Hass auf Homosexuelle

Mit dem Begriff Homophobie ist das, womit der Propagandaapparat Wladimir Putins dieser Tage das Internet flutet, nicht ansatzweise hinreichend beschrieben: Am 25. Juni will der Kremlchef die Bevölkerung über weitreichende Verfassungsänderungen abstimmen lassen, die ihm unter anderem ermöglichen würden, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Vordergründig gibt er sich dabei demokratisch, indem er russische Präsidentschaften grundsätzlich auf zwei Amtszeiten begrenzen will. Tatsächlich aber verhält er sich zaristisch und hat in den Gesetzestext einen Passus einfügen lassen, der im Falle einer Änderung seine gesamte Amtszeit nullt. So als hätte es die letzten 20 Jahre nicht gegeben. Und wenn er dann die nächsten Wahlen 2024 zufällig gewinnen sollte, könnte er anschließend quasi mit der Begründung „Tach, ich bin der Wladimir und ich bin neu hier“ mindestens weitere sechs Jahre regieren. Der Mann ist 67 Jahre alt und stellt jetzt die Weichen dafür, noch als 83-Jähriger zu herrschen. Das Gesetz dafür hat er schon unterschrieben, jetzt will er noch das Volk in seinem Sinne abstimmen lassen. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht: Zum Beispiel lässt er daran erinnern, dass in der Verfassungänderung auch festgelegt ist, dass nur Männer und Frauen heiraten und adoptieren dürfen und man ihr schon deshalb zustimmen sollte. Mit einem widerlichen Videoclip, der stumpfe Stereotype über schwule Männer inszeniert. Mit einem traurigen Jungen, der nach seiner neuen Mama fragt und sichtlich enttäuscht ist über seine schwulen Adoptiveltern. Mit Frauen, die den Kleinen am liebsten nicht in „diese Hände“ geben würden. Und natürlich mit dem obligatorischen Kleid, das den Jungen zu „verschwulen“ droht.

Nein, mit Phobie hat das nichts zu tun. Es geht um die Kultivierung von Vorurteilen, Abscheu und Hass. Mit der Erzeugung eines Wir-Gefühls auf Kosten der angeblich anderen. Dabei geht es bei Homosexualität um „Liebe und Leidenschaft“ wie der Fotograf des Pressefotos des Jahres 2015, Mads Nissen, festhielt.

Er wollte Liebe zeigen in einem Russland, in dem Homosexuellen spätestens seit dem Gesetz von 2013 gegen „Schwulenpropaganda“ auf offener Straße ins Gesicht gespuckt und geschlagen wird – oder Schlimmeres. Aber das ist ja alles weit weg von Europa. Also bis auf die Tatsache, dass manche im EU-Mitgliedsstaat Polen inzwischen stolz darauf sind, wenn sich ganze Städte und Gemeinden zu „LGBT-freien Zonen“ erklären.

Das Ganze wird auf Initiative der katholischen Stiftung Ordo Iuris betrieben. Der Name der Intiative lautet „Stoppt die Pädophilie“, weil suggeriert werden soll, dass sexuelle Minderheiten in besonderem Maße zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder neigen. Für den angeblichen Schutz von Familie und Vaterland werden Homosexuelle immer wieder mit Gewalt überzogen.

Nochmal: Das ist ja alles weit weg von Deutschland. Also außer dass Polen unser direktes Nachbarland ist. Und dass einer der wichtigsten Köpfe bei Ordo Iuris Beamter der europäischen Kommission ist, der auch in Deutschland gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen mobil macht. Und natürlich auch, dass wir mittlerweile die AfD im Parlament haben. Eine in weiten Teilen offen homofeindliche Partei, die sich ungeniert für den Führungs- und Politikstil Putins begeistert und mit der Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst jetzt eine Frau in das Kuratorium der Magnus Hirschfeld Stiftung entsendet, die findet, Aufklärung über Sexualität und sexuelle Vielfalt verderbe Kinderseelen. Außerdem ist Höchst der Überzeugung, dass es „unter homosexuellen Männern mehr Pädophilie“ gäbe. Es mag Jammern auf hohem Niveau sein. Fakt ist aber, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil Deutschlands seinen Hass auf LGBTQI und insbesondere schwule Männer ausstellt und dafür auch noch Respekt verlangt. Fakt ist auch, dass lesbische Paare nach wie vor bei der Adoption von Kindern diskriminiert werden. Mit dem Ergebnis, dass Deutschland 2019 „irgendwie“ von Platz 3 der LGBTQI-freundlichsten Reiseländer auf Platz 23 abgerutscht ist.

Menschen zu gestatten, ihre Feindseligkeit und ihren Hass hinter dem Begriff „Phobie“ zu verstecken, ist keine Lösung. Gerne Aufklärung für Interessierte wie wir sie in der Schule gegen Sexismus betreiben. Darüber ob Jungen schwul werden, wenn sie rosa mögen oder ob Homosexualität angeboren oder anerzogen ist. Aber Grundrechte sind nicht verhandelbar. Auch nicht mit Verweis darauf, dass es „denen“ hier doch gut geht. Und schon gar nicht von Leuten, die sich angeblich „fürchten“.

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Photo by Markus Spiske on Unsplash