Feminismus als Life-Style-Angebot

Ich bin verwirrt. Suzie Grimes Darstellung ihrer Brust-OP liest sich nach etwas, was ich keiner Frau wünschen möchte, auch, wenn die Schmerzen jetzt vergessen sind und sie sich riesig über ihre hübschen neuen Brüste freut. Die Youtube-Feministin hat gerade ein wirklich grandioses Video zu Equal Pay mit dem Funk-Kanal „Jäger und Sammler“ aufgenommen

und ist eine der wenigen deutschen feministischen Youtube-Gesichter. Muss ich, wie die Vice mir vorschlägt, ihre Brust-OP dann auch als feministisch auffassen? Ist das zwingend? Darf ich das auch schade finden, weil ich mir Sorgen um das Plastik in ihrer Brust mache, und ihre Videos trotzdem feiern?

Viele Medien fragen gerade bei uns an, was Feminismus heute eigentlich ist. Ehrlich gesagt geht vieles gerade so schnell, dass wir selbst gerne Zeit hätten, uns eine Meinung zu bilden. Wie ist es zum Beispiel mit den neuen feministischen Angeboten von Gruner + Jahr: Das F-Mag z.B., das gerade als Pilotprojekt erschienen ist?

Sollen wir euch motivieren, jede*r eins zu kaufen, damit das Magazin weiter produziert werden kann? Auch, wenn diese Ausgabe mit G+J-Geld, also weitgehend aus Anzeigen finanziert wurden, die Produkte für die perfekte Frau und den perfekten Mann versprechen? Denn schaden kann das Heft selbst überhaupt nicht. Es ist inhaltlich nicht so ausführlich und kritisch wie das Missy Magazine, aber es redet über Dehnungsstreifen, zeigt, warum man als junger Mensch in die Politik sollte und erzählt, wie man netzfeministisch aktiv werden kann. Das Redaktionsteam fängt erst gerade an, wer weiß, was da noch so alles kommen könnte. Aber Gruner und Jahr und Feminismus? Wie bitte?

Und wie gehe ich mit der „Brigitte“ um (in der ich schon einmal schreiben durfte, was wir an dem Heft generell schwierig finden), die zum Weltfrauentag die Demonstrationen für eine Hashtag-Aktion kapern? Unter #pinkfirst riefen von Barbara Schöneberger bis Sahra Wagenknecht Prominente auf der Brigitte-Online-Seite dazu auf, auf die Straße zu gehen. Da sollten sie pinken Nagellack tragen und ein Selfie von sich auf Twitter posten um #pinkfirst auszurufen, was so viel heißen soll wie „Feminismus, jetzt!“, nur etwas netter. Zum Glück blieb die Aktion sehr klein, dachte ich, als ich merkte, dass nur die Protagonist*innen der Aktion untereinander zwitscherten.

Warum eigentlich? Sollte ich mich nicht freuen, wenn Feminismus jetzt Mainstream wird? Meine Kollginnen von StopBildSexism rügten mich ob meiner Skepsis, als wir uns am 7. März bei Manuela Schwesigs jährlicher Frauenveranstaltung in Berlin trafen und darüber diskutierten. Suzie Grime war übrigens auch da, mit Kamera – die radikal-freche-Gras-rauchende Rotzgöre in Sneakers und Jogginghose zwischen Unternehmerinnen im kleinen Schwarzen.

Ich hab ein bisschen die Übersicht verloren, muss ich zugeben. Auf einmal machen so viele im Feminismus, dass ich „Ho ho ho – momentmal!“ rufen möchte. Ich möchte das irgendwie sortiert bekommen, aber es geht alles so schnell. Brigitte, die keine Modestrecke über Größe 36 machen können, weil ihre Anzeigekunden keine größeren Größen erlauben, darf eine Feminismus-Aktion ausrufen? Brust-OPs sind, verdammt nochmal, eine persönliche Entscheidung, und wenn Gruner und Jahr ein feministisches Heft herausbringt, sollte ich mich freuen?

Wenn ich tief durchatme, weiß ich, dass ich das alles mit „Ja“ beantworten sollte. Vielleicht ist es mir manchmal einfach nur wichtig, innezuhalten und die Stirn runzeln zu dürfen. Ich habe nämlich auch gleichzeitig das Recht, zu hinterfragen. Ich darf „aber“ rufen und aufzeigen, wo etwas auch gleichzeitig Bauchschmerzen macht. Begrüßen, dass sich etwas bewegt, sollten wir aber, und zwar dringend. Solange noch nicht jeder Yuppie ein „Feminism“-T-Shirt trägt, so wie irgendwann Che Guevara T-Shirts nur noch Mode-Accessoires waren, sind wir auf der sicheren Seite. Denn davon, dass Feminismus wirklich cool ist – davon sind wir dann doch noch sehr weit entfernt. Also weiter, Gruner+Jahr, Glamour-Femis und Mützenstricker*innen…- es gibt noch viele Hashtags zu entwerfen, Moden mitzumachen und Trends zu entwickeln. Ran da!