Morgen ist also Tag der Entscheidung. Die Bundeskanzlerin hat angekündigt, sich nach Ostern mit den Ministerpräsident*innen der Bundesländer über das weitere Vorgehen in dieser Pandemiekrise zu verständigen. Im Vorfeld sorgen vor allem die Einschätzungen der Wissenschaftsakademie Leopoldina für Furore, weil sie sich für eine schrittweise Abkehr der Sicherheitsbeschränkungen aussprechen.
Die Einschätzungen der Verantwortlichen zieht jede Menge Kritik auf sich. Das beginnt mit der Zusammensetzung der Gruppe der „Leopoldina-Forscher“ – genau genommen sind darunter mehr Menschen mit dem Namen Jürgen oder Thomas als Frauen –
– und betrifft direkt die teilweise als ausgesprochen weltfremd wahrgenommenen Aussagen. Kitas sollen der Arbeitsgruppe zufolge geschlossen bleiben, weil sich kleine Kinder nicht an Sicherheits- und Abstandsregeln halten können, Grundschulen aber wieder geöffnet werden. Unter der Vorraussetzung, dass die Kinder genug Abstand halten, Mundschutz tragen, Hygienemaßnahmen ergreifen und sich in einem Klassenraum nicht mehr als 15 Personen aufhalten. Man fragt sich unweigerlich, ob die vielen Herren Prof. Dr. schon einmal eine Grundschule betreten und die sanitären Einrichtungen besichtigt haben. In vielen Schulen gibt es nicht einmal warmes Wasser und Seife.
Und von 7-10 Jährigen zu erwarten, dass sie sich nicht bei jeder Gelegenheit den Mundschutz vom Gesicht schieben und Kontakt vermeiden, ist – vorsichtig formuliert – ausgesprochen weltfremd. Und in diesem Sinne fragwürdig, in wieweit ihr Verhalten darin so viel anders sein soll als das von Kita-Kindern, für die bis zum Sommer nur eine Notbetreuung gelten soll. Wie dann bitte, sehr geehrte Herren Professoren, sollen die meist weiblichen Elternteile zu ihrer Erwerbsarbeit zurückkehren?
Trotzdem gilt, was die Kanzlerin vorab verkündet hat: „Für mich wird eine sehr wichtige Studie die der Nationalen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina sein.“ Sich auf ein Gremium aus verschiedenen Wissenschaften zu verlassen ist an sich ja auch richtig. Wir brauchen einen Fahrplan, wie wir uns aus dieser Krise herausmanövrieren – und zwar nicht nur einen medizinischen, sondern auch einen wirtschaftlichen und vor allem auch einen gesellschaftspolitischen. Wer hier zum Beispiel vorrangig die systemrelevante Arbeit macht und sich zugleich daheim um die Kinder kümmert. Denn ein Thomas ist es eben oft gerade nicht. Oder welche Maßnahmen wirklich realistisch sind und etwas taugen könnten. Über ein zumindest begrenzt ausgezahltes Grundeinkommen, dass einigen Druck aus den Familien nehmen würde, hat die Arbeitsgruppe beispielsweise nicht gesprochen. In der Faz kann man auch nachlesen warum:
„Aber es gibt zu viele Modedesigner und Künstler, die mit dem bedingungslosen Grundeinkommen mehr Freiheit für unprofitable Projekte gewinnen möchten. Sie sollten sich ernsthaft eine Frage stellen: ob wirklich die Mitmenschen ihre Selbstverwirklichung finanzieren sollen.“
Wenn raffgierige „Modedesigner und Künstler mit ihren unprofitablen Projekten“ von den meist Ü50-jährigen männlichen Wissenschaftlern als das eigentliche Problem gelten und nicht etwa die Arbeitssituation und Betreuungsprobleme von Millionen von Menschen, insbesondere Frauen, dann kann man nur mit Sorge der Ergebnisse harren, die der Mittwoch bringen wird. Morgen wissen wir mehr.
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