HPV können Krebs auslösen, das betrifft aber nur Mädchen? Falsch. Aber selbst wenn das der Fall wäre: Jungs nicht impfen zu lassen, ist sexistisch.

HPV: Sollte ich meinen Jungen impfen lassen?

HPV können Krebs auslösen, das betrifft aber nur Mädchen? Falsch. Aber selbst, wenn das der Fall wäre: Jungs nicht impfen zu lassen, ist sexistisch.

Triggerwarnung: In diesem Text geht es um Krebs und durch Krebs ausgelöste Todesfälle 

Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 1500 Menschen mit Uterus an den Folgen von Gebärmutterhalskrebs. Diese Krebsart wird durch humane Papillomaviren – kurz HPV – ausgelöst. Laut Robert Koch-Institut (RKI) gehören HPV-Infektionen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Seit 2006 gibt es eine Impfung, die davor schützt und so Leben rettet. 

Doch 15 Jahre nach ihrer Einführung sind längst nicht genug Jugendliche geimpft. Vor allem bei Jungen ist die Impfquote eher niedrig. Dabei können sie die Viren nicht nur unmerklich übertragen, sondern dadurch auch selbst an Krebs erkranken. Doch selbst wenn das nicht der Fall wäre: Männliche Jugendliche sollten sich aus Solidarität impfen lassen und so die Verbreitung eindämmen.

So gefährlich sind HPV

Die Varianten des HP-Virus leben einzig und allein im Menschen, nirgendwo sonst. Sie werden im direkten Kontakt übertragen: Die Erreger dringen durch winzige Verletzungen in Haut- bzw. Schleimhaut ein, zum Beispiel beim Vaginal-, Anal- und auch Oralverkehr. Kondome können eine Infektion nicht vollständig verhindern, fast alle Menschen stecken sich irgendwann mindestens einmal mit HPV an. In den meisten Fällen klingen diese Infektionen von allein wieder ab. 

Es gibt allerdings auch riskantere HPV-Typen – und wenn die sich festsetzen, hat das Folgen. Sie verursachen zum Beispiel Feigwarzen oder können Zellveränderungen auslösen. Aus diesen Veränderungen kann Krebs entstehen. Das läuft zunächst ohne Symptome ab. Deshalb merken Betroffene nichts davon. Und der Krebs kann wachsen. 

Das passiert aber nicht sofort; zwischen einer Infektion mit HPV und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs vergehen ungefähr zehn bis 15 Jahre. Darum sind regelmäßige Vorsorge-Untersuchungen so wichtig. Alle drei Jahre einen HPV-Test zu machen, wie vom Bundesgesundheitsministerium empfohlen, reicht aber nicht.

Genau deshalb sind die Impfungen entscheidend. Sie sind die wichtigste Vorsorge und der effektivste Schutz gegen krebsverursachende HPV-Varianten. Laut RKI schützt eine Impfung zu fast 100 Prozent. Eine schottische Studie von 2019 zeigt, dass eine routinemäßige Impfung zu einem „dramatischen Rückgang der präinvasiven Zervixerkrankungen“ geführt hat. Heißt im Klartext: viel weniger Krebsvorstufen und demnach weniger Krebs. Auch bei ungeimpften Frauen gibt es laut Studie Hinweise auf einen Herdenschutz durch die Impfung. 

Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland deswegen die HPV-Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr für weibliche Jugendliche im Alter von neun bis 14 Jahren. Seit 2018 wird auch gezielt Jungen zur Impfung geraten. Eine Modellrechnung der STIKO hat ergeben, dass sich in Deutschland durch die HPV-Impfung von Jungen Tausende von Krebserkrankungen vermeiden lassen.

Trotzdem bemängelt das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) erhebliche Lücken. Zwar ist die Impfquote im Laufe der Jahre leicht gestiegen, sie ist aber immer noch niedrig. Bei 15-jährigen Mädchen liegt sie demnach zwischen 31 und 36 Prozent. Von den männlichen Jugendlichen sind nur rund 21 Prozent gegen HPV geimpft. Das ist zu wenig – für einen flächendeckenden Schutz müssten es 70 Prozent der Jugendlichen sein. 

Warum sind so wenige geimpft?

Das hat laut Krebsforschungszentrum mehrere Ursachen. Das deutsche Impfsystem zum Beispiel – es gibt bisher keine ausreichenden Strukturen für die HPV-Impfungen: Die Altersgruppe neun bis 14 bewegt sich zwischen Kinder- und Hausarzt, deshalb ist die Zuständigkeit oft unklar. Aber auch das Verhalten von Ärzt*innen, Jugendlichen und Eltern spielt eine Rolle. Impfungen werden in den Sprechstunden nicht aktiv empfohlen; Jugendliche gehen selten zu Ärzt*innen; Eltern sind skeptisch, uninformiert oder desinteressiert.

Kurz: HPV-Impfungen gelten als nicht so wichtig. Und das ist sexistisch. Denn es sind nun mal mehrheitlich Menschen mit Gebärmutter von HPV-Infektionen betroffen. 

Eine Untersuchung von 2010/2011 hat gezeigt, dass ein gutes Drittel der Frauen zwischen 20 und 25 Jahren mit Hochrisiko-Varianten infiziert sind. Dagegen gibt es keine Behandlung – wer die Viren hat, hat sie. Und merkt es nicht. Die häufigste dadurch ausgelöste Krebsart ist Gebärmutterhalskrebs. Der wird fast zu 100 Prozent durch HPV verursacht. Allein im Jahr 2017 sind in Deutschland 4341 Menschen mit Gebärmutter daran erkrankt – 1587 sind daran gestorben.

Ein Grund dafür, dass noch immer so wenige – vor allem männliche –Jugendliche geimpft sind, mag vielleicht Unwissen sein. Doch der Gedanke, dass HPV nur Menschen mit Uterus betrifft und deshalb für Jungen und Jungseltern nicht so wichtig ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Weibliche Körper und weibliches Leben sind in einer patriarchalen Gesellschaft weniger wert. Ein veraltetes Rollenbild, nachdem eine Frau selbst an sexuell übertragbaren Krankheiten “schuld” ist (warum muss sie auch Sex haben?), könnte dazu kommen. Beides offenbart eine erschütternde Gleichgültigkeit und Geringschätzung. Das ist nicht nur unsolidarisch und sexistisch, sondern frauenfeindlich. 

Davon mal ganz abgesehen ist ein Penis übrigens kein magischer Schutz: Ein Fünftel der durch humane Papillomaviren verursachten Krebserkrankungen betrifft Männer. Nach Schätzungen des Zentrums für Krebsregisterdaten im RKI entstehen pro Jahr bei ihnen durch HPV etwa 600 Anal- und 250 Peniskarzinome sowie 750 Tumore in der Mundhöhle oder im Rachen. Die Impfung würde also auch sie vor Krankheit, Leid und Tod bewahren. 

Doch auch wenn das zweifelsohne gut und wichtig ist – es sollte für eine Impfung von männlichen Jugendlichen wahrhaftig nicht erst dieses Argument brauchen. 

In einer gleichberechtigten Gesellschaft sollten nicht nur Töchter, sondern auch Söhne geimpft werden. Zudem würden laut DKFZ ein zentrales Erinnerungssystem, systematische Impfstatus-Kontrolle, Aufklärungsmaßnahmen und Schul-Impfprogramme helfen. So könnten jedes Jahr mehr als 1500 Menschen mit Uterus gerettet werden. Wer meint, dass die Impfung gegen HPV unwichtig sind oder höchstens etwas für Mädchen, nimmt damit ihren Tod in Kauf – obwohl die Lösung so einfach ist. Also, ab zur Impfung!


PS: Falls Angst vor Impfschäden die Entscheidung zur Impfung verhindern sollte: Immer noch halten sich mancherorts Mythen, die HPV-Impfung wäre gefährlich. Diesen widersprach die Ärztezeitung 2019 noch einmal vehement und warnte vor „Fake Science“. Neue Impfungen bringen Skepsis – die HPV-Impfung ist nur mittlerweile nicht mehr neu, sondern über eineinhalb Jahrzehnte alt und erprobt.

Weiterführende Links:

Faktenblatt zur HPV-Impfung vom Robert Koch-Institut: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/HPV.pdf?__blob=publicationFile

Info-Broschüre des Deutschen Krebsforschungszentrums zu den Problemen der Umsetzung der HPV-Impfungen in Deutschland (plus Lösungsansätze): https://www.dkfz.de/de/krebspraevention/AdWfdP_2020_Impfung-gegen-HPV-Infektionen.pdf

Daten zur Verbreitung von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Gebaermutterhalskrebs/gebaermutterhalskrebs.html

Bildquelle: unsplash

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