Feminismus essen Kinder auf

DER Feminismus ist ja bekanntermaßen an so ziemlich allem schuld, was in dieser Welt schiefläuft. Sagt man(n) so. Zum Beispiel der österreichische Abgeordnete Marcus Franz, der Anfang diesen Jahres aus der ÖVP geworfen wurde, weil er in einem Text gemutmaßt hatte, Angela Merkel würde mit ihrer Flüchtlingspolitik ihre Kinderlosigkeit kompensieren. Gut, der Mann hält Pograpschen für ein adäquates Mittel zum Anflirten von Frauen und erzählt auch sonst jede Menge sexistischen Unfug, aber die „böser, böser Feminismus“ Karte zieht nicht nur er sondern viele andere auch – darum sollte man sich das Ganze einmal genauer anschauen. Dass der Feminismus nämlich auch und insbesondere die Familie™ zerstöre ist nicht nur seine Meinung. Auch wenn er sie besonders unterkomplex, misogyn und populistisch vorträgt.

Und wenn wir die Autorin Stefanie Sargnagel nicht sowieso schon feiern würden, müssten wir es spätestens nach diesem Statement tun.

Viel mehr lässt sich auf so eine plumpe Behauptung auch nicht entgegnen. Aber die Kinderlosigkeit wegen Feminismus Vorstellung existiert auch in weniger dumpfen Hüllen. Da heißt es dann, dass Feminismus sich nicht um Mutterschaft schere und kein Interesse an Angeboten für Mütter habe – auch und gerade von Frauen.  Den modernen Frauenbildern habe er nur ein modriges Klischee entgegenzusetzen: das der ungewaschenen, ungeschminkten, Mütter und Kinder verabscheuenden Frau. Angesichts von #regrettingmotherhood, Care Revolution und Magazinen für feministische Mutterschaft eine bemerkenswert kurzsichtige Einschätzung. Aber nehmen wir mal an, es wäre so. Deutschland hätte ein schwerwiegendes Problem mit der Geburtenrate und die Verantwortung dafür läge bei den Frauen, denen Emanzipation und Geschlechtergerechtigkeit wichtiger als Nachwuchs wären.

Zum einen hätten wir dann ein rassistisches und klassistisches Geburtenratenproblem. Denn was in der Vergangenheit hauptsächlich problematisiert wurde, ist die Fertilitätsrate von weißen mittel- bis oberschichtigen Biodeutschen. Daher auch die Freude, wenn die „riesige Kinderlosigkeit bei Akademikerinnen“ gestoppt wird. Und zum anderen hängen wir was Kinderfreundlichkeit, die faire Verteilung von Care-Tätigkeiten und Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbelangt zwischen den Stühlen. Es werden zwar Anreize gesetzt, gleichzeitig schiebt die Gesellschaft Alleinerziehenden die Arschkarte zu

oder denkt scheinheilig darüber nach, ob eine Führungskraft in Teilzeit überhaupt möglich ist. Wir sind auf halben Weg steckengeblieben. Zu den starren Rollenbildern der Vergangenheit mit ihrer Zwangsverteilung von Erwerbs- und Reproduktionsaufgaben können und wollen wir nicht zurück. Gleichzeitig sind wir weit von wirklicher Autonomie und Gleichberechtigung für Frauen entfernt. Anstatt wirklich an die neuralgischen Punkte zu gehen, wird Sigmar Gabriel hierzulande lieber als bester Vater der ganzen Welt gefeiert.

Mit Blick auf die Geburtenrate in anderen Ländern und die dortige Umsetzung von Geichberechtigungsbemühungen lässt sich feststellen, dass die feministische Revolution mitnichten ihre Kinder frisst. Stattdessen wird deutlich, dass so ein bisschen Feminismus eben nicht reicht. So ein bisschen an den Rollenbildern von vor 40 Jahren herumschrauben ist nicht genug. Es braucht gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze anstatt der immer noch vorherrschenden Meinung, man möge doch seine Elternbiographie bitte so gestalten, als hätte man keine Kinder. Dann klappt es auch mit der kinderfreundlichen Gesellschaft.