In der Grauzone

Seitdem letzten Dienstag unser Werbemelder*in Projekt angelaufen ist, hat sich einiges getan. Und weil wir nicht nicht alle Neuigkeiten und Entwicklungen in die Kurzeinschätzungen zu den jeweiligen Motiven verpacken können, werden wir euch natürlich auch hier auf dem Laufenden halten.

Zunächst einmal wollen wir euch danken. Ihr seid nämlich ziemlich großartig. Indem ihr uns schickt, was euch an entsprechender Werbung so über den Weg läuft, können wir allmählich unsere Deutschlandkarte mit Pins füllen und sichtbar machen, wo genau das Problem liegt. Dabei bilden wir jedoch nicht nur sexistische Werbung ab, sondern auch stereotype Geschlechterdarstellungen und nicht-sexistische Motive. Und manchmal liegen wir damit mit euch über Kreuz. Denn auch wenn uns viele Werbeanzeigen nicht gefallen, geschmacklos erscheinen, kontextlos sind und sexualisieren, heißt das im Einzelfall noch nicht, dass diese Werbung aufgrund von Geschlecht diskriminiert oder diese Form der Diskriminierung auch nur begünstigt. So wie diese Werbung für einen Bremer Bäcker zum Beispiel.

Ganz klar wird hier ohne Produktbezug und mit Seminacktheit geworben. Aber eben geschlechtsübergreifend. Die Nacktheit wird nicht sexualisiert, es wird kein deutliches Machtgefälle inszeniert. Man könnte argumentieren, dass das Brot den zentralen Blickfang der Werbung, nämlich die weibliche Brust, verdeckt, und die Nacktheit der Frau mehr im Vordergrund steht als die des Mannes. Aber das begründet noch keinen Fall von Diskriminierung. Und bei diesem Motiv

reicht eine Kleinigkeit, um die andeutungsweise sexualisierte und deutlich stereotypisierte Darstellung als nicht sexistisch einzustufen: Der Mann trägt unter seiner Latzhose auch keine Oberbekleidung. Der Teufel steckt im Detail. So auch bei dieser Werbung.

Als Beitragsbild für einen Facebookeintrag dürften wir dieses Motiv schon mal nicht wählen. Wegen der sichtbaren weiblichen Brustwarzen. Doch auch wenn hier in einer Weise mit nackten Tatsachen geworben wird, die selbst uns nicht oft unterkommt, hat diese Nacktheit einen Produktbezug und ist nicht sexualisiert. Die Firma bietet unter anderem gut sichtbar Dienstleistungen im Sanitärbereich und wirbt mit einer duschenden Frau. Selbstverständlich kann man sich fragen, was das soll, und diese Darstellung muss einem auch nicht gefallen. Aber an dieser Stelle Diskriminierung aufgrund von Geschlecht zu verargumentieren, greift deutlich zu weit.

Das gilt auch für unser letztes Beispiel. Kein anderes Motiv wurde uns häufiger eingeschickt als dieses.

Interessanterweise auch mit den diversesten Begründungen. Manche benannten das als „klar sexistisch“, andere ärgerten sich vor allem darüber, dass überhaupt für Tabakprodukte geworben werden darf. Einige fragten nach, „ob das jetzt sexistisch ist“, und ein paar bewerteten es zwar selbst als „wohl nicht sexistisch“, schickten es aber trotzdem ein, weil sie wissen wollten, wie wir das sehen.

Wir finden, dass diese Bandbreite das Problem ganz gut umreißt. Auch wir ärgern uns darüber, dass diese Zigarettenwerbung deutschlandweit hängt. Mit seminackten Frauen für krebserregenden Tabakkonsum zu werben, ist ganz sicher nicht das, was wir uns unter guter Werbung vorstellen. Aber das reicht nicht. Wird hier deutlich sexuelle Verfügbarkeit suggeriert? Eine pauschal abwertende/limitierende Aussagen über Frauen gemacht? Ein Machtgefälle inszeniert wie in dieser Werbung?

Oder der weibliche Körper klar und abwertend objektifiziert wie hier?

Im Zweifel muss immer für die Werbetreibenden entschieden werden. Anders lassen sich unsere Kriterien, die explizit für eine Gesetzesnorm erstellt worden sind, nicht anwenden. Selbst wenn wir es persönlich das ein oder andere Mal enger sehen als unsere Norm.

Denn wir wollen ja zeigen, dass Sexismus eben nicht nur eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, sondern nach klaren Maßstäben eingewertet werden kann. Und wenn wir die Werbemelder*in zu einem erfolgreichen Projekt machen wollen, dann müssen wir uns jederzeit an unsere eigenen Maßstäben messen lassen. Auch und gerade dann, wenn es so richtig ungemütlich wird.