FAQ

Hier beantworten wir die häufigsten Fragen zur Gesetzesnorm. Um die Antwort zu sehe, klicke mit der linken Maustaste auf die entsprechende Frage.

Wollt Ihr jetzt H&M Dessous-Werbung verbieten?
Wenn sie diskriminierend ist, ja. Das kommt ganz auf die jeweilige Dessous-Werbung an. Die meiste Dessous-Werbung, die in den letzten Jahren in der Außenwerbung hing, ist von unserer Norm jedoch gar nicht betroffen.
Warum dürfen Frauen nicht sexy sein?
Natürlich dürfen Frauen sexy sein. Männer übrigens auch. Die interessantere Frage ist: Warum müssen Frauen unbedingt sexy sein? Und: Bauen die Medien nicht einen Zwang zum Sexy-Sein auf und vermitteln ein Bild, dass Frau-Sein und Sexy-Sein gleichsetzt? Sexy-Sein wird damit zu einer weiblichen Eigenschaft gemacht. Autos (Seile, Baumaschinen, …) werden nicht mit halbnackten Männern beworben.
Ist das nicht lustfeindlich?
Gar nicht. Lust und einvernehmlicher Sex sind toll. Die Sexualisierung von Alltagsprodukten, die nichts, aber auch gar nichts mit Lust und Sex zu tun haben, ist es hingegen nicht. Ebenso wenig wie Diskriminierung.
Das hört sich sehr nach Zensur an!
Ist es aber nicht. Verbotene Zensur im Sinne des Grundgesetzes ist die sogenannte „Vorzensur“, also die Kontrolle von Medienerzeugnissen vor ihrer Veröffentlichung. Aufgrund der von uns vorgeschlagenen Norm erfolgt ein Vorgehen gegen Werbung erst nach der Veröffentlichung. Ein solches Vorgehen stellt keine Zensur im Sinne des Grundgesetzes dar. Vielmehr ist sie erlaubt und sogar geboten. Personen und Unternehmen können nachträglich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie bei ihren Äußerungen gegen Gesetze verstoßen. Unser Normvorschlag reiht sich ein in eine Reihe bereits bestehender Gesetze dieser Art. Medien, zumal Werbung, haben eine große Wirkung auf Rezipient*innen. Es ist daher wichtig, dass sie Grundrechte achten und gesellschaftlichen Bestrebungen (wie der Gleichstellung von Männern und Frauen) nicht entgegenwirken.
Aber Sex verkauft nun mal!
Ob und wie Dinge verkauft werden sollten hängt aber nicht allein davon ab, dass Menschen bereit sind, sie zu erwerben. Wenn nur die Nachfrage das Angebot und die entsprechende Vermarktung bestimmen würde, dürfte überhaupt nicht reguliert werden.
Die meisten Frauen haben kein Problem mit halbnackten Frauen in der Werbung. Wollt ihr die bevormunden?
Ist das so? Und wenn das so ist: Was ist mit den Frauen (und Männern), die ein Problem damit haben? Hinzu kommt: Die Normalität und das Alltägliche kritisch zu hinterfragen und nicht als gegeben und daher normal hinzunehmen, fällt schwer. Studien der Medienwirkungsforschung zeigen, dass Werbebilder Auswirkungen auf Einstellungen und das Körper- und Selbstbild haben. Dies passiert unterbewusst und auch bei jenen Menschen, die sich nicht an Werbebildern stören. Darüber hinaus ist erwiesen, dass Werbung das Selbstbewusstsein von Frauen beeinträchtigt. Und mangelndes Selbstbewusstsein wirkt sich auf die Bereiche aus, in denen Frauen diskriminiert werden. Dem müssen wir entgegen wirken.
Ihr wollt also Männern erzählen, was sie zu begehren haben?
Weit gefehlt. Stattdessen wehren wir uns dagegen, dass Werbung die immer gleichen Bilder dazu vorgibt, wie und was Frauen und Männer begehren. Wir haben nicht vor, das Begehren der Menschen neu zu besetzen. Wir arbeiten lediglich daran, es nicht von anderen eindimensional besetzen zu lassen. Werbung bildet gerade nicht die Vielfalt innerhalb der Gesellschaft (und der Geschlechtergruppen) ab. Das muss sie natürlich auch nicht. Aber sie sollte Geschlechtsrollenstereotype auch nicht verfestigen und damit den auf anderen gesellschaftlichen Feldern stattfindenden Bemühungen um Gleichberechtigung entgegenwirken.
Aber wenn diese Werbung geschlechtsdiskriminierend ist, kann man doch mit Bezug auf Art. 3 GG dagegen klagen? Wieso noch ein weiteres Gesetz?
Art. 3 Abs. 2 GG ist das grundrechtliche Gleichberechtigungsgebot. Aus ihm ergibt sich die Pflicht des Staates, die Gleichberechtigung der Geschlechter tatsächlich zu fördern. Adressat ist der Staat, nicht das einzelne werbende Unternehmen. Wir wollen auch kein neues Gesetz, sondern lediglich eine neue Norm innerhalb eines bestehenden Gesetzes, des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).
Warum Einbettung ins UWG?
Eine Einbettung des Schutzes vor geschlechtsdiskriminierender Werbung in das UWG ist sinnvoll, da sich das UWG schwerpunktmäßig mit der Regulierung von Werbung befasst. Es ermöglicht kollektiven Rechtsschutz und große Durchsetzungsschnelligkeit, bietet also gerade diejenigen Möglichkeiten, die für eine Regulierung geschlechtsdiskriminierender Werbung wünschenswert sind.
Warum konzentriert sich die Norm auf Frauen als diskriminiertes Geschlecht?
Tut sie nicht. Die Norm verbietet sämtliche Geschlechtsrollenstereotype, also auch solche, die auf Männer bezogen sind.

Wenn sich die Beispielsfallgruppen im Rahmen der Sexualisierung allein auf Frauen beziehen, so deshalb, weil es sich dabei gerade um einen weiblichen Geschlechtsrollenstereotyp handelt. Es sind Frauen, die auf einen Gegenstand zum sexuellen Gebrauch reduziert werden oder deren Wert allein anhand ihrer sexuellen Anziehung bestimmt wird.

Frauen dargestellt als Objekt sexueller Verfügbarkeit oder als rein dekoratives Objekt haben eine lange Tradition in der europäischen Kunst sowie in der Werbung. Diese Darstellung intensiviert das vorherrschende Geschlechterrollenbild das wir von Frauen haben und unterstützt seine negativen Konsequenzen.

Männerkörper werden sehr viel seltener sexualisiert und ohne Produktbezug dargestellt, meist nur, um eine sexistische Kampagne (z.B. “Fisch macht sexy”-Nordsee-Kampagne 2013) zu neutralisieren. Sexualisierung per se ist nicht verwerflich. Wenn sie jedoch ein Geschlechterklischee bestärkt, dass über Jahrhunderte die Diskriminierung von Frauen begünstigt hat, ist ihr entgegenzuwirken.

Steht Werbung nicht unter dem Schutz der Kunst- und Meinungsfreiheit?
Sie kann unter den Schutz der Kunst- oder Meinungsfreiheit fallen.

In den Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) fällt geschlechtsdiskriminierende Werbung dann, wenn sie eine wertende Aussage enthält, die nicht allein auf das Produkt bezogen ist (“Frauen mögen Shopping”). Eine solche wertende Gemeinaussage liegt nicht vor, wenn die Aussage allein auf das Produkt bezogen ist (“Das beste Angebot”, “Nur 3,99€”, “Wie wär´s mit etwas Frischem?”). Auch wenn Frauen in der sogenannten Blickfangwerbung als Dekorationsobjekte neben Produkten zu sehen sind, ist der Werbung in der Regel keine wertende Aussage zu entnehmen, so dass hier keine Meinungsäußerung im Sinne des Grundgesetzes vorliegt.

Fällt geschlechtsdiskriminierende Werbung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, so heißt das nicht, dass sie zwangsläufig erlaubt sein muss. Die Meinungsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährleistet, sie kann etwa zugunsten des Jugendschutzes (Art. 5 Abs. 2 GG) oder auch aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden. Aufgrund ihres besonderen, kommerziellen Charakters ist Werbung dabei einfacher einzuschränken als andere Meinungsäußerungen (etwa in der Presse oder an Stammtischen). Im Fall geschlechtsdiskriminierender Werbung überwiegt aufgrund der geringeren Schutzwürdigkeit geschlechtsdiskriminierender Werbung einerseits und der Gefährdungen für die tatsächliche Durchsetzung des Gleichberechtigungsgebots andererseits Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gegenüber Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Gebot der Meinungsfreiheit). Der Eingriff in die Meinungsfreiheit wird also durch das Gleichberechtigungsgebot gerechtfertigt.

Um in den Schutzbereich der Kunstfreiheit zu fallen, muss Werbung die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs erfüllen. Dies geschieht allerdings nur in Ausnahmefällen, wenn Werbung eine künstlerische Darstellung statt Produktanpreisung in den Vordergrund stellt. Ein Beispiel hierfür ist die Plakatierung schockierender Motive durch die Firma Benetton. Ohne ein bestimmtes Produkt zu bewerben und mit kaum erkennbarem Logo hat Benetton hier Bezug auf gesellschaftliche Debatten genommen und sich positioniert. Kunstfreiheit kann also in Einzelfällen für Werbung relevant sein, in der Regel jedoch nicht.

Ist die Norm mit dem Europarecht vereinbar?
Ein Vorgehen gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung ist mit europäischem Primärrecht vereinbar. Eine Norm, die geschlechtsdiskriminierender Wirtschaftswerbung entgegen wirkt, beeinträchtigt zumindest zum Teil die Warenverkehrsfreiheit. Ein solcher Eingriff wäre aber durch das in Art. 21 Abs. 1 GRCh normierte Diskriminierungsverbot gerechtfertigt.

Die Europäische Grundrechte-Charta bindet die Mitgliedsstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Europäisches Recht, insbesondere europäisches Sekundärrecht, das geschlechtsdiskriminierende Wirtschaftswerbung reguliert, existiert nicht.1 Auf ein deutsches Verbot geschlechtsdiskriminierender Wirtschaftswerbung sind die EU-Grundrechte daher nicht anwendbar.

Schließlich fällt der Schutz vor geschlechtsdiskriminierender Werbung auch nicht in den Anwendungsbereich der Europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie), weshalb die richtlinienkonforme Auslegung einer wertbezogenen Auslegung des UWG nicht entgegen steht. Grundsätzlich wird Diskriminierungsschutz auf europäischer Ebene sogar als Zweck des Lauterkeitsrechts und insbesondere auch als Interesse der Verbraucher*innen anerkannt.

Wie will Pinkstinks die Einbettung der Norm § 7a UWG erreichen?
Neben der Petition sammeln wir Unterstützer*innen unserer Kampagne #7aUWG – das können neben Organistionen und prominenten Personen auch Firmen sein, die die Norm als Selbstverpflichtung annehmen. Wir führen dazu Gespräche mit Organisationen und Industrie. Hauptsächlich sprechen wir mit den relevanten Politiker*innen und nutzen diese Legislaturperiode, um für das Problem zu sensibilisieren. Wir rechnen mit einer Thematisierung des Normvorschlags innerhalb der Parteien in der nächsten Legislaturperiode. In die Öffentlichkeit treten wir mit der Kampagne durch intensive Pressearbeit und medienaffine Aktionen – wie gehabt bei Pinkstinks. Über den Newsletter könnt ihr euch regelmäßig über unsere Arbeit informieren.
Seid ihr jetzt die Gender-Polizei?
Zuständig für die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter ist der Staat. Er ist nach Art. 3 Abs. 2 GG verpflichtet, die Geschlechter nicht nur formell (also in ihren Rechten) gleichzustellen, sondern auch in ihrer Lebenswirklichkeit. Wir zeigen auf, dass geschlechtsdiskriminierende Werbung geeignet ist, der Verwirklichung dieses Auftrages entgegen zu wirken, versuchen Rezipient*innen zu sensibilisieren, schlagen eine Norm vor und führen Gespräche mit dem Werberat. Erarbeitet wurde die Norm von einer Juristin1 im Rahmen ihrer Dissertation. Die Norm ist nicht Teil einer willkürlichen, moralistischen Debatte.
Wird der Werberat durch die Norm überflüssig?
Keinesfalls. Die unter der Beachtung der Grundrechte aller Beteiligten geschaffene Norm zieht nur eine rote Linie. Sie schafft eine Klagemöglichkeit für Verbraucherschutzverbände und ermöglicht es Unternehmen, gegeneinander vorzugehen. Die Werbeselbstkontrolle schöpft ihr bisheriges Potenzial noch nicht aus. Und auch ein ideal funktionierender Werberat kann die Erfüllung der staatlichen Schutzpflichten letztlich stets nur unterstützten, nicht aber vollständig ersetzen. Dies gilt schon aufgrund der Gefahr der potenziellen Parteilichkeit der die Entscheidung tragenden Personen, welche allesamt der Werbewirtschaft angehören und damit stets unter dem Verdacht stehen, Richter*innen in eigener Sache zu sein. Der Werberat kann aber letztlich sehr viel mehr erreichen als die Norm. Er kann deutlich früher als die Norm ansetzen und durch Hinweise und ausführliche Stellungnahmen direkt mit den Unternehmen arbeiten und auf die Einstellungen der entscheidenden Personen und auf ein vielfältigeres Menschenbild in der Werbung hinwirken.

Wenn es die Norm gibt, wird hoffentlich auch der Werberat auf die Durchsetzung der Fallbeispiele der Norm hinwirken, in dem er ihre Inhalte selbst als Kriterien annimmt.

Aber so viel Macht hat die Werbung doch gar nicht! Was soll diese Überregulierung?
Wenn dem wirklich so wäre, müsste sich der Gesetzgeber gar nicht um den Schutz von Marktteilnehmer*innen und Verbraucher*innen kümmern. Tut er aber – und zwar aus gutem Grund. Werbung geht es um die Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen. Deshalb darf sie zum Beispiel nicht behaupten, Rauchen sei nicht gesundheitsschädlich. Und deshalb sollte sie auch nicht ständig in Bild und Text behaupten dürfen, Frauen seien Blickfang- und Dekorationsobjekte.
Wollt ihr etwa eine Nacktheitsprohibition?
Das würde ja voraussetzen, dass wir allgemein etwas gegen Nacktheit haben. Dem ist aber nicht so. Dass man beispielsweise Dessous und Schwimmbäder nicht mit vollständig bekleideten Körpern bewirbt, macht durchaus Sinn. Wo es überhaupt keinen Sinn macht, zeigen unsere Negativbeispiele.
Lasst die Werber*innen doch einfach ihren Job machen!
Sehr gerne. Fußböden, Radiostationen und Reiseunternehmen mit (halb) nackten Körpern zu bewerben hat allerdings weniger etwas mit seinen Job machen zu tun als vielmehr mit Diskriminierung und Einfallslosigkeit.
Habt ihr wirklich nichts Besseres zu tun?
Klar – manchmal schon. Darüber hinaus ist uns für Vielfalt einsetzen und beispielsweise mit dieser Norm für Geschlechtergerechtigkeit sorgen jedoch genau unser Ding.