mann tun kann:

  • Frauen (und alle Menschen) mit Respekt behandeln
  • Keine physische Gewalt gegen Frauen ausüben.
  • Keine seelische Gewalt gegen Frauen ausüben.
  • Keine symbolische Gewalt gegen Frauen ausüben.
  • Verantwortungsvoll mit Machtgefällen umgehen.
  • Frauen ernstnehmen, die ihre Erfahrung mit (sexueller) Gewalt teilen.
  • Fälle von Gewalt aufdecken & Mittäterschaft beenden.
  • Kritisch und empört sein bei sexistischer Darstellung von Frauen in Medien, Online, Film & Fernsehen.
  • Auf Sprache achten, sexistische Floskel und Witze erkennen und ablegen.
  • Statistiken und Zahlen glauben.
  • Verschwörungstheorien entlarven. Nein, die allermeisten Frauen haben sich eine Vergewaltigung nicht ausgedacht!
  • Flirten erlaubt, sexuell belästigen nicht.
  • Mit Frauen über Gewalt und Sexismus sprechen und fragen, wie geholfen werden kann.