Dick. Fett. Fettfettfettfettfett. Es kommt immer noch einer Revolution gleich, den Begriff nicht als Wertung, sondern als Beschreibung zu benutzen. Als Adjektiv. Als bloßes Wort.
Solange es Pinkstinks gibt, tragen wir immer wieder Konflikte rund um den Begriff fett aus. Wir sind eine Organisation, die sich bewusst um eine Sprache bemüht, die weniger diskriminiert als unsere Alltagssprache. Wir versuchen inklusiv zu sein. Wir halten uns von abwertenden Begriffen fern. Wie kann es da sein, dass wir den Begriff fett nicht als diskriminierend oder abwertend identifizieren? Warum bestehen wir darauf, fett weiterhin zu verwenden? Dass viele Menschen hinter diesem Begriff ihren Fettenhass verstecken, ist schließlich ein Problem. Besagter Fettenhass ist allerdings das tatsächliche Problem, nicht das Wort selbst. Jungen werden auch mit dem Begriff schwul abgewertet, obwohl der Begriff einfach nur homosexuelle Männer bezeichnet und Homosexualität vollkommen unproblematisch ist. Homofeindlichkeit, Schwulenhass, die Abwertung von als weiblich identifiziertem Verhalten in Männern – das ist das eigentliche Problem, gegen das wir angehen müssen. Einfach nur schwul aus unserem Sprachgebrauch zu entfernen verunsichtbart homosexuelle Männer. Es tut so, als wäre Schwulsein irgendwie anrüchig, verboten, nicht sagbar. Mit fett funktioniert das ähnlich. Insbesondere bei Frauen.
Was bedeutet das?
Unsere Gesellschaft findet fette Frauen so unerhört, dass sie sie unsagbar macht. Die „Schatz, findest du, ich bin dick/fett geworden?!“-Klischee-Frage, die Frauen ihren Partnern in Filmen, Serien, aber auch im echten Leben stellen, lässt sich nur mit „Nein, natürlich nicht!“ beantworten, weil die Frage eine ganze Reihe fürchterlicher Dinge impliziert: Unattraktiv zu sein, faul, unsportlich, ungesund, unbegehrbar, unliebbar. Es ist dieses un-, mit dem fette Menschen zu Unmenschen deklassiert werden. Dieses un-, mit dem eine Firma für Sextoys vor einigen Jahren klargestellt hat, dass fette Frauen immer nur die falsche Entscheidung sein können, wenn es um Attraktivität, Lust und Sex geht.
Wenn Menschen als fett bezeichnet werden oder sich selbst als fett bezeichnen, dann spüren sie die ganze Last der Abwertungen und übergriffigen Zuschreibungen, mit denen dieser Begriff beschwert wird. Dass gerade Frauen fett als Unwort verstehen, als Zumutung und Vorwurf ist daher sehr nachvollziehbar. Allerdings wirft das die Frage auf, was wir stattdessen sagen sollten: Dick? Rundlich? Vollschlank? Beleibt? Groß? Stattlich (findet eher bei Männern Verwendung)? In den meisten Fällen dienen derlei Bezeichnung lediglich als Euphemismus für das Unsagbare. Fett. Fettfettfettfettfett. Diese Strategie führt leider auch bei eigentlich wohlmeinenden Personen dazu, dass sie fette Menschen abwerten, indem sie fett immer noch als furchtbar identifizieren. Aber dieser eine Mensch, der gerade gefragt hat, ob er zu fett sei, ist es natürlich nicht. Der sieht ja trotzdem noch gut aus. Solange es sich kaschieren lässt. So ist es auch zu erklären, dass in Kinderbüchern, die Mädchen dafür feiern und darin bestärken wollen, zu sein wie sie sind, ausgesprochen befremdliche „Zaubertricks für kleine rundliche Mädchen“ stehen.
Trag keine engen Sachen! Lass deine Pölsterchen schmelzen! Verzichte! Wirke länger! 10-12 Jahre sind laut Verlagsangabe die Mädchen der Zielgruppe und man möchte ihn und die Autorin fragen, was denn nun mit dem Glück ist, „man selbst zu sein und sich wohlzufühlen“. Das sind keine „Zaubertricks“. Das sind schlicht und ergreifend Konzessionen an die Schönheitsdiktate einer fettenfeindlichen Welt, der sich schon kleine Mädchen zu unterwerfen haben.
So kommen wir nicht weiter. Wir werden Fatshaming als Gesellschaft niemals in den Griff bekommen, wenn wir die angebliche Lösung sein soll, Betroffene immer nur auffordern, sich zu verunsichtbaren und zu schämen. Auch und schon gar nicht, wenn dieses Shaming als Empowerment verkauft wird. Die Diskriminierung von fetten Menschen wird nicht dadurch beendet, dass sie ihr Fettsein vor allen anderen zu verstecken haben oder gefälligst aufhören, fett zu sein. Und nichts wird besser durch die Tabuisierung des Begriffs fett.
Wir haben bei Pinkstinks in der Vergangenheit schon öfter über den Begriff „Plus-Size“ gesprochen der andeutet, dass die Größen, die nicht in der Werbung gezeigt und gefeiert werden, „zu viel“ sind. Schon durchschnittlich gewichtige Menschen erleben Diskriminierung in Mode, Marketing und Gesellschaft. Fette Frauen erleben diese potenziert. Warum? Weil das Patriarchat meint, Frauenkörper mit allen Mitteln regulieren zu dürfen und Vielfalt konsequent einschränkt und verhindert. Deshalb sollten wir aus dem Wort nicht mehr machen als es ist: Ein Adjektiv, eine Zuschreibung, die wir lässig und (selbst-)liebend verwenden können.
Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Ebenso verhält es sich in den meisten Fällen mit Jungen und Männern.
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