Im Gespräch mit Tchibo

 

Tchibo hatte es uns angekündigt: Auf unseren Beitrag „Putzen für den Astronauten“ wollte man bei Gelegenheit eingehen und für den hauseigenen Blog ein Interview mit zwei Produktmanagerinnen zum Thema Gender Marketing führen. Wir waren gespannt. Als es letzte Woche so weit war, hat uns Sandra Coy, die Chefredakteurin Corporate Communications, freundlicherweise noch darauf aufmerksam gemacht. Unabhängig von den Inhalten des Interviews gilt ihr und allen Beteiligten unser Dank. Es freut uns immer, wenn wir einerseits feststellen können, dass Kritik und Konsument*innenprotest in den sozialen Netzwerken funktionieren, und wenn andererseits die Adressierten sich die Mühe machen zu reagieren. Oft genug haben wir es mit Menschen zu tun, die versuchen solche Sachen einfach auszusitzen.

Tchibo hat reagiert und deshalb haben wir hier überhaupt erst die Möglichkeit, auf Details der Reaktion einzugehen. Ende letzter Woche wollten wir erst einmal von euch wissen, was ihr davon haltet. Heute beziehen wir Stellung und erklären, was uns gefreut, was uns irritiert und was uns verärgert hat.

Gefreut hat uns die Ankündigung von Tchibo, Produkte weniger geschlechtsspezifisch zu labeln und mehr als Kinderprodukte auszuloben. Ganz im Sinne der Initiative Let Toys Be Toys sollte auch Tchibo nicht entgangen sein, dass Bücher, Spielzeug und Klamotten kein Geschlecht haben. Gut, wenn dem jetzt Rechnung getragen werden soll.

Irritiert haben uns die Vorstellungen der beiden Produktmanagerinnen, dass sich niemand darum kümmern würde, dass für Jungen inzwischen eine Blue Industry existiert, die sie auf Rollenmuster fixiert:
„Was ich allerdings nicht verstehen kann sind die einseitigen Vorwürfe für die ‚Rosa‘ Produkte. Niemand sagt etwas dagegen, wenn wir Ritterschwerter in Blau anbieten. (…) Und damit drängt man doch vermeintlich die Jungen genauso in eine Rolle hinein. Ist es also okay, wenn Jungs keine feminine Seite haben?“
Liebe Leute bei Tchibo, da habt ihr wirklich einiges verpasst. Jungs dürfen weich sein, mutig, liebevoll, wütend, ängstlich, stark und ganz viele andere Dinge. Sie dürfen auch ein rosa Pony namens Fred als Lieblingskuscheltier haben. Außerdem sagen wir ständig etwas „dagegen“. Jetzt zum Beispiel. Und beantworten damit auch gleich mal folgende rhetorische Frage:
„Und warum wird uns als ‚Industrie‘ unterstellt mit Absicht Mädchen in bestimmte Rollen zu drängen?“

In eurer Produktkampagne „Echte Männer, Grosse Jungs“ habt ihr unter anderem ein „Gentleman Sparschwein“ angeboten

Sparschwein Gentleman

einen mitzählenden Flaschenöffner

Mitzählender-Flaschenöffner

einen Hantelwecker

Hantelwecker

und einen ferngesteuerten Sportwagen.

Ferngesteuerter Sportwagen

Inwiefern sind das Produkte für „echte Männer“? Gibt es auch „falsche Männer“, die sich diese Sachen besser nicht zulegen sollten? Und ist es nicht vielmehr so, liebe Leute bei Tchibo, dass ihr ganz genau wisst, wie Gendermarketing funktioniert, und einfach hofft, damit mehr von euren Produkten zu verkaufen? Ihr bedient damit nämlich nicht primär die Nachfrage nach mitzählenden Flaschenöffnern (Nischenprodukt), sondern nach Identitätsbestätigung. Wenn ich das kaufe (egal was, irgendwas), bin ich ein echter Mann. Steht ja dran. Wissen dann alle.
Und nebenbei: Öffnen Frauen keine Flaschen? Können Mädchen nicht mit Rennautos spielen?
Ihr wolltet das mit den Geschlechterlabeln ja in Zukunft lassen – wir werden euch ggf. daran erinnern.

Richtig geärgert haben wir uns über solche Aussagen:
„Das Selbstbild von Mädchen heute ist: Schönsein. Es gibt eine große Fixierung auf das Äußere, die Haare müssen lang sein, der ganze Look feminin. Topmodels und Superstars sind die Vorbilder, nicht Astrophysikerinnen.“
Es ist schon ziemlich bitter, wie weit ihr als Marktteilnehmende die Verantwortung für genau dieses Rollenbild von euch weist. Natürlich ist es nicht eure Aufgabe, Konsument*innen zu erziehen. Aber verantwortungsvolles Handeln sollte schon drin sein. Ihr bekennt euch ja auch zu Fairtrade Kaffee, obwohl davon 2013 in Deutschland gerade mal ein Drittel so viel wie von Kaffeepads verkauft wurde.

Was spricht also gegen ein Bekenntnis zum Verzicht auf geschlechtsdiskriminierende Werbung?

Abschließend wollen wir, um Missverständnisse (und davon scheint es einige zu geben) auszuräumen, noch eine im Interview aufgeworfene Frage beantworten:
„Warum sollen Kinder die rosa Phase nicht einfach durchmachen dürfen?“
Selbstverständlich sollen sie Rosa lieben dürfen. Kinder! Einem Mädchen zu sagen, es dürfe keine rosa Prinzessinnenträume mehr haben, oder einem Jungen zu verbieten, zum Fasching im Ritterkostüm zu gehen, ist ja das Gegenteil von Vielfalt. Gerade für die engagieren wir uns aber. Die viel wichtigeren Fragen sind doch, warum Mädchen eine rosa Phase durchmachen müssen und Jungen keine haben dürfen.
In diesem Sinne würden wir auch nie von euch verlangen, auf den Verkauf von rosa Produkten zu verzichten. Wir haben auch letztes Jahr nicht die Pink Edition von Haribo kritisiert. Die war nämlich „für alle kleinen und großen Fans von Herzen, Schleifen, Kronen & Co.“ Da musste sich niemand „falsch“ oder ausgeschlossen fühlen. Und genau darum geht es uns.

Pinkstinks Team