Kein Maulkorb für Teilzeit!

Eigentlich wollte ich über Rap schreiben. Aber dann schickte Pinkstinks-Verena mir einen Twitter-Thread, der meinen Nerv traf und so anfing:

Meine Gedanken rammten sich an wie in einem amtlichen Moshpit. Fordert diese Frau etwa Zensur? Ich hoffe doch wohl, nicht. Was sie wohl eher meint ist: Wenn über klassische Familienmodelle geschrieben wird, bleibt gesellschaftlich wie politisch eher alles beim Alten, was für viele Frauen prekäre Folgen hat und haben wird. Das Private ist Politisch und so. Mütter werden mit dem antiquierten „Argument“, sie seien das Beste für Kinder, in Teilzeitstellen oder gleich ganz nach Hause geschickt, während die Väter wie kinderlos weitermachen. Die Einverdiener-Ehe wird staatlich unterstützt, aber im Trennungsfall ziehen überwiegend die Frauen Arschkarten in der Größe von mindestens Brasilien. Find ich auch alles scheiße. Trotzdem arbeite ich Teilzeit. Weil meine Kinder gar nicht mal so lange klein sind und ich sehr gern Zeit mit ihnen verbringe. Weil ich aber diese Arschkarte nicht wollte, haben wir einen Ehevertrag, beide eine private Altersvorsorge, den klaren Deal, dass wir beide für alles zuständig sind und beide eine feste Summe zum Familieneinkommen beitragen. An unserem persönlichen Höhepunkt der Gleichberechtigung teilten wir uns alles 50:50. Politisch wie privat top. Und ja, das hat sich immer feministisch und selbstermächtigt angefühlt. Aber in letzter Zeit leider auch ganz schön oft beschissen.

Denn mein Mann hat in einem schleichenden Prozess immer weniger Zeit für die Familienaufgaben gehabt, die ich in einem ebenso schleichenden Prozess übernommen habe. Mental Load ist das Stichwort. Über meine Erwerbsarbeit und all diese Aufgaben, vergaß ich, dass ich doch eigentlich ein fröhlicher Mensch in einer fröhlichen Familie sein wollte. Stattdessen war ich gestresst, gereizt und hatte jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, Angst, Ärger zu bekommen, weil ich irgendwas vergessen habe. Auf die Frage, wie es mir geht, war meine Antwort: ‚Gut, aber ca. 15% zu viel.‘

Als ich mich gefragt habe, was genau mir gerade zu viel ist, musste ich nicht lange überlegen: die Erwerbsarbeit.

Meine Reaktion fühlte sich feministisch und unfeministisch zugleich an, denn ich teilte meinem Mann mit, dass ich gerade die Familienarbeit so gern mache, wie er seinen Bezahljob, ich mich aber weigere, bei diesem Pensum so viel Geld reinzuverdienen. Gemeinsam haben wir beschlossen, dass ich, solange er mehr arbeitet, weniger zum Familieneinkommen beitrage. Jetzt haben wir zwar weniger Geld, aber meine unbezahlte Arbeit fühlt sich gewertschätzter an – und insgesamt grinst unser Stimmungsbarometer wieder ganz schön oft.

Mein derzeitiges Leben fühlt sich also im Privaten ziemlich gut und im Politischen eher scheisse an. Mit meinem Rucksack voller Privilegien versuche ich im Kleinen, mein Privates mit dem Politischen wieder in Einklang zu bringen. Ich frage Frauen, die in Familienmodellen wie wir leben: ‚Habt ihr einen Ehevertrag?‘ und frage weiter, wenn sie antworten: ‚Nein, das finde ich unromantisch.‘ Ich versuche Eltern zu entlasten, die alleinerziehend sind oder die viel arbeiten wollen oder müssen, indem ihre Kinder hier spielen und übernachten können. Und beim letzten Elternabend habe ich bei der Frage, wer die Elternvertretung übernehmen kann, fast sogar geschnipst. Für meinen Mann ist die Tatsache, dass ich mehr mache, übrigens auch keine Einladung für privates Füße-Hoch. Sind wir beide Zuhause, sind auch beide für alles verantwortlich. Und nachdem ich meine Mischung aus schlechtgewissiger Rechtfertigung und Überzeugung dargelegt habe, möchte ich folgende Frage beantworten:

Weil Gleichberechtigung für mich nicht bedeutet, dass alle Elternteile mit kleinen Kindern Vollzeit arbeiten, sondern dass alle verschieden leben können und dabei gleich behandelt werden. Alle Vollzeit, beide Teilzeit, eine*r Zuhause, whatever, aber bitte unbedingt so, dass die Entscheidung von allen Beteiligten gemeinsam getroffen wird. Zu neuen, für alle richtigen Familienentwürfen kommt es aber wohl eher nicht, wenn wir uns nicht alle offen austauschen, wa?

Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich möchte vielleicht doch lieber über Rap schreiben.