GNTM goes Dschungelcamp

Okay, ihr lieben, ich bin raus. Seit zehn Jahren kommentiere ich GNTM – in TV, Radio und Printpresse. Seit Gründung von Pinkstinks erkläre ich, dass Pro7 dafür geteert und gefedert gehört, dass der Sender Frauen in Konkurrenz um Schönheit in einen inszenierten Zickenkrieg schickt. Wie stark Essstörungen und Körperdysmorphie bei jungen Mädchen angestiegen sind, seit Heidi jährlich „die Eine“ kürt. Dass sich kein Junge unter Tränen umstylen lassen oder ein Mädchen, dass er nicht mag, knutschen würde, nur, um auf eine Plastikrasierer-Werbung zu kommen. Dass die Sendung das Böse, das Patriarchat, die Heidi-Horror-Show ist, auf die wir unbedingt verzichten können. 

Jeden Januar beschleichen mich Anzeichen eines Bore-Outs: Vielleicht schmeiße ich den „Frau Dr. Feminismus-Job“ einfach hin!? Ich schaff das nicht: Nicht noch einmal Deutschlandfunk bis Morgenpost erklären, warum GNTM ein Problem ist! Doch dieses Jahr, zur 17. Staffel, geschieht ein Wunder! Heidi sagt just das, was wir bei Pinkstinks seit Jahren predigen. In einem Pro7-Video erklärt sie, dass gerade alle mit „Diversity“ werben, aber nun, da bei GNTM Frauen bis Größe 54 antreten, sagen Designer, sie hätten keine Roben für ihre Models! Da müssten die sich aber mal etwas einfallen lassen: Sie wolle mit GNTM ein Zeichen setzen und diese Designer herausfordern!

Ist jetzt die Revolution ausgebrochen? Kann ich in Rente gehen? Nun, sagen wir so: GNTM ist nicht mehr GNTM. GNTM ist jetzt Dschungelcamp. Und vielleicht war GNTM immer Dschungelcamp, nur so geschickt als Modelshow getarnt, dass sie viele junge Frauen und Mädchen in Selbstzweifel gerissen hat. Aber auch dieses Jahr wird weder die 66-jährige Lehrerin, die nicht posen kann (aber sehr sympathisch ist und hoffentlich so viel über sich lachen kann, wie über sie gelacht werden wird), noch die Tochter vom Schönheitschirurgen ohne Modelmaße, noch die Tätowierte, die auch noch Plus-Size hat („So was gab’s noch nie!“) oder die schüchterne Schweizerin mit Bauchring und Brille gewinnen, sondern wieder eine der Modelmaße-Frauen, deren Namen wir dann gleich wieder vergessen werden, egal, ob of colour, Schwarz oder Kartoffel. Leider. 

Vielleicht war GNTM immer Dschungelcamp, nur so geschickt als Modelshow getarnt, dass sie viele junge Frauen und Mädchen in Selbstzweifel gerissen hat.

Stevie

Und doch entlarvt sich durch die neuen, als lustige Vögel inszenierten ganz normalen Menschen GNTM als genau das, was es schon immer war: Nie ein wirkliches Abbild der Modelwelt (das ist auch hart, aber anders hart) sondern eine Reality-Soap, die Geld machen soll, viel Geld. Was zählt, sind Lacher, Abgründe, Streitereien, Hoffnungen und Tränen. Eine Mutter und eine Tochter, beides Modelanwärterinnen, sollen mit dabei sein. Ich habe sie noch nicht gesichtet, aber das Konkurrenz-Drama ist vorprogrammiert. „Milf oder Missy“ wird also auch reingemischt, wobei Heidi und Leni natürlich ausgenommen sind und eher als doppeltes Lottchen durchgehen sollen. 

Man muss es nach zehn Jahren jetzt auch mal sagen: Irgendwie ist sie ja auch witzig, die Heidi. Jetzt, wo – Diversity hin oder her – ihr nur viele Spritzen Botox den Job sichern, wird sie schriller denn je. Ihre Outfits waren schon immer eigen, jetzt nehmen sie komplett bizarre Formen an. Wenn sie mir schon gekonnt (wie schafft sie das?) mein Queer-Idol Kylie Minogue für diese Staffel entwendet (wie kann sie nur? Ich meine Kylie!), kann man nur hoffen, dass Heidi in ihrer neuen, mit latentem Wahnsinn alternden Phase selbst eine Heldin wird. Eine, die tatsächlich Designer herausfordert, auf größere Größen zu setzen. Ob sie das schafft? Wer weiß: Vielleicht wird die ja noch mal nett. Ganz ausschließen sollte man das nicht. 

Lieben Gruß! Eure Stevie 

Wenn wir in unseren Texten von Frauen und Mädchen sprechen, beziehen wir uns auf die strukturellen und stereotypen gesellschaftlichen Rollen, die alle weiblich gelesenen Personen betreffen.

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Bildquellen: Dschungel: Daniel o’dowd/Unsplash; Schlange: Tyler B/Unsplash; Heidi Klum: Wikimedia Commons contributors; Kollage: Pinkstinks