In den Schuhen meiner Tochter

 

Manchmal – und nicht nur manchmal – mache ich mir Gedanken über die Zukunft meiner Tochter. An guten Tagen stelle ich mir vor, dass sie sich frei und selbstbestimmt eine Beschäftigung wählt, die ihr erfüllend und sinnvoll erscheint, und sich mit Menschen umgibt, die sie wertschätzen. Ihr gegenwärtiger Plan sieht vor, mit 18 Jahren auf Kosten ihrer Eltern 25 Länder zu bereisen (keine Ahnung wie sie auf diese Zahl kommt) und nach ihrer Rückkehr wieder mit uns zusammen zu leben. Sobald sie mich auf dem Rücken tragen kann (Spitzenkriterium übrigens), sorgt sie für uns und wir müssen uns um gar nichts mehr kümmern. Nebenbei lernt sie so ziemlich jede Sprache, die es gibt, arbeitet in einem Dutzend verschiedener Berufe und hat dann natürlich noch Zeit, stundenlang mit ihrem Bruder zu spielen, Geschichten zu hören und schwimmen zu gehen. Was sich Achtjährige so vorstellen. Es ist eine schöne Welt.

An weniger guten Tagen verfolgen mich die Produkte, die ich kopfschüttelnd für Pinkstinks sichte, und lassen mich daran verzweifeln, was diese Welt eigentlich von meiner Tochter will. Diese Welt will ihr Stifte für Frauen verkaufen, weil ihr bislang gar nicht aufgefallen ist, dass sie „ausversehen“ die ganze Zeit mit Männerstiften geschrieben hat.

Dort ist man so fixiert auf ihre Brüste, dass man versuchen würde, ihr Kaugummi und Kekse zu verhökern, die angeblich in der Lage sind, ihre Oberweite zu vergrößern. Die Farbe ihrer Vagina findet man grundsätzlich problematisch und verbesserungswürdig.

Wenn sie ein Tablet hätte, wäre das natürlich pink und käme mit vorinstallierten Apps, mit denen man Lebensmittel einkaufen und eine Diät machen kann, „weil Frauen es ja schwierig finden könnten, diese Apps herunterzuladen“.
In dieser Welt möchte sie doch bitteschön ein spezielles Auto für Frauen fahren, welches über die Klimaanlage verhindert, dass sie Falten bekommt.

Vor dem Schlafen noch ein bisschen das Gesicht trainieren, weil in Würde altern für Frauen ja mal überhaupt nicht geht. Und während der Nachtruhe sollte sie sich am besten pinke Stöpsel in die Ohren drücken, damit… ja was eigentlich: Sie nachts besonders weiblich nichts hört?!

Zugeben, ich male mir da eine Schreckenswelt aus, indem ich mir absurde Produkte zusammensuche, die (noch) gar nicht so präsent sind, wie es mir manchmal vorkommt. Und ich muss ja auch nicht in den Schuhen meiner Tochter laufen. Gleichzeitig möchte ich nicht, dass sie irgendjemand zwingt, auch nur einen Schritt in dieser seltsamen, absurden Welt zu gehen.

Nils Pickert