In den Fängen der „Frauen-Mafia“

„Kindern und Jugendlichen bringt man heute bei, dass Beziehungen nichts soziologisches sind, sondern lediglich eine biologische Norm. Emotionen sind nur das Ergebnis biochemischer Prozesse, lautet der Kernsatz einer bekannten Biologin. Man nennt dieses Gedankengebäude Eintrageverhalten.“

Sagen wir jetzt einfach mal so. Gut, eine solche Behauptung würde nicht nur vom Wissenschaftsbetrieb sondern auch von vielen anderen Menschen mit Kopfschütteln quittiert werden, aber das muss uns ja nicht stören.

Um das Ganze aufzulösen: Wir haben einfach mal ein par Dinge, die Professor Ulrich Kutschera behauptet, gegen die Stoßrichtung gebürstet und parallel formuliert, um zu zeigen, dass und wie man sich heute mit uninformierten Ergüssen über Feminismus, Geschlecht und Soziologie Aufmerksamkeit verschafft. Zum Beispiel indem man konsequent ein Teil mit dem Ganzen verwechselt und Gender Mainstreaming für Queer-Feminismus und Queer Feminismus für Gender Studies hält. Ist ja auch egal. Tschändaaazeug halt. Aber was soll man einem Menschen erklären, der in Büchern Sachen schreibt wie

„Die Mehrheit der Normalfrauen (ca. 75 Prozent), die den Genderismus ablehnen, wird von einer kleinen, meist kinderlosen und lesbisch veranlagten selbsternannten Befreierinnen-Minderheit (Mann-Weiber) terrorisiert.“

und

„Da es immer mehr studierte Damen gibt, fehlen für Männer ohne Hochschulabschluss Frauen mit gleichem (bzw. niedrigerem) Bildungsniveau. Diese gebildeten, nicht aber studierten Männer finden demgemäß keine Partnerin mehr und sind dann auf Import-Bräute (z.B. aus Thailand) angewiesen.“

Der Gender Studies in die kreationistische Ecke stellt, mit einem Krebsgeschwür vergleicht und dafür Applaus aus der AfD-Ecke und Demo-für-Alle Menschen bekommt? Dass alle Daumen Finger sind, aber nicht alle Finger Daumen sollte ein Biologe doch verstehen. Tut er aber offensichtlich nicht. Stattdessen wirft er mit Begriffen wie „Frauen-Mafia“ und „Import-Bräuten“ einer wissenschaftlichen Disziplin Unwissenschaftlichkeit vor, markiert mal eben im Vorbeigehen alle Geisteswissenschaften als nutzlose Laberfächer (wie originell) und ist sich auch sonst für keine noch so absurde Posse zu schade. Aber eben alles faktenbasiert. Realwissenschaft gegen Verbalwissenschaft.

„Die in diesem Text zusammengetragenen Fakten, Theorien und Modelle sind weder religiös noch politisch motiviert (ich bin ein ungläubiger Nichtwähler und Kriegsdienstverweigerer).“

Als nichtwählender Kriegsdienstverweigerer ist man also per se unpolitisch. Hätte man so auch  nicht ahnen können.
Und während die einen sich um Wissen und Wissensvermittlung darüber bemühen, dass Geschlecht neben seiner biologischen Realitität auch eine soziale Dimension hat, haben die anderen Gender längst zu einem ideologischen Kampfbegriff gemacht, dem sie alles andichten, was ihnen irgendwie suspekt erscheint. In der Psychologie würde man an dieser Stelle womöglich von Projektion sprechen. In der Ethnologie von dem Phänomen, dass Forschende in einem Feld immer auch das vorfinden, was sie mit sich bringen. Und die von Kutschera erwähnte Judith Butler könnte einiges Erhellendes zu performativen Sprechakten beitragen und darüber, wie etwas wird, weil wir es benennen und beschreiben.

Das, was Kutschera Wissenschaft nennt, muss sich davon natürlich nicht beeindrucken lassen. Allerdings sollte er es dann eben auch nicht Wissenschaft nennen.