Am 11.03.2014 darf ich mit Sookee in Potsdam im Podium sitzen und darüber diskutieren, was „Frau“ im feministischen Protest heute noch bedeutet. Sookee ist weder Queen noch King, sie ist Quing. Und ich sehe mich keineswegs als Frau, wohl aber als Mensch und Feministin. Wenn wir Geschlecht diversifizieren, wie geht dann Feminismus?
Schauen wir uns erst mal an, wie Feminismus mit Frauen geht. Nehmen wir den Weltfrauentag. Bei der Frauen*kampftag-Demo in Berlin am 8. März 2014, bei der wir mit 4000 Menschen für Gleichberechtigung auf die Straßen gingen, liefen Prostitutionsgegner*innen und die Lobby der Sexarbeiter*innen nebeneinander. Ich folgere: Frauen haben nicht immer die gleiche Meinung, und mein Feminismus muss nicht dein Feminismus sein. Am 7. März war ich anlässlich des Weltfrauentages vom Hamburger Senat zu einem Empfang ins Hamburger Rathaus geladen. Dort saß ich, umgeben von Stuck, vergoldeten Leuchtern und Gemälden, die Hamburgs Pomp und patriarchaler Geschichte huldigten, und lauschte einer Soulsängerin, der uns mit Carol Kings Worten erklärte, wie „Beautiful“ wir seien. Schönheit, ein Frauenthema, natürlich. Anwesend waren Aktivistinnen, Sozialarbeiterinnen, Frauenrechtlerinnen, denen es eher darum geht, mehr Macht als Schönheit für Frauen zu erwirken. Danach folgte die Festrede: Eine Ansprache von der Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Brigitte. Ich überlegte, wie ich den Saal wieder verlassen oder meine Empörung ausdrücken konnte – nicht gegen Frau Huber oder die Brigitte, sondern der Tatsache, dass eine klassische Frauenzeitschrift gewählt wurde, um uns heute geladenen Gästen etwas zu sagen. Um zu hören, dass eine hohe Auflage nicht mit alternativen Frauenbildern oder feministischen Texten zu erzielen ist, hätte ich nicht ins Rathaus gehen müssen. Doch irgendwer im Senat hatte sich gedacht, dass „Frauen“, die zum Frauentag geladen werden, sich über dieses Programm freuen würden. Und es wurde auch stürmisch geklatscht. Ergo: Mein Frauentag muss nicht dein Frauentag sein.
Brigitte hat eine relativ hohe Auflage und spricht somit für eine große Breite an Frauen. Auch das ist Fakt. Dass es über der Hälfte von jungen Frauen (16-17-jährigen) nicht gut mit dem Frauenbild geht, das klassische Frauenzeitschriften verbreiten, auch. Das weiß auch Frau Huber, und deshalb bringt die Brigitte einerseits Diäten, andererseits Dossiers, die das Thema kritisch betrachten. Tatsache ist auch, dass die Brigitte-Diäten seit den 80er Jahren ein Renner sind. Weil unser generelles Frauenbild eins ist, dass nach wie vor „zart“ und „schlank“ und „nicht so stark wie Männer“ ausdrückt, aus vielen verschiedenen Gründen, die wir schon öfter thematisiert haben . Die Brigitte bewegt sich in einem Henne und Ei – Kreislauf, den sie alleine garantiert nicht zu brechen mag. Und trotzdem halten sich und wachsen diejenigen, die es versuchen: Das Missy Magazine, z.B. Wie das geht und weiter gehen kann wäre ein spannendes Thema für den Empfang gewesen.
Frauen als definierte Gruppe sind nach wie vor auch verletzlich und potentielle Ziele männlicher Aggression. Women in Exile, die am 7. März den Clara-Zetkin-Preis der Linkspartei verliehen bekamen (wir freuen uns!), sprechen sich gegen Lager für weibliche Flüchtlinge aus, weil sie dort eher sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind als wenn sie selbstbestimmt in Wohnungen wohnen könnten. Frauen erfahren mehr sexualisierte Gewalt als Männer. Das ist eine Tatsache, gegen die ich kämpfen kann, ob ich Mann bin oder Frau, trans- oder intersexuell. Frauen und als weiblich definierte Menschen geht es auch ökonomisch nach wie vor schlechter als Männern, das zeigen Zahlen und Statistiken. Sich für Gleichberechtigung einsetzen können wir alle. Auch wir waren für den Clara-Zetkin-Preis nominiert und wurden bei der Preisverleihung von unserem Freund Patrick Grünhag von der Grünen Jugend repräsentiert. Ob wir einen Mann zu einer Frauenpreis-Verleihung schicken dürfen? Wir durften.
Die unterschiedlichen Meinungen und Feminismen zeigen, dass Frauen nicht immer meinen Feminismus verkörpern. Manchmal ist Nils feministischer als ich, und manchmal möchte ich Nils mit einem „Das ist aber bei Frauen so!“ übertrumpfen und höre, dass Blanca oder Ingrid das ganz anders sehen. Trotzdem gibt es schon Hasslieder über uns im Netz von anderen Feminist*innen, die es unter anderem schlimm finden, dass Mann über Feminismus schreibt und dafür auch noch Raum bekommt. Ich folgere: Manche Feministinnen finden, dass Feminismus nur mit Frauen geht.
Darf ich dann Feministin sein, wenn ich die Zuschreibung an Frauen und Männer doof finde? Ich sehe, dass die Gruppe der Menschen, die als weiblich definiert wird nicht die gleichen Rechte wie Männer erfährt, und ich kämpfe für eine Welt, in der sie es tut. Ich glaube, dass das Ziel nur erreicht werden kann, in dem Männer weiblicher und Frauen männlicher werden dürfen, und wir irgendwann nicht nur die Angst vor diesen Vermischungen loslassen können, sondern die Kategorien selbst. Das ist kein Gleichmachen, sondern ein Vielmachen.
PS: Ja, ich bin für Quoten. Weil die Vielfalt erst mal über das gleichberechtigte Nebeneinander der künstlichen Gruppen gehen muss.
PPS: Ja, ich gehöre zu der als weiblich definierten Gruppe der Frauen. Das verneine ich nicht. Ich sehe nur, wie künstlich die ist. Hier wunderbar illustriert.
http://www.youtube.com/watch?v=4FeEMJ5QIIg&feature=youtu.be&fb_source=message