Frauen als Eigentum

Über sexualisierte Gewalt und Femizide, die in den Medien leider viel zu häufig als „Sex-Skandal“ oder „Beziehungsdrama“ verharmlost werden, berichten wir immer wieder. Der Grund dafür ist so einfach wie furchtbar: Es hört einfach nicht auf. Zwar haben die Vereinten Nationen vor einigen Jahren Femizide als globales Problem benannt und die Femicide Watch Initiative gegründet, aber dennoch passiert weltweit viel zu wenig. Selbst in Staaten, die diesbezüglich große rechtliche und politische Fortschritte gemacht haben, geht es mit der Ächtung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen, die Mann ihnen glaubt, antun zu dürfen, weil sie eben Frauen sind, nicht schnell genug voran. Von mangelnder Präventionsarbeit und knapper Finanzierung ganz zu schweigen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Kernproblem patriarchaler Übergriffigkeit und Gewalt seit Jahrhunderten etabliert, eingeübt schöngeredet wurde. Es ist stets dasselbe. Sexismus in der Werbung, Diskriminierung im Erwerbsleben, Catcalling, sexualisierte Gewalt, Recht auf Abtreibung, you name it: Im Kern geht es immer darum, dass Männer Frauen als ihr Eigentum betrachten.

Nun ist das problematische Besitzdenken von Männern mit Bezug auf Frauen wirklich keine neue Erkenntnis. Wir sind nicht die ersten und wir werden ganz sicher nicht die letzten sein, die das thematisieren. Es bedarf auch keiner umfangreichen Recherchearbeit, um herauszufinden, wie beispielsweise das Prinzip Frauen zu besitzbaren Objekten zu degradieren, um damit andere Objekte aufzuwerten funktioniert. Dieses Prinzip wird jeden Tag angewendet. Überall.

Trotzdem scheinen wir uns gesellschaftlich immer noch nicht ganz im Klaren darüber zu sein, was es bedeutet, wenn die eine Hälfte der Bevölkerung dauerhaft oder im Bedarfsfall Besitzanspruch auf die andere erhebt. Auf ihre Entscheidungen, ihr Aussehen, ihre Zeit, ihre Arbeitskraft, ihre Sexualität, ihren Uterus. Auf einfach alles. Das ist weder Fiktion noch Übertreibung. Es ist keine Zuspitzung, sondern ein zutiefst notwendiger Schritt, sich zu vergegenwärtigen, wie tief wir alle trotz geänderter Gesetzeslage, Aufklärung, Emanzipation und Fortschritt immer noch in diesen Vorstellungen stecken. Männer sagen „Das gehört mir“ und meinen „die“. Die gehört mir oder zumindest ein Teil von ihr. Ihre Aufmerksamkeit steht mir zu. Ihre Bewunderung hat mir sicher zu sein. Ihr Aussehen soll mir gefallen. Ihre Reproduktionsfähigkeit wird meinem Willen unterstellt. Frauen werden ständig zu Dingen objektifiziert, derer Mann habhaft werden will. Mit ganz konkreten Auswirkungen.

Im Zuge des Backlashs gegen feministische Ermächtigungsstrategien wird seit Jahren immer mehr auf die Behauptung gesetzt, Frauen würden übertreiben. Wir sind längst alle aufgeklärt, wir machen das gar nicht mehr, wir haben doch Gesetze dagegen, not all men etc. Tatsächlich wird untertrieben. Die Wirkmächtigkeit des Diktats der Verfügbarmachung von Frauen zum Eigentum von Männern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es ist das Fundament auf dem wir tagtäglich miteinander interagieren. Reden. Flirten. Verhandeln. Streiten. Es gibt keinen Bereich des zwischenmenschlichen Lebens, der nicht davon geprägt ist, dass Männer Besitzanspruch auf Frauen erheben. Deshalb ist es unumgänglich, neben allen spezifischen Lösungsangeboten auch immer dieses eine Grundproblem im Kopf zu behalten, um daran arbeiten zu können.

Und deshalb ist Intersektionalität von Feminismus auch unumgänglich. Die Degradierung von Mitmenschen zu Eigentum fand und findet nicht nur geschlechtsspezifisch statt. Sie spiegelt sich selbstverständlich auch in den kolonialistischen und alltagsrassistischen Ansprüchen weißer Mehrheitsgesellschaften auf rassifizierte Menschen wieder. Menschen zu objektifizieren, sie verfügbar, ja besitzbar zu machen ist eine zeitlose, immer wieder aufs neue mit den Mitteln der jeweiligen Gegenwart aktualisierte Vorgehensweise, der wir uns nicht entledigen können, wenn wir sie nicht aktiv entlernen.

Sie wird in unseren Geschichten erzählt, in unseren Religionen kodifiziert und von uns über Identitätszuschreibungen verkörpert.

Menschen können und dürfen andere Menschen nicht besitzen. Frauen stehen Männern nicht zu. Niemals. Zu keinem Zeitpunkt. Nur wenn wir immer wieder bei dieser scheinbar so trivialen Selbstverständlichkeit anfangen und alle darauf einschwören, wird Gleichberechtigung zum erreichbaren Ziel.

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen. Wenn wir die Adjektive „weiblich“ oder „männlich“ benutzen, beziehen wir uns ebenfalls auf die stereotypische gesellschaftliche Verwendung der Begriffe.

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Bildquelle: Unsplash / Everyday basics