Feministische Blitze erschlagen Männer

Wir müssen mal wieder über männliche Privilegien reden. Beziehungsweise darüber, was eigentlich überhaupt keine Privilegien für Männer sind, und wer sie ihnen trotzdem oder womöglich genau deswegen aufbürdet. Findige Männer im Internet (wo sonst) haben nämlich herausgefunden, dass einige Aspekte im Leben von Männern gar nicht mal so angenehm sind und daran wahrscheinlich irgendwie auch der Feminismus schuld ist. Blitzeinschläge zum Beispiel. Statistiken belegen, dass seit Jahren überwiegend Männer Blitzen zum Opfer fallen.

https://twitter.com/hangrymastodon/status/1122903363056627712

So groß die Versuchung sein mag, sich über eine echte oder auch nur gespielte Empörung darüber lustig zu machen, so ernst ist die zugrundeliegende Anschuldigungswut und der Ärger darüber, was Feminismus und die emanzipatorischen Bemühungen (nicht nur) von Frauen in den letzten Jahrzehnten erreicht haben. Und deshalb möchte ich die heute in einigen Punkten abarbeiten. Der Anlass dafür ist ziemlich konkret: Im Zuge der Auseinandersetzung um den Werbespot von Edeka zum Muttertag meldeten sich zahlreiche Männer mit der Auffassung zu Wort, das sei ein feministischer Spot und da könne man ja sehen, wohin das mit dem Feminismus alles führen würde.

Ich fand das ziemlich sinnbefreit und habe das dementsprechend auch formuliert.

Und ich war bei weitem nicht die einzige Person.

Als Reaktion darauf kam viel Zuspruch aber auch eben wieder einiges von der „Jahaaa, da sieht man es mal wieder, Feminismus1!!11!!!“ Fraktion.

Aber wovon reden die eigentlich? Gehen wir die genannten Beispiele doch mal durch.

Feminismus hat weder Männer zum Wehrdienst verpflichtet noch zu irgendeinem Zeitpunkt die Geschlechtertrennung bei Kriegshandlungen verfügt. Die gab es schon lange bevor existierte Feminismus als politische Idee gab.

Feminismus ist auch nicht der Grund dafür, dass Männer im Schnitt 5 Jahre früher als Frauen sterben. Interessanterweise würde es mehr Sinn machen, ihn für eine längere Lebensdauer beider Geschlechter verantwortlich zu machen. Weil er zum einen Frauen zu ihren reproduktiven Rechten verhilft und damit das Gesundheitsrisiko Geburt verringert. Und weil er zum anderen dafür sorgt, dass Männer sich nicht länger qua Geschlecht dazu verpflichtet fühlen müssen, höhere Risiken einzugehen, medizinische Betreuung zu meiden und schlecht mit ihren Kräften zu haushalten. Alles Dinge, die einer langen Lebenserwartung nicht gerade zuträglich sind. In Ländern, in denen die Gleichberechtigung der Geschlechter ausgeprägt ist, schrumpft die Lebenserwartungsdifferenz daher deutlich.

Dieses Modell gilt für so ziemlich alles, was im Internet oder anderswo von Maskulinisten, Männerrechtlern etc. angeführt wird:

Selbstmorde, Arbeitsunfälle, von anderen Männern häufiger als Frauen ermordet zu werden – nichts davon wird durch feministische Forderungen nach Gleichberechtigung und Emanzipation bedingt. Noch nicht mal die Tatsache, dass Frauen im Scheidungsfall deutlich häufiger das Sorgerecht zugesprochen bekommen. Feminismus hat sich die Verklärung und Verpflichtung auf eine fürsorgliche, opferbereite Mutterliebe, der dann nach der Trennung aufgrund von Geschlecht die entsprechenden Kompetenzen zugesprochen werden, nicht ausgedacht.

Vielmehr versucht er Liebe und Verantwortung für Kinder aus der Geschlechterhaft zu befreien. Wenn überhaupt, dann ist Feminismus dafür verantwortlich, dass sich heutzutage mehr Frauen aus Beziehungen und Ehen lösen, die sie aus den verschiedensten Gründen nicht mehr wollen.

In diesem Sinne birgt auch die eingangs erwähnte Blitzeinschlagsstatistik kein Geheimnis. Keine feministische Weltverschwörung, kein männerhassenden Elektrizitätskonglomerat. Männer halten sich häufiger als Frauen im Freien auf, sind risikobereiter und wollen sich bei ihren Tätigkeiten nicht von Gewittern stören lassen. Tätigkeiten wie Fischen (95% Männer) und Golfen (knapp doppelt so viele Männer), die – wer hätte das gedacht – statistisch gesehen die Tätigkeiten sind, bei denen man am meisten Gefahr läuft, vom Blitz getroffen zu werden.

Männer müssen sich nicht für Feminismus begeistern. Wenn ihnen eine emanzipatorische Bewegung gelingt, die all die angesprochenen Probleme und noch viele weitere adressiert und ausräumt, ist das nur zu begrüßen. Feminismus hat für diese Probleme jedoch allerhand interessante Angebote. Und die anzunehmen wäre allemal besser, als mit dem Finger auf ernstgemeinte Lösungsvorschläge zu zeigen und sich aus Prinzip nicht an die eigene Nase zu fassen.

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