Führende Bitches

 

Jetzt, wo Supermutti und Topmodel-Chefin Klum sich jeden Donnerstag wieder rührend um ihre „Mädels“ kümmert, ist eine gute Zeit, mal über Frauen in Führungspositionen zu reden. Da gibt es nämlich so ein paar Mythen, die uns ordentlich stinken.

Frauen sollen ja bekanntlich anders führen: Kommunikativer, nachhaltiger, vorsorgender. Gerade deshalb wird der Wirtschaft die soeben beschlossene Frauenquote gerne als Erfolgsfaktor verkauft – eine gemischte Leitung macht ein Unternehmen stärker! Win-win für alle! Dazu gibt es sogar Studien von McKinsey. In diesen Studien werden jedoch die vermeintlichen Eigenschaften der einzelnen „Diversity“-Faktoren (z.B. Frauen) gar nicht benannt. Es könnte doch sein – und ist ziemlich naheliegend – dass sich diskriminierten Gruppen zugehörige Menschen, die sich an die Spitze kämpfen, das mit der gleichen Zielstrebigkeit, Ausdauer und Durchsetzungskraft tun wie ihre männlichen Kollegen.

Damit lässt sich die Frauenquote allerdings gar nicht gut verkaufen. Dass sie überhaupt „verkauft“ werden muss, ärgert Genderbeauftragte genauso wie Genderforscherinnen, die von „angeborenen“ weiblichen (Führungs-)Eigenschaften nicht wirklich überzeugt sind – wohl aber davon, dass Frauen endlich mitbestimmen, die Gehaltsschere geschlossen werden und weibliche Arbeitslosigkeit und Armut passé sein sollten. Dass Frauen endlich wirtschaftliche und politische Macht mit Männern teilen, sollte ein selbstverständliches Recht sein, ohne dass wir argumentieren müssten, es generiere notwendigerweise Wachstum. Wenn wir diesem Recht Raum geben, können wir dann vielleicht aufhören, „das Weibliche“ als lukrative Marke aufzubauen?

Diese Frage beschäftigt mich, als ich im Januar in Hamburg in einer rein weiblichen Veranstaltung zu weiblichen Führungspositionen sitze – ich zähle zwei anwesende Männer. „Hamburgerinnen an der Spitze“ ist der Titel der Podiumsdiskussion. Die Chef-Controllerin von Unilever, Sybille Hartmann, ist am Reden. Sehr witzig kommentiert sie das Rabenmutter-Image, gegen das Frauen an der Spitze ankämpfen müssen. „Wenn mich männliche Kollegen anschuldigend fragten, wo ich denn tagsüber meine Kinder lasse, antwortete ich: ‚Im Keller! Eingesperrt! Und das glauben Sie jetzt auch noch, geben Sie es zu!'“ Der gesamte Saal lacht. Neben ihr sitzt Christina Block, Tochter des Unternehmers Eugen Block, der in Hamburg unter anderem die Block-House Kette und das Elysee Hotel besitzt. Die erzählt von ihrem harten Alltag als selbstständige Gastro-Unternehmerin und Beiratsmitglied in einem Firmenimperium mit 2000 Mitarbeiter*innen und rund 290 Millionen Euro Umsatz. Wie sie nebenbei noch ihre vier Kinder unterbringen, das Au-Pair-Mädchen anleiten und sich von der Klavierlehrerin erzählen lassen muss, dass sie doch bitte bei den Klavierstunden mal neben ihrem Kind sitzen und zuhören könnte. „Und das Schlimme: Es gibt diese Helikoptermütter wirklich, und zwar viele“, seufzt Block. Frauen wie sie seien noch viel zu selten. Das mache es schwer. „Was ich schaffe, das schafft kein Kerl. Aber mir wird ständig ein schlechtes Gewissen gemacht, gegen das ich ankämpfen muss.“

Während sie also aufzeigt, dass Heli-Mutti-Sein keine weibliche Grundeigenschaft ist, scheinen Multi-Tasking und rigide Organisation welche zu sein. Annette Bruhns, Spiegel-Ressortleiterin, ist alleinerziehende Mutter und erzählt als Nächste vom steinigen Weg nach oben. Trotzdem nimmt sie die Männer in Schutz. „In Norwegen klappt das doch auch“, sagt sie. „Mal ehrlich: Wir stellen uns doch auch gerne dumm an, wenn ein Kerl neben uns steht, der genauso gut die Glühbirne rein schrauben kann. Wenn wir müssen, schaffen wir das aber hervorragend. Jeder Mann kann gut auf die Kinder aufpassen, wenn die Mutter nun mal länger arbeiten muss.“ Nach einigen Zoten und Lacher auf Männerkosten atme ich auf, dass Annette Bruhns das dümmliche (Männer-)Bild zurecht rückt, das die Wirtschaftsfrauen im Podium zeichnen.

Ich lebe in einer Welt, in der viele Freund*innen ihren Alltag gleichberechtigt organisieren. Bei manchen arbeiten die Mütter mehr, bei manchen die andere Hälfte des Elterngespanns. Wenn die Mütter mehr arbeiten, ist es keine Frage, dass der Vater oder eine andere Person mit den Kindern zum Arzt oder neue Jeans einkaufen geht, abends kocht und vorliest. Beim Klavierunterricht dabei sitzen tut, glaube ich, keine*r. Ein solcher Diskussionsabend zeigt wieder spannend, dass in verschiedenen Einkommensschichten verschiedene Geschlechterkulturen vorherrschen. In der Wirtschaft kommen „böse“ Helikoptermuttis und Männer, die anscheinend „genetisch“ unfähig sind, im Haushalt mitzudenken, gehäufter vor. Gleichzeitig ist das die Welt, an die empathiefähige und soft-skills-geladene Führungsfrauen verkauft werden sollen. Da passt doch was hinten und vorne nicht, oder anders: Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz.

Jenseits der Frage, wie Frauen führen, interessiert doch viel mehr die Frage, wie Frau in Führung kommt. Wenn man sich erst gar kein Au-Pair-Mädchen leisten kann oder sonstige Hilfe in Form von Großeltern hat, aber voll arbeitet, ist der Aufstieg schwer. Wenn einer vom Elternteam frühestens um 17h die Kinder aus der Kita geholt hat, fallen noch Zuhören, Reden, Einmaleins üben, sich merken, wer wann was in die Schule mitnehmen muss, kochen, kümmern und viel mehr an. Aus Überforderung stecken dann gerne Mütter zugunsten der Kinder zurück, und gerade für Alleinerziehende ist das noch ein unlösbares Problem. Für Elternteams gibt es Hoffnung: Manuela Schwesigs Plan zur Familienarbeitszeit, für den sie zur Zeit kämpft. Wenn eine*r vom Elternteam eine Zeit lang, wenn die Kinder noch klein sind, bei gleichem Gehalt runterschalten darf, kann der oder die andere mehr Einsatz zeigen. Ein wirkliches Win-win für Gleichberechtigung also, ganz ohne Zuweisung von Geschlechtereigenschaften. Der Wirtschaft würde das 140 Millionen Euro kosten, sagt Schwesig – kein Klacks. Aber der Preis, den wir zahlen müssen, um Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft voran zu bringen.