Man stelle sich folgende Situation im Kindergarten vor: Die Jungs spielen Fangen und kriegen zur Belohnung ein fettes Stück Kuchen, die Mädchen spielen mit Puppen und bekommen den trockenen Muffin vom Vortag.
So in etwa funktioniert der Gender Pay Gap, nur dass es hier nicht um Backwaren sondern um das Gehalt von Männern und Frauen geht. In Deutschland liegt die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern derzeit bei 21 Prozent. Das heißt, wenn ein Mann sich nach einer Stunde Arbeit 100 Euro ins Portemonnaie steckt, haben Frauen in derselben Stunde nur 79 Euro verdient. Mit diesen Zahlen liegt Deutschland übrigens im EU-Ländervergleich auf dem drittletzten Platz.
Diese Zahlen sind Durchschnittswerte und bedeuten nicht, dass an einer Schule der Deutschlehrer mehr verdient als die Biologielehrerin oder in einem Unternehmen der Auszubildende mehr als die Chefin. Der Gender Pay Gap zeigt vielmehr das große Ganze. Dass Frauen oft in schlechter bezahlten Berufen arbeiten oder als Mutter in Teilzeit weniger verdienen. Er zeigt, dass die Leistung in typischen Frauenberufen wie Krankenschwester, Altenpflegerin oder Erzieherin weniger wert zu sein scheint als die Arbeit von Ingenieuren, Maschinenbauern oder Top-Managern. Und er zeigt wie Mutterschaft Frauen noch immer wirtschaftlich benachteiligt.
Deshalb zu sagen, Frauen sollten halt Maschinenbau studieren, nicht Teilzeit arbeiten oder einfach selbstbewusster ihr Gehalt verhandeln, reicht da leider nicht.
Klar, Mädchen können genauso Informatikerin werden, wie Jungs Krankenpfleger, aber traditionell werden Frauen in ihrer Berufswahl eher zu sozialen, typischen Frauenberufen gedrängt, die schlechter bezahlt sind, während sich Männer für Berufe entscheiden, die größere Karriereoptionen versprechen. Das ändert sich zwar langsam, aber eben auch nur langsam.
Auch, weil noch immer das traditionelle Rollenbild dominiert, wonach der Mann als Ernährer gilt, während die Frau die Erziehung der Kinder und die Pflege der Angehörigen übernimmt. Auch deshalb entscheiden sich viele Frauen für Berufe, die mit der Familienplanung vereinbar sind. Denn nach wie vor können Lehrerinnen oder Verkäuferinnen ihren Beruf sehr viel leichter mit dem Muttersein verbinden als Investmentbankerinnen oder Abteilungsleiterinnen.
Dadurch ist der nächste Schritt auch oft schon vorprogrammiert: Als Mutter arbeiten viele Frauen nur noch in Teilzeit – verdienen also auch deswegen weniger als Männer.
Dass Frauen so trotzdem einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten, nämlich Erziehungs-, Haus- und Pflegearbeit, wird gerne übersehen und vor allem nicht entlohnt. Der Staat unterstützt das übrigens durch Ehegattensplitting, aber auch durch mangelhaften Kita-Ausbau und wenig verbindliche Anreize für Väter, länger als zwei Monate Elternzeit zu nehmen.
Lässt man das alles außen vor und guckt auf ein und denselben Beruf, den ein Mann und eine Frau haben, dann ist die Lohnlücke nicht mehr ganz so groß – dann spricht man vom bereinigten Gender Pay Gap. Der ist in Deutschland aber auch immerhin sechs Prozent – und in manchen Berufsgruppen sogar bis zu 31 Prozent. Warum, weiß niemand so genau.
Aber vielleicht hängt das einfach mit klassischer Diskriminierung zusammen, Frauen und ihre Leistung weniger ernst zu nehmen. Berufe, in denen zunehmend Frauen arbeiten, erfahren nämlich eine Abwertung – im gesellschaftlichen Ansehen und im Lohnniveau – das ist zum Beispiel bei Ärzt*innen so. Gleichzeitig werden Frauen noch immer zum Liebsein, zu Bescheidenheit und Zurückhaltung erzogen – keine gute Vorraussetzung, um in unserer heutigen Arbeitswelt nach Wert und nicht nach Perfomance bezahlt zu werden. Und schließlich: Verlangen Frauen dann doch selbstbewusst mehr Gehalt, gelten sie schnell als kompliziert und zu anspruchsvoll. Gender Pay Gaps überspringt man so natürlich nicht.
Um die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern zu schließen, braucht es eine Reform des Arbeitsmarktes, hin zu familienfreundlicheren Konzepten für Frauen wie Männer, sowie ein anderes Bewusstsein für die Wertigkeit unterschiedlicher Berufe. Berufsberatung muss vor allem bei Jugendlichen frei von Geschlechtsstereotypen sein und individuellen Stärken und Vorlieben entgegen kommen. Mit der Initiative Klischee Frei hat die Bundesregierung hierfür bereits erste Maßnahmen eingeleitet.
Aber auch darüber hinaus sollten Männer die Familienplanung genauso im Hinterkopf haben wie Frauen. Nur so übernimmt nicht wie selbstverständlich das traditionelle Rollenbild, wenn Paare Eltern werden. Und schließlich sollte die Politik Ehegattensplitting und Co. endlich abschaffen, um Männer nicht länger zu Ernährern und Frauen zu Familienbeauftragten zu machen.