Hamburger Kreative wühlen im Estrich

In unserer Werbemelder*in sind über die letzten zwanzig Monate ca. 4.000 Einsendungen von Werbungen eingegangen, die als sexistisch beanstandet wurden. Ungefähr 80% davon haben wir tatsächlich als sexistisch eingestuft und dabei gemerkt, dass es sehr oft Anzeigen für handwerkliche Dienstleistungen oder das Baugewerbe sind, in denen halbnackte Frauen lasziv und als reine Dekoration neben irgendwelchen Gegenständen posieren. Warum ist das so? Wir haben viele der Unternehmen angerufen und folgende Antworten erhalten:

„Ach, das hat unser Azubi schnell auf Photoshop gebaut – wir fanden das ganz lustig!“

„Das ist ein günstiges Stockbild, das haben wir gekauft, das ist doch nicht verboten, oder?“

„Seid ihr aber verklemmt!“

„Bei uns in der Branche kommt das gut an!“

Wir sind mit einigen der Bilder mal durch die Hamburger Innenstadt gegangen. Bei einem solchen Bild

waren Antworten von potentiellen Kundinnen folgende:

„Sorry, aber den würde ich nicht buchen. Der fällt dann gleich im Hausflur über mich her?“

„Ganz ehrlich: Mit solcher Werbung aus den 80er Jahren mache ich mir Sorgen, ob der Betrieb schon die modernsten Produkte anbietet.“

Wir haben uns in die Betriebe hineinversetzt und überlegt, warum diese trotzdem eine Frau in Dessous über den Autoreifen drapieren, um die lokale Kfz-Werkstätte zu bewerben. Wahrscheinlich wollen Sie Aufmerksamkeit, nicht zu viel Geld ausgeben und denken, „Sex sells“ läuft immer. Aber ist das heute noch wirklich so? Wir haben mal die großen Werbeprofis gefragt:

Ihr Fazit: Viele Produkte könnten sehr viel attraktiver und genauso günstig beworben werden, wenn man nicht zur gewohnten Sexismus-Karte greift. Produkte bieten meist von selbst spannende gedankliche Routen an, die es sich lohnt, zu verfolgen. Die Balkonbrüstung als Busen finden nur wenige Kunden witzig,

eine Julia, die sich auf dem Smartphone schon mit dem Nächsten verabredet, weil Romeo zu lahm ist und der Balkon ab jetzt für die Ewigkeit hält, erzählt viel mehr Geschichte, überzeugt mit Witz und weist auf die Qualität des Produkts hin.

Ein „geiles Teil“ klingt wirklich nach 80er Jahre und entlockt nur ein Gähnen. Eine Parship-Kopie ist da viel charmanter, moderner und kommt ohne Diskriminierung aus:

Werbung, die schon an sexuelle Gewalt grenzt muss weg. Dabei geht es so viel besser: Wenn Aggression kreativ genutzt und in die bekannte Autobahn-Genervtheit übertragen wird, die wir alle kennen. Vollpfosten!

Ebenso diese Werbung, mit die Schlimmste, die wir je zugesandt bekamen,

könnte statt für einen Shitstorm für ein Schmunzeln sorgen, das hängen bleibt. Statt Macht über die Frau zu haben kann man(n) hier über ein Bauwerk bestimmen.

Auch dieses Beispiel zeigt, wieviel Potential die Dessous-Version verspielen kann: Dieser wirklich hochwertige Holz-Pellet-Ofen sollte dringend mit gewitzter Eleganz verkauft werden, nicht mit Rotlichtcharakter.

Wir haben uns riesig gefreut, dass fünf der größten Werbeagenturen Deutschlands Lust hatten, sich dieser Bilder anzunehmen um an ihnen zu zeigen, wie schnell, kostengünstig und anders Werbung machbar ist.

Großes DANKE an Kolle Rebbe, Philipp und Keuntje, Grabarz und Partner, Thjnk / Loved und Jung von Matt!

Die Werbemelder*in findet ihr hier. Mit unseren Kampagnen wollen wir helfen, Sexismus in der Werbung zu reduzieren und eine gleichberechtigte Gesellschaft mitzugestalten.